Marcel Stoffel, Inhaber stoffelzurich, im Interview

Marcel Stoffel

Marcel Stoffel, Inhaber stoffelzurich. (Foto: Roman Weyeneth)

Moneycab.com: Herr Stoffel, Sie sind Herausgeber des Shoppingcenter Marktreports 2016, für den über 250 Experten aus der Shoppingcenter- und Detailhandelsbranche befragt wurden. Wie präsentiert sich der Markt aktuell?

Marcel Stoffel: Es ist immer schwierig zu gewissen Themen eine globale Aussage zu machen, so auch bei der aktuellen Marktsituation im Detailhandel und bei den Shoppingcentern. – Klar ist, der Markt ist sehr stark unter Druck und in Bewegung und die Herausforderungen entsprechend gross.

Druck kommt von verschiedenen Seiten. So macht der Einkaufstourismus dem Detailhandel und den Shoppingcentern schwer zu schaffen. Wie stark hat sich die Situation nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar verschärft?

Die Situation hat sich nach der Aufhebung der Euro-Mindestkurses für gewisse Branchen massiv verschärft. Das ist bei Preisunterschieden von zwischen 30 bis 40% oder mehr auch kein Wunder. Vor allem der Non Food Markt und ganz besonders die Mode- und Bekleidungsbranche ist davon besonders betroffen. Bei gleicher Leistung ist es eben sehr schwer einen so hohen Preisunterschied zu erklären und zu rechtfertigen.

Die Einkaufsmöglichkeiten im Internet werden immer vielseitiger, das Angebot steigt, die Preise sinken. In welchen Segmenten leidet der stationäre Detailhandel darunter am meisten?

Auch hier ist die Mode- und Bekleidungsbranche zusammen mit dem Markt für Unterhaltungselektronik und natürlich der Büchermarkt am stärksten betroffen. Aber anders als bei den Auslandeinkäufen steht bei online und e-Commerce nicht immer der (tiefere) Preis im Vordergrund. Der Mehrwert im Internet besteht vor allem darin, dass ich zu jeder Zeit (also immer) auf ein fast unbegrenztes Angebot an Waren und Informationen (also alles) Zugriff habe. Der stationäre Handel in der Schweiz ist hier durch die gesetzliche Einschränkung der Ladenöffnungszeiten schlichtweg nicht wettbewerbsfähig.

«Der Mehrwert im Internet besteht vor allem darin, dass ich zu jeder Zeit (also immer) auf ein fast unbegrenztes Angebot an Waren und Informationen (also alles) Zugriff habe.»
Marcel Stoffel, Inhaber stoffelzurich

Welche Rolle spielt das sich verändernde Konsumverhalten der Menschen?

Ein zentrale, wenn nicht DIE zentrale Rolle. Es gibt letztendlich nur eine erfolgreiche Strategie für den Handel und die heisst: focus on customer satisfaction. Je besser ich mein Angebot und meine Leistung auf die Bedürfnisse meiner Zielgruppe ausrichten kann, umso höher ist meine Erfolgschance.

Wie beurteilen die befragten Experten die Entwicklung in den kommenden zwei bis drei Jahren?

Wir führen die Befragung seit 3 Jahren durch und stellen dieses Jahr fest, dass sämtliche Kriterien von den Experten deutlich schlechter beurteilt werden als noch vor einem oder zwei Jahren. Die Studienergebnisse zeigen auf, dass die Zuversicht (oder die Hoffnung) der letzten Jahre einem grossen Pessimismus gewichen ist.

«Shoppingcenter Management wird zu einer ganzheitlichen Aufgabe mit Verständnis für das komplette Marktsystem.»

Die Herausforderungen sind nicht neu. Wie haben die Betreiber aus Ihrer Erfahrung bisher reagiert? Welche Strategie verfolgen sie?

Vielen Betreibern von Shoppingcentern ist bewusst geworden, dass sie sich stärker mit „dem System“ auseinandersetzen müssen. Das heisst, Shoppingcenter Management wird zu einer ganzheitlichen Aufgabe mit Verständnis für das komplette Marktsystem. Ein Centerleiter muss heute die Bedürfnisse aller seiner Anspruchsgruppen kennen, sowohl diejenigen seiner Shareholder als auch seiner Stakeholder und entsprechend müssen auch ganzheitliche Lösungen entwickelt und angeboten werden. Also für Kunden, Mieter, Eigentümer und die Öffentlichkeit.

Ihre Studie kommt zum Schluss, dass sich der stationäre Handel und die Shoppingcenter in Anbetracht des steigenden Drucks neu erfinden müssen. Neue Impulse und Ideen sind also gefragt. Viel wird dabei über die Entwicklung der grossen Einkaufscenter hin zu Freizeit- und Erlebniscentern gesprochen. Was steht dabei im Vordergrund?

Hier gibt es eigentlich nur eine Antwort: Der höhere Nutzen und der relevante Mehrwert für den Kunden. Egal ob das Center zehn-, zwanzig- oder vierzigtausend Quadratmeter gross ist. Egal ob auf dem Land oder in der Stadt, es geht immer um den Nutzen und den Mehrwert. Grosse Center haben in der Regel ein grösseres Einzugsgebiet und eine höhere Aufenthaltsdauer. Im Vergleich zu den kleineren Einkaufszentren mit Nahversorgungscharakter entwickeln sich Center ab 40’000 immer mehr auch zu Freizeit- und Erlebniscentern.

Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Dass die Erwartungshaltungen und die Bedürfnisse der Kunden unterschiedlich sind. Wähle ich als Kunde zum Beispiel das Volkiland im Zürcher Oberland als Einkaufsort, so ist meine Erwartungshaltung anders als wenn ich mich dafür entscheide, ins Glatt zu gehen. Diesen unterschiedlichen Bedürfnissen muss am jeweiligen Ort auch Rechnung getragen werden.

Welches sind die weiteren grossen Herausforderungen, die sich der Shoppingcenter-Branche stellen?

Mehr Differenzierung! Die Schweiz verfügt heute zwar über 189 Shoppingcenter, aber was die Positionierung, das Profil und die Marktleistung betrifft, ist es ein grosser Einheitsbrei. Den meisten Centern fehlt ein eigenständiges und klares Profil, die wenigsten Center können von sich behaupten, eine strake und unverkennbare Marke zu sein. Hier gibt es noch grosses Potential.

«Die Schweiz verfügt heute zwar über 189 Shoppingcenter, aber was die Positionierung, das Profil und die Marktleistung betrifft, ist es ein grosser Einheitsbrei.»

Welche Rolle spielt der Mietermix für den Erfolg?

Eine sehr grosse Rolle. Aber eigentlich sollte man eher vom Marktleistungsmix sprechen, denn der Mix in einem Center ist mehrdimensional, bestehend aus Nutzung, Angebot und Mieter.

Welches sind aktuell die angesagtesten Marken und Brands, die die Betreiber unter ihrem Dach haben möchten?

Das ist eine oft und gerne gestellte, aber etwas überbewertete Frage. Der Erfolg eines Centers hängt nie von einer einzelnen Marke ab. Es ist immer das Gesamtangebot, das Gesamterlebnis. Je nach dem, welche Positionierung das Center anstrebt, gibt es Marken, welche über ihren Imagetransfer die Positionierung des Centers stärken oder eben nicht. Es gibt also nicht DIE Marke, sondern vielmehr, die PASSENDE Marke zum Image des Centers. Niemand würde im Telli Center in Aarau einen Apple Store, Forever21 oder TopShop erwarten, während dem ein Shoppi Tivoli in Spreitenbach oder das Glattzentrum sehr wohl mit diesen Marken assoziiert wird.

Kommen wir nochmals auf den Online-Handel zurück. Welche internetbasierten Angebote und Servicedienstleistungen sollten für die Betreiber von Shoppingcenter im Vordergrund stehen? Wie können Sie on- und offline am besten verbinden?

Die Multichannel-Frage ist eine der schwierigsten im Moment überhaupt. Sie lässt sich nicht in einem Satz beantworten und auch hier gibt es nicht „Die“ Antwort. Jedes Center braucht eine ganz persönliche „Multichannel-Strategie“. Fact ist: Möchte ich mit meiner Zielgruppe kommunizieren, so muss dies auf allen Kanälen geschehen. Die Herausforderung darin liegt einerseits an der „Botschaft“ welche ich verbreiten möchte und wie ich diese Botschaft auf den unterschiedlichen Kanälen transportieren möchte. Twitter-Meldung, Facebook-Eintrag oder Inserat oder Radio-Spot sind individuell zu gestaltende Medien.

Zu den grössten Detailhandelsflächen überhaupt gehören die Bahnhöfe Basel, Bern, Genf, Luzern und Zürich und der Flughafen Zürich. Wie behaupten sich diese im Kampf um die Kunden?

Bahnhöfe und Flughäfen verfügen weltweit über die höchsten Besucherfrequenzen und profitieren zudem meist von „liberalen“ Öffnungszeiten. Zwei matchentscheidende Kriterien, welche einen Teil des Erfolges dieser Orte erklären. Aber natürlich gilt auch hier die Ausrichtung der Marktleistung auf die Bedürfnisse, Wünsche aber auch Möglichkeiten der Zielgruppen. Eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, da je nach Zeit und Zone bei Flughäfen und Bahnhöfen nicht nur die Kunden und Zeitbudgets unterschiedlich sind, sondern auch die Bedürfnisse welche es abzudecken gilt.

Herr Stoffel, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Marcel Stoffel ist Gründungsmitglied des SCSC Swiss Council of Shopping Centers und leitet seit Januar 2011 die Geschäftsstelle des SCSC.

Mit seiner im Januar 2011 gegründeten Einzelfirma stoffelzurich berät er Unternehmen aus der Retail- und Shoppingcenter-Industrie mit Schwerpunkt Strategieentwicklung und Konzeption von Marketing, Vermarktung und Vermietung.

Er ist zudem Inhaber der 2011 von ihm gegründeten Retail Forum Switzerland GmbH und organisiert den gleichnamigen Jahreskongress für die Schweizer Retail- und Shoppingcenter-Branche.

Ebenfalls ist er Gründer und Inhaber der mallbranding gmbh, einem Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Revitalisierung von Shoppingcentern und Retail-Immobilien spezialisiert hat und ab 2016 die REDCON, Refurbishment Conference, organisiert. (www.redcon-switzerland.ch)

Von 2000 bis 2010 war Marcel Stoffel Geschäftsführer des Einkaufszentrums Glatt bei Zürich, das mit rund CHF 675 Mio. umsatzstärkste Shoppingcenter der Schweiz.

Davor besetzte er von 1990 bis 2000 verschiedene Führungspositionen bei der Swatch Group in Biel, zuletzt als Geschäftsführer und Direktor von Swatch in der Schweiz.

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