Marc Werner, CEO Galenica Gruppe, im Interview
von Bob Buchheit
Monecab: Herr Werner, im ersten Halbjahr wuchs die Galenica Gruppe fast doppelt so schnell wie der Schweizer Pharmamarkt. Warum war der Bereich Services der Haupttreiber?
Marc Werner: Das starke Umsatzwachstum bei Services hat zwei Treiber: Zum einen haben kurz vor dem Lockdown Patienten und Kunden in den Apotheken, aber auch Dienstleister wie Ärzte und Spitäler, Vorratskäufe getätigt. Das hat dazu geführt, dass unsere Logistikunternehmen tageweise bis zu 60% mehr Volumen zu bewältigen hatten. Wir schätzen, dass diese COVID-19 bedingten Einkäufe den Umsatz mit rund 3% positiv beeinflusst haben. Zusätzlich konnten wir sowohl bei den Ärzten, als auch bei den unabhängigen Apotheken, neue Kunden gewinnen und damit unseren Marktanteil erhöhen. Offenbar schätzen unsere Kunden die Dienstleistungen und die hohe Qualität unserer Grossisten.
Eines von Galenicas Erfolgsgeheimnissen ist die vertikale Integration. Kann man die überhaupt noch weiter vertiefen?
Wir können insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den drei Geschäftsbereichen und den verschiedenen Unternehmen der Galenica Gruppe noch weiter verbessern, mit dem Ziel, noch bessere Leistungen anzubieten und Synergien zu nutzen.
«Umsatzeinbrüche verzeichneten insbesondere auch Apotheken an Hochfrequenzlagen wie Einkaufszentren, Bahnhöfen und Flughäfen.»
Marc Werner, CEO Galenica Gruppe
Kann man die COVID-19-bedingter Zusatzaufwände genau beziffern?
Während des Lockdowns hatten wir Umsatzverluste bei den Beauty-Produkten und aufgrund der Schliessung der Parfümerie-Abteilungen, welche die Behörden verordnet hatte. Umsatzeinbrüche verzeichneten insbesondere auch Apotheken an Hochfrequenzlagen wie Einkaufszentren, Bahnhöfen und Flughäfen. Diese Umsatzeinbussen haben das Gruppenergebnis im ersten Halbjahr 2020 am meisten belastet. Die Zusatzkosten im Zusammenhang mit COVID-19, wie zum Beispiel Massnahmen zum Schutz der Mitarbeitenden und Kunden sowie zur Aufrechterhaltung der Betriebe, sind schwierig zu beziffern, blieben jedoch im Rahmen eines einstelligen Millionenbetrages.
Offenbar hat die Versorgung der Bevölkerung durch Ihre Gruppe während der Coronakrise glänzend geklappt. Wenn Sie einen Verbesserungswunsch an die Politik hätten, wie sähe der aus?
Die Behörden und die Politik haben während der ausserordentlichen Corona-Lage gute Arbeit geleistet. Der Entscheid des Bundesrats zur beschränkten Abgabe von ausgewählten Medikamenten am 18. März war wichtig und hat unseren Logistikunternehmen geholfen, die Krise zu bewältigen und die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten jederzeit sicherzustellen. Wir hätten es begrüsst, wenn der Bundesrat diesen Entscheid schon einige Tage früher gefällt hätte, um grössere Probleme in der Logistik und der Verfügbarkeit der Medikamente zu verhindern. Sehr überrascht hat uns auch, dass die Behörden bei der Verteilung der Schutzmasken zuerst nur die Grossverteiler berücksichtigten und die dazu bestens qualifizierten und gut erreichbaren Apotheken und Drogerien vergessen hatten.
Bleibt es bei Ihrer geplanten Expansion im Retail-Bereich?
Wir planen, auch in den nächsten Jahren unser Apothekennetz jährlich mit 5 bis 15 neuen Apotheken dynamisch weiterzuentwickeln. Genauso wichtig bleibt die laufende Optimierung und Bereinigung unseres Apothekennetzes. Mit hoher Priorität treiben wir auch die Omni-Channel-Strategie konsequent voran. Das heisst, wir wollen nicht nur unsere digitalen Kanäle und Angebote ausbauen und die Marktpräsenz erhöhen, sondern diese gleichzeitig auch mit den stationären Apotheken verbinden und die On- und Off-Line-Angebote noch mehr vernetzen.
«Wir planen, auch in den nächsten Jahren unser Apothekennetz jährlich mit 5 bis 15 neuen Apotheken dynamisch weiterzuentwickeln.»
Wieviel vom Umsatz verschreibungspflichtiger Medikament macht denn jetzt der Heimversand aus?
Der Anteil unserer Spezialapotheke Mediservice am Gesamtumsatz des Geschäftsbereichs Retail beträgt zwischen 15% und 20%. Im gesamten Pharmamarkt in der Schweiz betrug der Marktanteil der Versandapotheken im ersten Halbjahr 4.3%.
Gab es da durch Corona eine merkliche Verschiebung?
Nein, es konnte durch Corona keine Verschiebung festgestellt werden. Im Markt war der Umsatz der Versandapotheken mit minus 1.7% leicht rückläufig. Mediservice ist im ersten Halbjahr 3.2% gewachsen.
Was versprechen Sie sich vom Eintritt in den bereits reichlich besetzten Probiotika-Markt?
Der Probiotika-Markt ist ein sehr dynamisches Segment mit jährlich zweistelligen Wachstumsraten in den letzten fünf Jahren. Verfora hat mit dem Vertrieb der Pro- und Präbiotika des in Europa führenden Instituts Allergosan einen hervorragenden Einstieg gefunden und eine wichtige Lücke in ihrem Portfolio geschlossen. Verfora hat damit die führende Position in diesem Marktsegment übernommen.
Die Software-Lösung «Quatron» zum raschen Aufbau eines individualisierten Online-Shops für unabhängige Apotheker verzeichnete im ersten Halbjahr 2020 eine grosse Nachfrage. Was bedeutet das in absoluten Zahlen?
In absoluten Zahlen können wir das noch nicht ausweisen. Die grosse Nachfrage zeigt uns aber deutlich auf, dass auch die unabhängigen Apotheker die Zeichen der Zeit erkannt haben und in digitale Kanäle investieren wollen.
Im 2019 kamen 11 eigene Apotheken hinzu. Ich nehme an 2020 wird der Zuwachs gemächlicher sein?
Unsere Zielsetzung von 5 bis 15 neuen Apotheken pro Jahr gilt nach wie vor. Wir sind im ersten Halbjahr mit sechs neuen Apotheken gewachsen, und im Juli sind bereits drei neue Apotheken dazugekommen. Wir werden uns also auch 2020 im Rahmen unserer Zielsetzungen dynamisch weiterentwickeln.
«Die Gegner des Referenzpreissystems befürchten, dass mit tieferen Generikapreisen die Attraktivität des kleinen Schweizer Marktes für Generikalieferanten weiter abnehmen wird, mit der Folge eines sich weiter reduzierenden Angebots an Generika im Markt.»
Welche Schatten wirft das geplante Referenzpreissystem für Generika?
Im August 2019 hat der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft mit dem Vorschlag eines Referenzpreissystems für patentabgelaufene Produkte überwiesen. Die Diskussion dieses Vorschlags im Parlament wird voraussichtlich in der Herbstsession aufgenommen. Das vorgeschlagene Referenzpreissystem ist stark umstritten. Der Hauptgrund für den tiefen Anteil an Generika im Schweizer Markt liegt am kleinen Angebot an Generika. Die Gegner des Referenzpreissystems befürchten, dass mit tieferen Generikapreisen die Attraktivität des kleinen Schweizer Marktes für Generikalieferanten weiter abnehmen wird, mit der Folge eines sich weiter reduzierenden Angebots an Generika im Markt.
Sie sind jetzt mehr als 100 Tage im Amt. Da darf man nach einem ersten Fazit fragen…
Galenica ist ein erfolgreiches Unternehmen, hervorragend im Markt positioniert und auf einem gesunden und soliden Fundament aufgebaut. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, mit beeindruckendem und fundiertem Markt- und Fachwissen. Klar gibt es auch für Galenica in den nächsten Jahren grosse Herausforderungen, sei es in den sich verändernden Kundenbedürfnissen, in der Digitalisierung oder in einer sich verändernden Arbeitswelt. All das sind Themen, welche wir auf der Basis einer guten und gesunden strategischen Ausgangslage angehen werden.