Markus Flühmann.
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Flühmann, während 2008 noch fast 5 Millionen Reisekataloge verschickt wurden, waren es 2012 noch rund 2.5 Millionen. Wie viele werden es in diesem Jahr sein und wann wird der letzte Katalog gedruckt werden?
Markus Flühmann: Es werden noch ziemlich genau gleich viele sein, da die Strukturanpassungen in der Reisebranche mehr oder weniger abgeschlossen sind. Ich glaube, dass noch sehr lange Kataloge gedruckt werden. Meiner Ansicht nach sollten die Reisekataloge von den Veranstaltern verkauft werden, da hinter den angebotenen Produkten sehr viele Vorarbeit steckt. Viele Leute benutzen heute die Kataloge, um aufgrund der Angebote die Reise selbst übers Internet zu buchen.
«Neueste Berichte aus den Reisebüros zeigen, dass auch junge Leute wieder zurück kommen, da sie im Internet nicht auf Visa-Bestimmungen etc. hingewiesen wurden und so schlechte Erfahrungen gemacht haben.» Markus Flühmann
Der Erfolg Ihres Unternehmens, das einen Jahresumsatz von etwa 15 Millionen Franken macht, ist eng mit der Reiseindustrie und deren Vertrieb über Kataloge verbunden. Wo sehen Sie die künftig attraktivsten Geschäftsfelder?
Bis 2001 waren wir sehr eng mit der Reiseindustrie verbunden. Nach 9/11 haben wir realisiert, dass auch diese Branche nicht vor Veränderungen geschützt ist. Deshalb haben wir uns damals entschlossen in andere Branchen zu diversifizieren. Heute macht die Reiseindustrie noch einen Umsatzanteil von ca. 40% aus.
Die Digitalisierung hat auch die Reiseindustrie erfasst. Mit ein wenig Aufwand bekomme ich von Anbietern und unabhängigen Reiseportalen alle Informationen und den jeweils besten Preis. Wie wird das die Reiseindustrie und somit Ihr Geschäftsmodell verändern?
Diese Veränderung hat schon vor einiger Zeit begonnen. Die Reiseindustrie hat reagiert und bietet auf den eigenen Plattformen die Informationen an. Es gilt aber zu bedenken, dass für viele Kunden nicht nur der beste Preis ausschlaggebend ist, sondern auch eine gute Beratung geschätzt wird. Neueste Berichte aus den Reisebüros zeigen, dass auch junge Leute wieder zurück kommen, da sie im Internet nicht auf Visa-Bestimmungen etc. hingewiesen wurden und so schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Sie haben in einem Interview in der SonntagsZeitung Anfang des Jahres die Vision eines digitalisierten, personifizierten Kataloges dargelegt. Wieso soll zum Schluss noch ein, wenn auch sehr individueller, Papierkatalog gedruckt und verschickt werden, wenn alle Daten digital vorhanden sind und genau so gut ohne Verzögerung und Unterbruch ein e-Katalog erstellt werden kann mit aktiven Links, Videos etc.
Gegenfrage: Lesen Sie noch eine Zeitung in Papierform oder nur noch auf dem iPad? Es gibt einfach Personen, welche nicht immer im Internet alles nachschlagen möchten.
Für Ihre Kunden wickeln Sie auch die gesamt Lagerlogistik und das Ordermanagement ab. Welche Lagerkapazitäten haben Sie aktuell zu Verfügung und wie sieht die künftige Planung aus?
Wir haben 2010 das zweite Logistikcenter mit einer Fläche von 8‘800 m2 in Betrieb genommen. Somit verfügen wir heute über eine gesamte Lager- und Produktionsfläche von 22‘000 m2. Die Auslastung beträgt im Moment rund 80 – 85 %. Unser Ziel ist mit guten Kunden langsam zu wachsen.
«Meiner Ansicht nach sollten die Reisekataloge von den Veranstaltern verkauft werden, da hinter den angebotenen Produkten sehr viele Vorarbeit steckt.»
Um Ihr Unternehmen, das Sie vor 30 Jahren gegründet haben, in eine sichere Zukunft zu führen haben Sie Ihre Tochter Simone Ruckli-Flühmann bei sich in eine dreijährige “CEO-Lehre” genommen. Im Jahre 2018 soll Ihre Tochter dann die Leitung der Firma übernehmen. Wie ist diese Idee entstanden und welche Erkenntnis hat Ihnen die Lehrzeit gebracht?
Als ich ein konkretes Kaufangebot für meine Firma erhielt, habe ich mich entschieden, zuerst mit Simone zu sprechen, da sie bereits bei einer Tochterfirma im Hause arbeitete. Da sie von der Markus Flühmann AG nicht so viel wusste, entstand die Idee der CEO-Lehre, resp. der dreijährigen Probezeit. Sie hatte genügend Zeit sich in die Materie einzuarbeiten und anschliessend den zum Glück positiven Entscheid zu fällen. Die Idee dahinter war auch, dass bei einem negativen Entscheid, ich noch genügend Zeit gehabt hätte, meine Firma ohne Druck verkaufen zu können.
Oft ist das Verhältnis des Nachfolgers zum Vorgänger nicht unproblematisch. Bei Ihnen kommt noch die spezielle Bindung der Tochter zum Vater dazu und die Tatsache, dass die Nachfolgerin schon jetzt im Betrieb arbeitet. Welche besonderen Chancen und Risiken ergeben sich durch diese Konstellation?
Wir haben eine optimale Lösung gefunden. Privat bin ich Papi, im Geschäft Markus. Privat wird nicht über das Geschäft gesprochen. Zudem kommt, dass eine 27 Jahre jüngere Person ganz andere Ideen einbringt, welche wir selbstverständlich bestmöglichst umsetzen. Ich denke da an die ganze Social Media-Euphorie.
«Wenn jemand auf eigenes Risiko eine Firma aufgebaut hat und führt, kann er verdienen was er will. Angestellte CEOs sollten aus meiner Sicht irgendwo eine Obergrenze haben.»
Wie beurteilen Sie die immer noch aktuelle Diskussion um Managerlöhne, Boni und Entschädigungen. Neiddebatte oder gefährliche Entwicklung eines wankenden Wirtschaftssystems?
Wenn jemand auf eigenes Risiko eine Firma aufgebaut hat und führt, kann er verdienen was er will. Angestellte CEOs sollten aus meiner Sicht irgendwo eine Obergrenze haben. Die ganzen Diskussionen haben zu ungesunden Entwicklungen geführt wie die 1/12 Abstimmung, welche ich absolut daneben finde.
Wenn Sie auf die 30-jährige Geschichte Ihres Unternehmens zurückblicken, was waren die wichtigsten Entscheidungen, die Sie gefällt haben und welches sind die bedeutendsten Entwicklungen der kommenden Jahre?
Da täglich Entscheidungen gefällt werden müssen, kann ich mich nicht an alle wichtigen erinnern. Selbst in Etappen die Logistikcenter zu erstellen, eine eigene Software zu entwickeln, in verschiedene Branchen zu diversifizieren und meine Tochter betreffend der Nachfolge anzufragen, gehören sicher zu den wichtigeren Entscheidungen. Über die Zukunft kann und will ich nichts sagen, da so viele Faktoren nicht planbar sind.
Ihr Unternehmen ist von der Grösse ein idealer Übernahmekandidat für einen der grossen Logistiker. Gab es bisher keine attraktiven Angebote oder wollten Sie nie verkaufen?
Unsere Dienstleistungspalette würde sehr gut zu einem grossen Logistiker passen. Ich habe auch schon Anfragen erhalten, welche ich aber bis jetzt immer abgelehnt habe, da die Nachfolge ja familiär geregelt wird.
Wenn Sie zwischen jeweils zwei Stichworten wählen müssen, welches ist Ihre Wahl?
– Lagerhalle oder Internet: Lagerhalle
– Geld oder Geist: Geist
– Aufbau oder Übergabe: Aufbau
– Chef oder Vater: Vater
– Balkon oder Strand: Balkon
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünschen frei, wie sehen diese aus?
In den nächsten Tagen das erste, gesunde Enkelkind zu erhalten. Noch lange mit Freude jeden Morgen an die Arbeit gehen zu können.
Der Gesprächspartner:
Markus Flühmann, CEO, Gründer und Inhaber
Der 56-Jährige absolvierte seine KV-Lehre bei Kuoni. Danach hatte er diverse Jobs in der Reiseindustrie inne, parallel dazu liess er sich zum eidg. dipl. Verkaufsleiter weiterbilden. 1983 wagte er den Schritt in die Selbständigkeit, zuerst als Verlagsvertreter der damaligen Touristik Revue (heute htr hotel revue), bevor er 1989 die Markus Flühmann AG aufbaute. Mit seiner Idee des effizienten und zentralisierten Katalogversands hat Markus Flühmann Anfang der 90er Jahre Entwicklungshilfe für die Reisebranche geleistet. Bis dahin tuckerten Lastwagen jedes Reiseveranstalters separat durchs Land. Flühmann überzeugte zunächst Kuoni und danach die übrigen Mitbewerber von seinem Logistikkonzept. Mitte der 90-er Jahre begann er zu diversifizieren – heute macht der Reisekatalogversand noch rund 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Das Unternehmen:
Die 1983 gegründete Logistikfirma beschäftigt am Sitz im aargauischen Merenschwand knapp 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die zwei modernen Logistikcenter der Firma verfügen über insgesamt 22’000 Quadratmeter Verarbeitungs- und Lagerfläche sowie 5700 Palettenplätze in Schieberegalen. Das Dienstleistungsangebot umfasst sämtliche Bereiche der Logistik und richtet sich an Firmen aus diversen Branchen: Ob Reisekatalog namhafter Veranstalter, Finanzbroschüre einer Schweizer Grossbank oder Merchandise-Artikel: Merenschwand hat sich zum Knotenpunkt in Sachen Logistik entwickelt.