Marianne Wüthrich Gross, Co-Geschäftsleiterin HUG AG, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Frau Wüthrich, die HUG AG hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 126 Mio. Franken erwirtschaftet – 2,3 Prozent mehr als 2022, aber Ihren Angaben zufolge weniger als erwartet. Was waren die Gründe?
Marianne Wüthrich: Wir waren von verschiedenster Seite mit Preiserhöhungen und Kostensteigerungen konfrontiert und mussten entsprechend die Preise erhöhen. Das Wachstum ist vor allem darauf zurückzuführen, während wir bei den Mengen kleine Einbussen hinnehmen mussten. Vor allem im Biscuitsmarkt waren wir mit einem mengenmässig stagnierenden Markt konfrontiert.
Welche Entwicklung erwarten Sie im laufenden Geschäftsjahr?
Wir gehen nicht vom gleichstark wachsenden Preisdruck aus, werden aber auch im laufenden Jahr mit Kostensteigerungen konfrontiert sein, zum Beispiel bei der Beschaffung von Rohstoffen wie Zucker und Schokolade. Sagen wir es so – wo Schokolade drin oder dran ist, werden wir nochmals einen Preisschub verspüren. Es gibt aber auch Warengruppen, wo wir eine Entspannung konstatieren können, zum Beispiel bei pflanzlichen Fetten und Ölen. Wie schon 2023 werden auch die Stromkosten über dem Niveau 2022 zu liegen kommen, wenn auch nicht im gleichen Ausmass.
Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass es dort, wo es zuletzt gut gelaufen ist, der Aufwärtstrend weiter anhält. Gerade bei DAR-VIDA und im Food Service konnten wir 2023 erfreulich zulegen.
«Wir gehen davon aus, dass dort, wo es zuletzt gut gelaufen ist, der Aufwärtstrend weiter anhält. Gerade bei DAR-VIDA und im Food Service konnten wir 2023 erfreulich zulegen.»
Marianne Wüthrich Gross, Co-Geschäftsleiterin HUG AG
Food Service ist nicht der bekannteste Bereich der HUG AG. Hier beliefern Sie die Gastronomie in 25 Ländern weltweit mit Ihren Tartelettes und Tiefkühlprodukten. Was macht den Erfolg aus?
Wir haben hier eine Nische gefunden, die für uns international gross genug ist und in der sich gleichzeitig nicht unzählige Anbieter tummeln. Wir versuchen es noch besser zu machen als die Konkurrenz, ein bisschen exakter, noch etwas feinwandiger – ohne dass die Tartelettes brechen, wenn sie gefüllt sind. Sie müssen sich ein Bankett in den USA mit 1500 Personen vorstellen: Diese Speisen werden zubereitet und die Tartelettes müssen auch noch knusprig sein, wenn sie serviert werden. In diesem Bereich sind unsere Produkte einfach top.
Ein Stück weit spielt uns auch der Fachkräftemangel in die Karten, da die Gastronomiebetriebe nicht mehr backen, sondern unsere Tartelettes nur noch befüllen müssen. Wir sind hier sicher noch nicht am Ende der Fahnenstange, weil wir in vielen Ländern noch nicht vertreten sind. Und wir sehen auch Branchen und Anwendungen, die wir noch erschliessen können.
Welches sind die wichtigsten Exportmärkte?
Der für uns wichtigste Markt sind die USA. Wir sind aber auch in Europa, im Mittleren Osten und im Fernen Osten vertreten.
Reichen die Produktionsanlagen aus?
Wir produzieren die Tartelettes mit zwei Produktionsanlagen, wobei die kleinere in die Jahre gekommen ist und nun durch eine doppelt so grosse Produktionsanlage ersetzt wird. Dies geschieht in Etappen und wird im Sommer 2024 abgeschlossen sein. Dafür investieren wir 11 Mio Franken.
Food Service steuert 40 Prozent zum Umsatz bei. Werden sich die Anteile in den kommenden Jahren weiter in diese Richtung verschieben?
Ich denke schon. Da wir uns in diesem Bereich schneller entwickeln als im Detailhandel, könnte dies in der laufenden oder in der nächsten Strategieperiode bis zu je 50 Prozent gehen. Wir sind aber froh, sind wir so breit aufgestellt. Gerade während der Pandemie ist der Retailbereich stark gewachsen, während die Gastronomie gelitten hat.
«DAR-VIDA ist ein Heavy-User-Produkt. Wir haben viele treue Kunden, die DAR-VIDA in grossen Mengen konsumieren.»
Seit den ersten Backversuchen vor 85 Jahren hat sich DAR-VIDA zu einem Stück Schweizer Allgemeingut entwickelt. Mittlerweile sind 21 Sorten erhältlich. Wie kommt es zu den unterschiedlichen Kreationen?
DAR-VIDA ist ein Heavy-User-Produkt. Wir haben viele treue Kunden, die DAR-VIDA in grossen Mengen konsumieren. Wir gewinnen schon lange immer neue Konsumenten hinzu und entsprechend hat sich auch die Breite des Angebots entwickelt, mal süss, mal salzig, mal in Richtung Snack. Verschiedene Kreationen sind wieder verschwunden, andere haben sich etabliert. Mit einem guten Marketing konnte die Wahrnehmung dahingehend gesteuert werden, dass es für jede Gelegenheit das passende DAR-VIDA gibt.
Im vergangenen Jahr legten die DAR VIDA-Verkäufe um 10 Prozent zu. Wie schwer ist es, bei all den «Kopien» wie zum Beispiel Blévita von der Migros Marktanteile zu halten oder gar zu steigern?
Bei Blévita ist die Situation insofern eine andere, als es sich um eine Eigenproduktion der Migros Industrie handelt, die einen einfachen Zugang zum grossen Filialnetz der Migros hat. Aber die machen einen guten Job, wir müssen ihn einfach besser machen (lacht). Letztlich belebt Konkurrenz das Geschäft.
Die Produkte sind auch nicht 100prozentig zu vergleichen. Wir sind mit den DAR-VIDA nahe am gesamten geschroteten Korn, während es sich bei Blévita eher um ein Vollkorn-Biscuit handelt. Es sind Nuancen, die unterscheiden. Aber wir haben das Original und schmunzeln immer, wenn wir hören, man habe DAR-VIDA in der Migros gekauft…
Künftig sollen 80 Prozent der Cracker mit nachhaltigem Weizenschrot produziert werden. Wie wird das bewerkstelligt?
Wir streben nicht 80 % bei all unseren Mehlsorten an, möchten aber mittelfristig 80 % des gesamten Weizenschrots für DAR-VIDA nachhaltig anbauen lassen. Dabei wird beim Anbau des Weizens, wo möglich und sinnvoll, auf Pflanzenschutzmittel verzichtet und gleichzeitig mit der «Weite Reihe-Methode» die Bio-Diversität gefördert. Das Projekt ist ein pragmatischer Ansatz, der im Anbau viel bewirkt. Entstanden ist das Projekt aus unserer Nachhaltigkeitsstrategie, die wir auf das höchste Level unserer Strategieplattform gehoben haben.
Hat dies einen Einfluss auf die Preissetzung?
Das Produkt wir deswegen nicht teurer, aber wir vergüten den Bauern etwas für den Minderertrag.
«Wir haben es bei den Biscuits mit einem gesättigten Markt zu tun. Ausserdem haben wir einen hohen Importdruck in der Schweiz.»
Kommen wir noch zu den Biscuits. «Wernli» kennt zwar jedes Kind in der Schweiz und man hat die Biscuits auch «gernli», aber der Absatz hat im vergangenen Jahr stagniert. Woran hats gelegen?
Erstens haben wir es hier mit einem gesättigten Markt zu tun. Zweitens haben wir einen hohen Importdruck in der Schweiz, der mit der Währungssituation zugenommen hat und aktuell weiter zunimmt. Angesichts der Inflation und des omnipräsenten Kostenthemas hat der Handel mit Promotionen und Aktionen stark seine Eigenmarken forciert. Entsprechend gingen unsere Produktionsmengen zurück.
HUG ist vom Swiss Arbeitgeber Award mit dem Qualitätssiegel «Top-Arbeitgeber» ausgezeichnet worden. Das fortschrittliche Co-Leitungsmodell mit Ihnen trägt sicher dazu bei. Was aber zeichnet das Unternehmen darüber hinaus als attraktive Arbeitgeberin aus?
Ich denke, das Wichtigste ist die familiäre Kultur, die wir haben. Wir spielen auch im Leitbild mit unserem Namen «herzlich, unternehmerisch, gewissenhaft». Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Wir umarmen uns am Morgen nicht, aber wir zeigen uns offen und unvoreingenommen, wollen einen Vertrauensvorsprung vermitteln und gemeinsam etwas Positives erreichen. Ich denke, diese Stimmung hilft, dass sich alle Mitarbeitenden einbringen und auch ansprechen, wenn etwas für sie nicht stimmt.