Martin Brettenthaler, CEO und VR-Delegierter Pavatex. (Foto: Pavatex)
von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Brettenthaler, der Name Pavatex ist mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch Synonym für Dämmplatte. Wie hoch ist Ihr Marktanteil bei Dämmplatten augenblicklich in der Schweiz?
Martin Brettenthaler: In der Schweiz haben wir einen Marktanteil von über 50 Prozent im Marktsegment Dämmung der Gebäudehülle mit Holzfaserdämmplatten. Wir sind der Marktleader. Holzfaserdämmung selbst stellt innerhalb des Dämmstoffmarkts, der nach wie vor von konventionellen mineralischen oder kunststoffbasierten Produkten dominiert wird, ein Untersegment mit einem Anteil von etwa 10 Prozent dar, das allerdings deutlich wächst.
Und europaweit?
Wir erzielten im letzten Jahr über 70 Prozent unseres Umsatzes im Ausland. Davon über die Hälfte nach Deutschland, den grössten Pavatex-Markt überhaupt. Dort halten wir einen Marktanteil von über 30 Prozent. Weitere wichtige Märkte sind für uns in Europa Frankreich und Italien, wo wir auch immer rund einen Drittel des Marktes bedienen. Weitere Märkte sind die Benelux-Länder, Grossbritannien, Skandinavien, Osteuropa und Japan.
Wie gross ist eigentlich der Umsatzsplit Neubau zu Renovation?
Dies ist unterschiedlich von Land zu Land. Zudem sind unsere Produkte meist für beides – Neubau und Sanierung – einsetzbar. Wir schätzen, dass in Deutschland circa 75 Prozent unserer Produkte im Bestandsbau zum Einsatz kommen. In der Schweiz ist der Neubau wohl wichtiger, gerade auch weil der mehrgeschossige Holzbau hier massiv zulegen konnte. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Neubau Kalkbreite mitten in Zürich, welcher mit unserer Putzträgerdämmplatte Diffutherm isoliert wird. In Frankreich gibt es – obwohl der Bedarf gross wäre – noch praktisch keinen Renovationsmarkt, dort gehen unsere Produkte vor allem in den Neubau.
«Es wird oft vergessen, dass Dämmstoffe eine Vielzahl von Eigenschaften aufweisen müssen, um im Markt erfolgreich zu sein – nur ein guter Dämmwert alleine reicht nicht.»
Martin, Brettenthaler, CEO und VR-Delegierter Pavatex
Über die Vorteile von recyclierbaren Dämmstoffen müssen wir nicht lange diskutieren, aber gibt es eine Entwicklung – vielleicht im Hightech- oder Highchem-Bereich, die den Markt total auf den Kopf stellen könnte?
Hier ist meiner Meinung nach derzeit nichts spruchreif. Es wird oft vergessen, dass Dämmstoffe eine Vielzahl von Eigenschaften aufweisen müssen, um im Markt erfolgreich zu sein – nur ein guter Dämmwert alleine reicht nicht: Die Produkte müssen gut verarbeitbar, wenig schadenanfällig, dauerhaft und langlebig sowie bauphysikalisch gutmütig sein. Dämmstoffe müssen nicht nur gegen Wärmeverluste, sondern auch gegen sommerliche Hitze und gegen Lärm dämmen. Ausserdem sollten moderne Produkte eine diffusionsoffene Bauweise ermöglichen. Und zu guter Letzt müssen diese Dämmstoffe auch hochrationell und geographisch nahe am Bedarf in grossen Mengen hergestellt werden können. Sie sehen, es geht nicht darum, nur in einer Kategorie der Beste zu sein, sondern mit ökonomisch vertretbarem Aufwand Produkte herzustellen, die möglichst viele der genannten Kriterien positiv abdecken.
Technisch gelten Holzfaserplatten sicher nicht als sexy…
Holzfaserplatten sind eigentlich Wunder der Natur und somit sehr attraktiv. Oder kennen Sie einen anderen Dämmstoff mit einer solchen Fülle an Eigenschaften wie die Holzfaserdämmplatte, die zudem noch als CO2-Senke wirkt und zum Schluss des langen Lebenszyklus energetisch verwendet werden kann?
Gibt es auch bei Ihnen eine technologisch interessante Neuheit?
Anfang April haben wir in unserem neuen Werk in Frankreich eine erste Platte produziert: Dort kommt ein sehr innovatives Produktionsverfahren zum Einsatz, das Energie spart und die rationelle Produktion sehr dicker Dämmplatten ermöglicht.
Arbeiten Sie eigentlich für Entwicklungsfragen mit den in der Schweiz ja reichlich vorhandenen Kompetenzzentren für Materialwissenschaften zusammen oder mit jemandem an der Uni Fribourg?
Wir engagieren uns zum einen in Wissensnetzwerken wie S-Win oder in Forschungsprojekten der LIGNUM zum Thema Schall- oder Brandschutz. Zum anderen sind wir aber auch selber sehr aktiv und machen immer wieder KTI-Projekte mit der ETH Zürich oder der Fachhochschule Biel. Wir haben sogar an einem Forschungsprojekt mit der Universität Tokyo mitgewirkt.
Wie viel Beziehungspflege wenden Sie als CEO auf – Ich nehme an, Sie haben viele, viele Kleinkunden und nur wenige Grossabnehmer?
Ich verbringe viel Zeit bei unseren Kunden und begleite unsere Aussendienstler immer wieder auf Marktreisen – dies in allen Ländern, wo wir aktiv sind. Und da treffe ich natürlich zum einen kleine Zimmereibetriebe zum anderen aber auch grosse, börsenkotierte Handelsketten wie die Baywa in Deutschland. Entsprechend abwechslungs- und lehrreich sind diese Begegnungen. Vor allem begeistern mich aber immer der Elan, die Motivation und die technischen Kenntnisse unseres hochqualifizierten und spezialisierten technischen Aussendienstes.
«Wir plädieren ganz klar für eine Kaskadennutzung der Ressource Holz: Zuerst soll Holz stofflich genutzt werden und erst am Ende des Lebenszyklus energetisch verwertet werden.»
Ihr Rohstoff für die Produktion sind Sägereiabfälle. Spielt da der Einkaufspreis überhaupt noch eine Rolle oder werden die Preise da langfristig stark steigen, weil ja immer mehr Hausbesitzer Holzschnitzelheizungen haben?
Sie werfen ein wichtiges Thema auf. Zur Herstellung unserer Holzfaserdämmplatten brauchen wir lokales, frisches Sägereirestholz. Leider wird dieses frische Holz auch für Holzschnitzelheizungen oder die Pellet-Herstellung verwendet. Dies ist nicht im Sinne der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes. Wir plädieren ganz klar für eine Kaskadennutzung der Ressource Holz: Zuerst soll Holz stofflich genutzt werden und erst am Ende des Lebenszyklus energetisch verwertet werden. Ausserdem sollten die Industrieholzmärkte nicht durch Subventionen für die energetische Verwertung verzerrt werden. Holz ist neben Kies und Wasser der einzige Rohstoff der Schweiz – wir sollten diesen zu hochwertigen Produkten verarbeiten und nicht ab Wald sofort verbrennen!
Dämmplatten wirken ja nicht nur gegen Wind, Wetter und Feuchtigkeit, sondern auch gegen Lärm. Physikalisch matchentscheidend bleibt das Gewicht. Je schwerer eine Trennwand, desto besser bleibt der Schall draussen. Haben hier nicht Betonsysteme Vorteile?
Mit ihrem hohen Flächengewicht und ihrer porösen Struktur sind Pavatex-Holzfaserdämmstoffe die Lärmschlucker schlechthin unter den Dämmstoffen, denn mit steigender Masse steigt die Schalldämmung. Dies gilt für Wände ebenso wie für Dächer, bei denen Dämmstoffe als Zwischen- oder Aufsparrendämmung zum Einsatz kommen. Dabei wirkt sich die poröse Faserstruktur zusätzlich positiv auf die schalldämmende Wirkung aus. Beton bringt zwar viel Masse mit, aber keine poröse Struktur.
«Es ist gut möglich, dass wir die Pavatex eines Tages an die Börse bringen.»
An welchen Compositmaterialien arbeitet Pavatex?
Wir forschen an Mischungen mit anderen natürlichen Materialien. Mehr möchte ich hierzu im Moment nicht verraten.
Holzfaserdämmplatten bieten aufgrund Ihrer Dichte auch einen gewissen Feuerschutz. Könnte man diesen durch chemische Imprägnierung nicht noch weiter verbessern oder ist diese Produktverbesserung aus Umweltgründen ein absolutes No Go?
Konstruktionen mit Holzfaserdämmplatten ohne Brandschutzmittel erreichen erstaunliche Brandwiderstände – dies deshalb, weil unter Brand gesetztes Holz eine Kohleschicht bildet, die die Ausbreitung des Feuers stark hemmt. Wir betreiben zurzeit aber Grundlagenforschung zum Thema der weiter reduzierten Brennbarkeit und lassen gerade erste Musterplatten herstellen. Hierzu muss man natürlich Additive beigeben. Wir wollen aber diesen Anteil gleichzeitig möglichst tief und möglichst umweltfreundlich halten.
Sie sind nicht kotiert. Keine Lust auf die Börse?
Es ist gut möglich, dass wir die Pavatex eines Tages an die Börse bringen. Solche Pläne bestehen aber aktuell nicht – wir verfügen über ein langfristig engagiertes und investiertes Aktionariat: Neben mir selbst bilden eine Zürcher Familie sowie ein belgischer Cleantech Private Equity Fund die Hauptaktionäre. Das erscheint mir für ein Unternehmen mit grossen Wachstumsambitionen die beste Eigentümermischung zu sein.
Zur Person:
Martin Brettenthaler (1970) arbeitete nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen (HSG) und am Institut d’Etudes Politiques (Sciences Po) in Paris mehrere Jahre in München und Paris für die Boston Consulting Group (BCG). Von 2000 bis 2004 war er Mitglied der Gruppenleitung der HIAG-Gruppe und führte als COO erfolgreich sieben Gesellschaften (Dämmstoffe, Grosshandel, Türen, Paletten) durch eine intensive Phase der Restrukturierung und des Turnaround. Seit 2001 ist er Delegierter des Verwaltungsrates der Pavatex SA an der er im Jahr 2004 eine wesentliche Minderheitsbeteiligung erwarb. Im Zuge der Übernahme der Pavatex-Beteiligung von HIAG durch Chemolio hat Martin Brettenthaler seinen eigenen Anteil an Pavatex deutlich erhöht. Martin Brettenthaler ist Vorstandsmitglied der internationalen Umweltorganisation natureplus e.V. in Deutschland, die eine nachhaltige Entwicklung im Bausektor zum Ziel hat, und war von 2006 bis 2008 in Frankreich Präsident der FEROPA/NFB, der Dachorganisation der europäischen Faserplattenproduzenten.
Zum Unternehmen:
Die PAVATEX Gruppe mit ihrer Spitzengesellschaft PAVATEX Holding AG hat ihren Sitz in Cham, Kanton Zug (Schweiz). Die operativen Geschäfte in Europa führen die 100%-Tochtergesellschaft PAVATEX SA (Fribourg, Schweiz) und ihre Ländergesellschaften in Deutschland/Österreich, Frankreich und Benelux. Die Produktionsstätten befinden sich in der Schweiz in Cham und Fribourg. Seit der Gründung 1936 zählt das Unternehmen zu den Pionieren der Baubranche bei der Gebäudedämmung. Die über 200 Mitarbeiter erwirtschaften einen Jahresumsatz von über CHF 100 Mio. Aktuell baut PAVATEX am Standort Golbey (F) sein drittes Werk auf. Dieses soll im Frühjahr 2013 in Betrieb gehen. Die PAVATEX Holding AG ist heute im Besitz der Chemolio Holding AG (33%), von Martin Brettenthaler (25%) und BeCapital (25%). Die weiteren Anteile liegen bei Norske Skog, dem Institut Lorrain des Participations, beim Fonds Lorrain des Matériaux sowie beim Verwaltungsrat und Kader.