Marc Walder, CEO Ringier, im Interview

Marc Walder, Gründer von digitalswitzerland und CEO Ringier AG. (Bild: Ringier)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Walder, Sie sind der Initiator und einer der Mitgründer von DigitalZurich2025. Mitte September wurde daraus digitalswitzerland. Was hat das an der Zielsetzung und an der Strategie verändert?

Marc Walder: Wir sind, nach intensiver Debatte damals Anfang 2015, als regionale Initiative mit DigitalZurich2025 gestartet. Unser Credo lautete: Lieber in einem ersten Schritt fokussieren auf die «Greater Zurich Area» und die ersten Nägel einschlagen. Das ist uns gelungen. Lassen Sie mich einige Initiativen nennen: Investor Summit, WorldWebForum, Kickstart Accelerator, Education Digital, Lancierung der Debatte zu den politischen Rahmenbedingungen rund um die Besteuerung von Startups etc.. Nun folgt der logische nächste Schritt: aus DigitalZurich2025 wird digitalswitzerland.

«Kurz und knapp gesagt: Die richtigen Inhalte produzieren. Das ist unsere Kernaufgabe. Ohne die Inhalte, Texte, Videos, Fotos, Grafiken etc sind wir nicht mehr relevant.» Marc Walder, CEO Ringier

Warum fällt die Zahl 2025 weg?

Logitech-Gründer Daniel Borel fragte: «Was soll diese Zahl? Sollen die Ziele bis dann erreicht sein? Dann wäre das falsch. Soll die Initiative bis dann beendet sein? Das wäre ebenso falsch. Lasst die Zahl weg. Es geht ums jetzt und hier.» Er hatte Recht. Also haben wir 2025 gestrichen.

Wo steht Ringier selbst bezüglich der Digitalisierung und wie wirkt sich diese auf die Erträge und die Arbeitsplätze aus?

Ringier erzielt 2016 über 60 Prozent seines EBITDAs mit digitalen Geschäften. 2011 waren wir bei 0,1 Prozent. Dank dieser gewaltigen Transformation befinden wir uns in der Spitzengruppe der europäischen Medienunternehmen, was den Digitalisierungsgrad anbelangt. Die Aktionäre haben dafür viel Geld ausgegeben und viel unternehmerisches Risiko auf sich genommen – das ist enorm eindrücklich und das ist keine Floskel. Schauen Sie: Viele andere Verlage auf der ganzen Welt hatten diesen Mut nicht oder hatten das Geld nicht oder hatten die Dringlichkeit nicht erkennen wollen – sie werden verschwinden. Leider.

Wie wichtig ist dieser Digitalisierungsgrad?

Lebenswichtig.

«Wir befinden uns in der Spitzengruppe der europäischen Medienunternehmen, was den Digitalisierungsgrad anbelangt. Die Aktionäre haben dafür viel Geld ausgegeben und viel unternehmerisches Risiko auf sich genommen.»

Der Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff hat sich gerade in seiner Kolumne der wachsenden Zahl der Digitalisierungs-Kritiker angeschlossen. Seiner Meinung nach führt die Digitalisierung vor allem zu einer Umverteilung von Marktanteilen bei einem gesamtwirtschaftlichen Nullsummen-Spiel und einem Abbau von Arbeitsplätzen. Wie sieht Ihre Einschätzung der Digitalisierung aus?

Viele Arbeitsplätze wurden und werden obsolet. Ebenso viele Arbeitsplätze müssen schleunigst neu definiert werden, heisst: Die Arbeitnehmer müssen lernen, lernen, lernen. Wer stehen bleibt, wird seinen Job nicht mehr behalten können. Und dann entstehen viele neue Arbeitsplätze. Viele davon. Sie haben alle mit Technologie, Software, Daten, digitalem Verständnis generell zu tun. Egal ob Sie in der Medienindustrie arbeiten, bei einer Bank, einer Versicherung, einem Retailer oder einem Automobil-Unternehmen. Die Schweiz muss sich hier sputen, damit sie ein attraktiver Cluster bleibt in Europa. Dafür kämpfen wir mit digitalswitzerland. Wir arbeiten daran, diesen so wichtigen Dominoeffekt zu aktivieren. Nur Cluster sind international kompetitiv.

Wie Sie gerade erwähnten, sind nebst den Inhalten auch für die Medien vermehrt die technologische Kompetenz und die Innovationsfähigkeit entscheidend für den Erfolg. Welche Technologien oder Innovationen werden in den kommenden Jahren die Entwicklung von Ringier prägen?

Viele. Aber allen voran der Umgang mit Daten. Vereinfacht: Welche Daten generieren unsere Unternehmen? Und wie gehen wir damit um? Wer diese beiden Fragen gut beantwortet und dann auch umsetzt, der kann etwas ruhiger schlafen. In einer Welt, in der User und Leser immer mehr mit Chatbots kommunizieren werden, um ein kleines Beispiel zu nennen, ist Technologie-Verständnis überlebenswichtig.

Nachdem Unternehmen wie Facebook, Twitter, Google oder Youtube beim Vertrieb von Inhalten oft schon relevanter sind als die eigenen Kanäle der Medienhäuser, trotzen sie diesen vermehrt auch einen grösseren Teil des Werbekuchens ab. Welche Mittel und welche Perspektiven bleiben den traditionellen Medien?  

Kurz und knapp gesagt: Die richtigen Inhalte produzieren. Das ist unsere Kernaufgabe. Ohne die Inhalte, Texte, Videos, Fotos, Grafiken etc sind wir nicht mehr relevant. Die Frage aber bleibt: Wird dies reichen? Werden wir damit genügend Geld verdienen? Apple hat Apple News lanciert. Die gute Nachricht: Mehr User für die Publisher, die ihre Inhalte auf Apple News anbieten. Die schlechte Nachricht: Verdienen tut kein einziger mehr als vorher. Dies bleibt die fundamentale Herausforderung.

Der bedeutendste Anlass von digitalswitzerland, der Kickstart Accelerator ist am 04. November nach 11 Wochen im ewz-Unterwerk Selnau zu Ende gegangen. Welches Fazit ziehen Sie, was hat überzeugt, wo sehen Sie Verbesserungspotential für 2017?

Ach, lassen wir es einmal beim Positiven: Wir haben innerhalb einiger Monate Europas grösstes Start-Up-Projekt auf die Beine gestellt. Eine schlicht grossartige Leistung. Der Standort Schweiz hat damit bewiesen: Wir können das! Nicht schlecht.

Nach der Anpassung der Besteuerung von Startups in Zürich nach der so genannten Praktikermethode und den Erleichterungen für Fintechs auf Bundesebene (Sandkasten und Banklizenz light), was steht einem erfolgreichen Fintech- und Startup-Hub-Schweiz noch im Wege?

Das war ein ganz wichtiger Schritt für den Standort Zürich. Was steht dem erfolgreichen Fintech- und Startup-Hub noch im Wege? Nun: Brutal viel Arbeit, Innovation, Mut, Geld, Forschung, Bildung und und und. Das wird ein ziemlich steiler Weg. Aber – wir sind immerhin schon mittendrin in der Besteigung.

Welchen Einfluss wird Ihrer Meinung nach der Brexit auf die Startup-Szene in London und indirekt auf die Schweiz haben?

Man sagt mir bei jedem Gespräch: Spürbar ist bis jetzt noch nichts. Mal sehen, wie das in zwei Jahren aussieht.

«Wir haben innerhalb einiger Monate Europas grösstes Start-Up-Projekt Projekt auf die Beine gestellt. Eine schlicht grossartige Leistung. Der Standort Schweiz hat damit bewiesen: Wir können das!»

Wenn Sie morgen ohne jegliche Einschränkungen ein Startup gründen könnten, was würde dieses anbieten oder produzieren, welches Problem würden Sie lösen?

(Lacht). Das würde ich gerade hier verraten. Ist nicht das Faszinierende vieler digitaler Fortschritte, dass Dinge vereinfacht werden, von denen wir gar nicht dachten, dass sie fundamental vereinfacht werden können?

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Mehr Schlaf. Weniger iPhone. Wird beim Wunsch bleiben …

Der Gesprächspartner:
Marc Walder (*19. August 1965) hat im April 2012 als CEO der Ringier AG den Vorsitz des Group Executive Boards übernommen. Nebst dieser Tätigkeit bekleidet Walder diverse Mandate. Er amtet unter anderem als Verwaltungsrats-Präsident der Scout24 Schweiz AG, sowie als Verwaltungsrats-Vizepräsident der JobCloud AG und ist Mitglied im Beirat des FIFA Museum. Er ist der Initiant von DigitalZurich2025, dem heutigen digitalswitzerland.

Seine Karriere bei Ringier begann er 1991 nach acht Jahren als Tennisprofessional auf der ATP-Tour. Nach dem Besuch der Ringier Journalistenschule wechselte Walder in die Blick-Gruppe, wo er unter anderem stellvertretender Chefredaktor des SonntagsBlick und Sportchef der Blick-Gruppe war. Im Jahr 2000 wurde er zum Chefredaktor der grössten Schweizer Zeitschrift Schweizer Illustrierte ernannt, die er während sieben Jahren erfolgreich führte. Ab 2007 amtete Walder als Chefredaktor des SonntagsBlick und übernahm darüber hinaus die publizistische Leitung der Blick-Gruppe.

Seit September 2008 war Marc Walder CEO Ringier Schweiz und Deutschland und Mitglied der Ringier Konzernleitung. Unter Walder wurde die Ringier AG seither konsequent diversifiziert und digitalisiert: Ringier investierte stark in die beiden Bereiche Digital Business und Entertainment. 2008 absolvierte Walder das Advanced Executive Management Program der Harvard Business School in Boston. Marc Walder ist verheiratet, Vater von zwei Töchtern und lebt in der Nähe von Zürich.

Das Unternehmer:
Ringier ist ein in­ternatio­nal agieren­der moderner Medi­enkonzern mit ei­ner inte­grier­ten und diversifizier­ten Wert­schöpfungs­kette. Die aktuel­le Stra­tegie baut nicht nur auf Medien sondern auch auf Digi­talisierung und En­ter­tainment. Zur Ringier Gruppe gehören mehr als 120 Zeitungen und Magazine, rund 70 Portale, über 40 mobile Applikationen und eigenes Druckgeschäft. Der Bereich «Entertainment» umfasst Radiostationen, Fernseh-Shows, Events, Ticketing und Vermarktungs-Service. 

Ringier Digital ist der schnellst wachsende Geschäftsbereich der Ringier AG. Das Portfolio umfasst die führenden Schweizer Online Marktplätze und eCommerce-Portale. Ringier Digital Ventures investiert in junge Start-up Beteiligungen, welche vom umfangreichen Netzwerk des internationalen Medienunternehmens profitieren.

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