Markus Gröninger, CEO B-Source
Markus Gröninger, CEO B-Source.
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Gröninger, am 31. August 2011 hat Avaloq die Mehrheit an B-Source erworben. Was sind für das Unternehmen und Ihre Arbeit die grössten Veränderungen seit der Übernahme?
Markus Gröninger: Die Integration von B-Source in die Avaloq Gruppe war für beide Unternehmen ein strategischer Schritt, der durch seine Industrielogik besticht. Dies bedeutet sowohl für Avaloq als auch für B-Source eine breitere Marktausrichtung. Ich möchte betonen, dass B-Source als eigenständige rechtliche Einheit weiterhin selbständig operieren wird, jedoch in enger Abstimmung und durch Nutzung des Synergiepotenzials innerhalb der Avaloq Gruppe. Wir profitieren auch durch die langjährige Leaderposition und spezifische Ausrichtung von Avaloq. Dies macht B-Source zu einem unabhängigen Provider mit einer marktorientierten Eigentümerstruktur und gewährt uns ein nachhaltiges Wachstum.
«B-Source ist heute der einzige unabhängige BPO-Provider im Schweizer Bankenmarkt. Alle anderen Anbieter sind Abteilungen oder Tochterfirmen von Banken. Kein Institut lagert aber gerne seine Kundendaten an die Tochter einer Mitbewerberin aus.» Markus Gröninger, CEO B-Source
Was meinen Sie mit „Industrielogik“?
Das heutige wirtschaftliche und politische Umfeld drückt auf die Margen der Banken und zwingt sie zum Handeln. Sie müssen zugleich Kosten sparen und ihre Effizienz verbessern. Dies ist nur mit einer Industrialisierung ihrer Prozesse zu erreichen. Nun gibt es verschiedene Grade der Industrialisierung vom Einsatz von Standardsoftware über die Auslagerung des Applikationsbetriebs (ASP) bis zum Business Process Outsourcing (BPO) als höchste Form. Bisher beschränkte sich das Angebot der Avaloq Gruppe auf die reine Softwareplattform. Mit B-Source kann Avaloq seine Software auch im ASP- und BPO-Modell anbieten. Schliesslich eröffnet der Zusammenschluss beider Unternehmen neue Kundenmärkte.
Statt einer Bank ist jetzt ein Software-Unternehmen Besitzerin von B-Source. Wie reagieren die Bankenspezialisten, welche B-Source zu einem einzigartigen Unternehmen im Outsourcing-Bereich machen, auf diese kulturelle Veränderung?
B-Source beschäftigt heute rund 600 Mitarbeiter, davon sind etwa die Hälfte Banking-Spezialisten. Für sie ändert sich mit dem Besitzerwechsel nicht viel. Da sich B-Source als Teil der Avaloq Gruppe neue Märkte eröffnen, bieten sich unseren Spezialisten im Gegenteil interessante Möglichkeiten zur Weiterentwicklung ihres Profils. Sie profitieren letztlich also von den neuen Besitzverhältnissen. Dass ein Software-Unternehmen der Mehrheitseigner von B-Source ist, ergibt aber auch ganz allgemein Sinn: B-Source ist heute der einzige unabhängige BPO-Provider im Schweizer Bankenmarkt. Alle anderen Anbieter sind Abteilungen oder Tochterfirmen von Banken. Kein Institut lagert aber gerne seine Kundendaten an die Tochter einer Mitbewerberin aus.
Anfangs August 2011 ging auch Ihr grösster Kunde, die BSI-Gruppe mit dem B-Source Master auf Basis des Avaloq Bankensystems in Produktion. Diese Migration galt als definitiver Lackmustest für den B-Source Master. Wie haben Sie den Test bestanden?
Diesen Test haben B-Source und der B-Source Master mit Bravour bestanden. BSI ist eine der grössten Privatbanken und auch sonst eine der grössten Banken der Schweiz. Mit BSI haben wir bewiesen, dass der B-Source Master auch für Banken dieser Grössenordnung mit internationaler Ausrichtung eine valable Lösung darstellt. Und wir haben gezeigt, dass das Projektteam von B-Source im Stande ist, auch sehr komplexe Migrationen durchzuführen: Die BSI mit allen Niederlassungen in Luxemburg, Monaco, Hongkong, Singapur und Nassau schalteten wir an einem Wochenende live.
«Avaloq investiert derzeit viel in die Entwicklung modernster Lösungen im Frontbereich. Diese wollen wir auch nutzen.»
Bei Ihrem Interview auf Moneycab im Mai 2011 haben Sie ein riesiges Marktpotential konstatiert. Wie weit konnten Sie sich dieses Potential schon erschliessen, wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Das Marktpotenzial ist in der Tat enorm. In der Schweiz gibt es über 300 Banken. Einige dieser Banken haben veraltete Plattformen in Betrieb und sind deshalb gezwungen, mittelfristig auf eine neue Lösung zu migrieren. Aber auch wer über eine passende Plattform verfügt, muss sich fragen: Macht es Sinn, die Software selbst weiterzuentwickeln, das Applikationsmanagement zu übernehmen oder das Backoffice intern zu betreiben – und das bei einer ständig wachsenden Komplexität der angebotenen Produkte? Die Auslagerung des Backoffice in einem BPO dürfte für viele dieser Banken die optimale Lösung sein. Es bleibt in der Schweiz also noch viel zu tun, zumal die Marktdurchdringung noch sehr bescheiden ausfällt. Die Nachfrage ist jedoch riesig, die Banken stehen unter Druck. Unser Potenzial wird daher kaum durch die Nachfrage beschränkt, sondern viel eher durch die Angebote und Kapazitäten, um die Implementationen in guter Qualität umzusetzen.
Avaloq entwickelt das Kernbankensystem weiter in Richtung einer Front-End-Komponente. Was bedeutet das für den B-Source-Master, werden Sie diese Komponenten ebenfalls übernehmen oder Ihr Outsourcing-Angebot ohne diese Front-End-Services anbieten?
Beim Front-End geschehen heute wichtige Neuerungen. Früher erfolgte der Kontakt zwischen dem Privatbankenkunden und seinem Kundenberater hauptsächlich über das Telefon, vielleicht ein- oder zweimal jährlich traf man sich zum persönlichen Gespräch. Heute muss die Bank täglich Kontakt über zahlreiche Kanäle halten. Dieser Wandel hat mit dem Internetbanking begonnen und setzt sich inzwischen in den mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets fort. Avaloq investiert derzeit viel in die Entwicklung modernster Lösungen im Frontbereich. Diese wollen wir auch nutzen. Dank der Leaderposition von Avaloq werden wir unseren Kunden modernste Frontlösungen anbieten können, damit sie auch in Zukunft erfolgreich im Markt operieren.
Der steigende Margendruck und die zunehmenden Regulatorien im Finanzsektor sprechen für Outsourcing-Lösungen wie derjenigen von B-Source. Auf der anderen Seite bremst die Finanzkrise Investitionsentscheide. Was überwiegt zurzeit?
Den meisten Banken ist durchaus klar, dass sie angesichts der enormen Herausforderungen handeln müssen. Um dem Druck auf die Margen zu entgegnen, müssen besonders kleine und mittlere Privatbanken ihren Fokus auf die Beratung, das Wachstum, die Produkte und das eigene Banking legen. Damit sie dies können und gleichzeitig die Kosten in den Griff kriegen, müssen sie industrialisieren – und Industrialisierung geschieht typischerweise mit jemandem, der dasselbe mit höherem Volumen macht. Die kritische Bilanzsumme, unterhalb derer ein Eigenbetrieb sich nicht rechnet, steigt. Wir operieren mit Volumen von insgesamt über 130 Milliarden Franken an von unseren Kunden verwalteten Vermögen. Eine Bank mit lediglich 2 Milliarden Franken profitiert deshalb in hohem Masse von unserer effizienten Kostenkurve. BPO – und insbesondere Full BPO – hilft den Firmen der Finanzindustrie, ihre Cost-Income-Ratio und die Qualität ihrer Dienstleistungen zu steigern und gleichzeitig das Risiko zu minimieren. Das erleichtert die Konzentration auf die Kernkompetenzen im Kundenbereich massgeblich. Unsere gut gefüllten Auftragsbücher beweisen, dass viele Banken dies verstanden haben.
Man spricht allerdings schon lange von der Industrialisierung des Bankenwesens.
Das stimmt, BPO geistert schon seit Jahren als Schlagwort durch die Branche. Man sprach oft davon, aber der Zwang zum Handeln war nicht wirklich da. Jetzt ist er da! Und zwar als Folge des Zusammentreffens verschiedener wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen der letzten Zeit: tiefer Euro, Bankenkrise, tiefe Zinsen, Verschuldung der Euroländer, neue Steuerabkommen, Abgeltungssteuer, Basel III und so weiter. Die Banken müssen reagieren – und Industrialisierung ist ein zentraler Ansatz, um die Kosten in den Griff zu kriegen.
«Die kritische Bilanzsumme, unterhalb derer ein Eigenbetrieb sich nicht rechnet, steigt. Wir operieren mit Volumen von insgesamt über 130 Milliarden Franken an von unseren Kunden verwalteten Vermögen.»
Man muss aber auch sagen, dass vor fünf Jahren die BPO-Angebote noch nicht ausgereift waren. Es gibt auch heute verschiedene „BPO-Anbieter“ im Markt mit unterschiedlichem Reifegrad. B-Source ist als Pionier vor zehn Jahren in das BPO-Geschäft eingetreten und hat nun einen hohen Reifegrad erreicht. Der B-Source Master ist die einzige Lösung auf dem Markt, die auf einer weit verbreiteten Standardplattform aufbaut und mandantenfähig ist. Ich bin überzeugt, dass BPO nun abheben wird.
Um die Wachstumschancen zu steigern, werden Sie kaum darum herum kommen, die Internationalisierung, die ja auch von Avaloq vehement vorangetrieben wird, zu forcieren. Welche Pläne haben Sie dazu und zeichnen sich schon erste Erfolge ab?
B-Source ist schon heute international tätig. Wir unterstützen und betreuen unsere Kunden heute schon nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Singapur, Hongkong, Monaco, Luxemburg und im arabischen Raum. Erst kürzlich haben wir gleichzeitig mit der Banque Cramer auch deren Tochtergesellschaft auf den Bahamas auf den B-Source Master migriert. Unsere Strategie beschränkt sich bislang allerdings darauf, unseren Kunden ins Ausland zu folgen. Wir wollen nicht ausschliessen, später auf Basis eines starken Fundaments und in enger Abstimmung innerhalb der Avaloq Gruppe selbst international zu expandieren und das starke Schweizer Banking- und Logistik-Know-how ins Ausland zu exportieren. Doch wie gesagt: Noch gibt es in der Schweiz für uns genug zu tun!
In der Schweiz gibt es immer wieder Bemühungen, die Immigrationsvorschriften zu verstärken. Im Tessin sind Sie wirtschaftlich stark mit dem Norditalienischen Raum verbunden. Wie beurteilen Sie die Immigrationspolitik der Schweiz, welche Entwicklung würden Sie sich wünschen?
Der Standort im Tessin bietet verschiedene Vorteile. Zum einen ist Lugano der drittgrösste Bankenplatz der Schweiz mit viel wichtigem Know-how. Darüber hinaus erlaubt uns die Nähe zu Italien, das riesige Potenzial der Lombardei zu erschliessen. Wenn ich einen Umkreis von rund 100 Kilometer um Lugano ziehe, umfasst dies Städte wie Como, Brescia und vor allem den Finanzplatz Mailand mit mehreren Millionen Menschen und hervorragend ausgebildeten Leuten. Die Lombardei hat ein höheres Bruttosozialprodukt pro Kopf als die Schweiz. Als Produktionsfaktor ist das für uns relevant; dieses Know-how wollen und müssen wir erschliessen. Eine restriktivere Immigrationspolitik, die die Anstellung von Grenzgängern erschwert, ist deshalb nicht in unserem Sinne – wie auch sonst nicht im Sinne der Schweizer Wirtschaft im Allgemeinen oder der IT- und Finanzbranchen im Speziellen.
Zum Schluss des Gespräches haben Sie einen Wunsch frei. Wie sieht dieser aus?
Mein Wunsch ist unternehmensspezifisch. From good to excellent ist das interne Firmenmotto der B-Source für 2012. Daran knüpfen wir selbstverständlich auch für alle kundenorientierten Bereiche an. Unser Ziel ist es, in diesem Zusammenhang, von einem sehr guten zu einem nachhaltigen Spitzenunternehmen zu avancieren. Wir sind heute schon ein sehr erfolgreiches Unternehmen, wollen jedoch in allen relevanten Aspekten nachhaltig Spitzenleistung erbringen.
Der Gesprächspartner:
Markus Gröninger (53) CEO B-Source. Davor war er Vice President und Country Leader der Oracle Schweiz. Von 2002 bis 2007 war er bei CSC Switzerland als CEO und Delegierter des Verwaltungsrates tätig, ab 2006 als Head of Market and Business Development für Deutschland, Schweiz, Österreich und Osteuropa.
Markus Gröninger studierte Elektroingenieur an der ETH Zürich und hat ein Nachdiplom in Betriebswissenschaft erworben. Zusätzlich hat er ein Executive-Programm an der INSEAD, Fontainebleau (F) absolviert.
Das Unternehmen:
B-Source ist das führende Schweizer Unternehmen für Business-Process- und IT-Outsourcing für die Finanzindustrie. B-Source liefert alles vom einzelnen Business-Service über IT-Outsourcing bis zur Gesamtbankenlösung: vom singulären Modul bis zum Full-BPO. Kern der Marktleistung bildet der B-Source Master, eine Avaloq-basierte Banken-Applikationslandschaft. Der Kundenkreis umfasst vorwiegend Privatbanken, mittelgrosse Universalbanken, Versicherungen und KMU verwandter Industrien. B-Source agiert weltweit. Hauptmärkte sind die Schweiz und Zentraleuropa. Asien und der nahe Osten sind im Aufbau. B-Source wurde 1995 gegründet und beschäftigt heute rund 600 Mitarbeitende, gut die Hälfte davon Banking- und IT-Spezialisten. Das Unternehmen ist zu 51% im Besitz der Avaloq Gruppe und zu 49% der BSI AG (Mitglied der Generali Gruppe). Hauptsitz ist Lugano, weitere Niederlassungen befinden sich Luzern, Nyon, Winterthur, Zürich und München. B-Source ist mehrfach ISO-zertifiziert und erfüllt die Vorgaben der FINMA und der massgebenden europäischen Bankenaufsichtsbehörden.