Marcel Pawlicek, CEO Burckhardt Compression, im Interview

Marcel Pawlicek, CEO Burckhardt Compression, im Interview
Marcel Pawlicek, CEO Burckhardt Compression. (Foto: BC)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Pawlicek, der alten Industriemetropole Winterthur halten Sie als Produktionsstandort noch immer die Stange. Was gibt den Ausschlag?

Marcel Pawlicek: Winterthur, und generell die Schweiz, ist für uns ein ausgezeichneter Produktionsstandort. Wir verfügen in der Schweiz über ein hervorragendes Bildungssystem und können daher auf bestens ausgebildete Mitarbeitende zugreifen. Ausserdem ist die Technologiekompetenz in der Schweiz sehr hoch. Beide Faktoren stellen für uns grosse Wettbewerbsvorteile dar.

Personalabbau war aber die Reaktion auf die Branchenkrise im Öl- und Gasgeschäft. Mit 50 von hundert Stellen war Winterthur überproportional betroffen…

Der Stellenabbau hängt mit einer Veränderung der Art der Projekte zusammen, die sich in den vergangenen Monaten immer stärker abgezeichnet hat. Das heisst, der Bestellungseingang im Geschäft mit Anwendungen, für die ausschliesslich Einzelkompressoren benötigt werden, ist stark zurückgegangen, und es gab eine Verschiebung hin zu Kompressor-Systemen. Bei Letzteren ist der Anteil der lokalen Wertschöpfung jedoch geringer, was einen spürbaren Einfluss auf die Auslastung in der Fertigung zur Folge hatte.

Die Energiepreise scheinen das Schlimmste hinter sich gehabt zu haben. Das scheint sich aber, wie man an Ihren gerade veröffentlichten Zahlen ablesen kann, nur mit deutlicher Verzögerung in den Orderbüchern niederzuschlagen. Wird das Orderbuch 2017 wieder voll?

Der tiefe Rohölpreis hat im Moment keinen negativen Einfluss auf die Investitionen im Raffineriegeschäft. Zum einen weil die Ölpreise an der Tankstelle oder beim Heizölhändler nicht in dem Masse zurückgegangen sind wie die Preise für Rohöl. Zum anderen, weil viele Raffinerien ihre Anlagen umrüsten, um künftig verschiedene Rohölqualitäten verarbeiten zu können und nicht mehr vom Rohöl aus einer Region abhängig sind. Was unsere Branche im Moment aber deutlich merkt ist, dass sich viele Kunden aufgrund der aktuell unsicheren geopolitischen Lage noch nicht festlegen wollen, wann und wo sie ihre Grossinvestitionen tätigen. Dass sie überhaupt investieren, steht meist ausser Frage. Ausserdem möchten sich noch nicht alle Kunden auf die Wahl des Rohstoffs festlegen – also ob sie künftig auf Erdgas oder -öl setzen. Diese Unsicherheiten schlagen sich auch in unseren Zahlen nieder. Wir rechnen gegenwärtig nicht mit einer deutlichen Verbesserung im Bestelleingang vor dem Geschäftsjahr 2018.

Ihr Servicegeschäft wuchs im ersten Halbjahr 2016 stärker als von Vielen erwartet. Liegt das daran, dass die Kompressoren immer länger laufen müssen?

Das hat andere Gründe. Wir können auf eine grosse installierte Basis von Kompressorsystemen bauen. Da die Kunden mit ihrem Kompressor zufrieden sind, vergeben sie nun auch die Serviceaufträge an Burckhardt Compression. Unsere Kompressoren sind auf sehr lange Lebenszyklen ausgelegt; Laufzeiten von 40 oder mehr Jahren sind da keine Seltenheit. Mit der Schaffung einer divisionalen Organisationsstruktur im Juni 2016 und der Schaffung einer Services Division haben wir uns daher noch stärker auf das Servicegeschäft ausgerichtet. Zum organischen Wachstum hinzu kommen Akquisitionen und Kooperationen, die wir im letzten Jahr eingegangen sind. So hat zum Beispiel die neueste grössere Akquisition, Shenyang Yuanda Compressor aus China, einiges zu diesem Erfolg beigesteuert.

«Mit IKS können wir unser Know-how in zusätzlichen Anwendungsgebieten, wie etwa der Eisen- und Stahlindustrie, erweitern.»
Marcel Pawlicek, CEO Burckhardt Compression

Aufgrund Ihrer starken Bilanz können Sie shoppen gehen. So haben Sie beispielsweise auch den norddeutschen Servicedienstleister IKS gekauft. Da diese Firma im ganzen Land ein ausgezeichnetes Servicenetz aufgebaut hat, sind 4 Millionen Euro als Kaufpreis wohl ein Schnäppchen?

Es ist richtig, dass IKS Industrie- und Kompressorservice über ein ausgezeichnetes Netzwerk in Deutschland verfügt. Mit dieser Akquisition sind wir nun noch besser in der Lage, Servicedienstleistungen auch für markenfremde Kompressoren anzubieten, zudem verschafft uns das Netzwerk eine grosse Kundennähe. Mit IKS können wir unser Know-how in zusätzlichen Anwendungsgebieten, wie etwa der Eisen- und Stahlindustrie erweitern.

Für den Service Provider Arkos in den USA mussten Sie im letzten Jahr sicherlich ein Vielfaches hinblättern, obwohl sie dort nur einen 40%-Anteil genommen haben. Spüren Sie jetzt bereits ein spürbar anziehendes US-Geschäft?

Auch Arkos Field Services ist im Servicegeschäft tätig. Das Unternehmen verfügt über 17 Niederlassungen in den USA sowie ein ausgezeichnetes Netzwerk. Mit der Beteiligung an Arkos verschaffte sich Burckhardt Compression einen verstärkten Zugang zum amerikanischen Markt und damit auch zu einer grossen installierten Basis an Kolbenkompressoren. Die Kooperation mit Arkos ist daher strategisch wichtig.

Sollte der Ölpreis wieder über 60 USD pro Barrel steigen, werden alternative Fördermethoden erneut interessant. Wie wirkt sich das auf Burckhardt Compression aus?

Wir liefern auch Kompressorsysteme für Verfahren der erweiterten Ölförderung. Beispielsweise um aus dem Bohrloch mit austretende, aber nicht verwendbare Gase oder bei der Verarbeitung des Rohöls austretende Gase wieder in das Bohrloch zurückzupressen. Damit können zur Neige gehende Ölfelder mit schwierigen Förderungsverhältnissen besser ausgeschöpft werden. Diese Technik wird heute immer wichtiger, damit keine neuen Felder erschlossen werden müssen. Wir verfügen über viel Erfahrung im Umgang mit Gasen unter hohem Druck.

«Steht ein Kompressor erst mal still, steht mit ihm in der Regel die gesamte Anlage, und das bedeutet hohe Kosten für die Kunden. Kurze Reaktionszeiten sind daher der Schlüssel zum Erfolg.»

Sie wollen auch als Ersatzteillieferant punkten. Natürlich werden Dichtungen und Ventile öfter mal ausgetauscht, aber welche Grossteile sind denn am kapitalintensivsten?

Burckhardt Compression bietet die gesamte Palette an Kompressorkomponenten, wie Ventile, Ringe und Packungen. Bei Bedarf fertigen wir auch Hauptkomponenten, wie Kolbenstangen oder Gehäuse. Wir verfügen über viel Know-how im Bereich Kompressorkomponenten. Kundennähe und Schnelligkeit sind hierfür Grundvoraussetzungen, denn steht ein Kompressor erst mal still, steht mit ihm in der Regel die gesamte Anlage, und das bedeutet hohe Kosten für die Kunden. Kurze Reaktionszeiten sind daher der Schlüssel zum Erfolg.

Zeichnet sich in Ihrer engen technologischen Nische eine disruptive Technologie für die nähere Zukunft ab?

Die Frachtschifffahrt bekommt immer strengere Umweltauflagen und setzt daher auf immer schadstoffärmere Antriebe. Aus diesem Grund kommen auch immer mehr „Dual-Fuel“-angetriebene Schiffe zum Einsatz. Damit entscheiden sich die Schiffseigner nicht nur für eine kraftstoffsparende, sondern auch emissionsarme Lösung. Da das Verbrennen von Erdgas rund einen Viertel weniger Kohlendioxyd verursacht als das Verbrennen von Öl, werden Dual-Fuel-Antriebe auch für den Einsatz bei Lastwagen, Bussen, Eisenbahnen und anderen Schiffen, zusätzlich zu den LNG-Tankern, weltweit vorangetrieben.

Die LNG- oder Flüssiggas-Tanker sind ein weiteres wichtiges Thema für uns. Bei der Lagerung des Flüssigerdgases im Schiffsrumpf verflüchtigt sich ein kleiner Teil des Gases das sogenannte Boil-off-Gas. Wir haben ein Kompressorsystem entwickelt, welches diese Gase entweder rückverflüssigt und zurück in den Tank führt oder das Gas als Kraftstoff in die Schiffsmotoren des Hauptantriebs oder in die Hilfsmotoren einspritzt.

Wenn man einen Kompressor von heute mit einem von vor 30 Jahren vergleicht – wieviel länger hält er dann?

Die Kompressorsysteme haben sich in den vergangenen 30 Jahren nicht grundsätzlich verändert. Die heutigen Materialien und Technologien sind jedoch ausgefeilter und besser auf die jeweilige Anwendung abgestimmt. Technologien, wie beispielsweise ölfreie Dichtungen, waren früher nicht möglich. Damit können heute sowohl sehr aggressive als auch hochreine Gase ohne Hilfsstoffe verarbeitet werden.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist Monitoring und Diagnose. Heute lassen sich Kompressorsysteme dank den verschiedensten Überwachungsmodulen in Bezug auf Laufleistung, sich verändernde Vibrationswerte permanent überwachen. Dadurch können die Abnutzung von Verschleissteilen oder mögliche anstehende Reparaturen frühzeitig erkannt und die Behebung im nächsten Wartungsfenster eingeplant werden. So lassen sich ausserplanmässige Abschaltungen der Kompressorsysteme weitgehend vermeiden.

Zur Person:
Marcel Pawlicek ist Dipl. Ing. der HTL Winterthur. Zusätzlich hat er einen MBA in Marketing und International Business der Fordham University, New York. Seine Berufskarriere startete als Konstrukteur bei der Maschinenfabrik Sulzer-Burckhardt AG von 1986 bis 1989. Danach war Marcel Pawlicek zehn Jahre lang Projektleiter und Leiter Marketing und Verkauf Burckhardt Kompressoren bei Sulzer Inc., USA. Zurück in der Schweiz war er Leiter Verkauf und Contracting bei der Maschinenfabrik Sulzer-Burckhardt (1999-2001), von 2001 bis 2011 schliesslich in weiteren Leitungsfunktionen bei Burckhardt Compression, bis er dann im 2011 deren CEO wurde.

Schreibe einen Kommentar