Martin Lorenz, CEO Competec, im Interview

Martin Lorenz

Ex-Competec-CEO Martin Lorenz übernimmt mit anderen privaten Investoren die Competec-Tochter Medidor. (Foto: Competec)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Lorenz, die Competec-Gruppe hat ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 12 Prozent auf 811 Mio Franken gesteigert. Auf welche Faktoren ist die positive Entwicklung zurückzuführen?

Martin Lorenz: In erster Linie sind es natürlich unsere Kunden, die uns Jahr für Jahr ihr Vertrauen schenken. Unsere Mitarbeitenden leisten Ausserordentliches: sei es in der Logistik, in der Pflege und im Ausbau unserer Sortimente, in der Weiterentwicklung unserer Dienstleistungen, im mehrfach prämierten Kundenservice und natürlich auch im Auftritt nach aussen. Gerade in unseren Onlineshops sind uns 2019 wichtige Weiterentwicklungen und Verbesserungen gelungen.

Competec setzt sich aus BRACK.CH AG, Alltron AG, Jamei AG sowie den Dienstleistern Competec Service AG und Competec Logistik AG zusammen. Welche Bereiche haben 2019 besonders überzeugt?

Unser Anspruch ist, in all unseren Verkaufskanälen über dem Markt zu wachsen. Dies ist uns 2019 für alle drei erwähnten Marken gelungen. Die Marktentwicklung ist je nach Kundengruppe und Sortimentsbereich aber sehr unterschiedlich. Freude bereitet uns, dass es uns immer besser gelingt, in den jüngeren Sortimentsbereichen schnell an Relevanz zu gewinnen. Das hilft uns in der Wahrnehmung beim Kunden, aber auch gegenüber Lieferanten und Herstellern. Unser Geschäftsmodell mit dem direkten wie auch indirekten Marktzugang hilft uns hier zusätzlich.

«Unsere schnellen und zuverlässigen Lieferungen haben ihren wesentlichen Anteil daran, dass wir uns von der Einmannfirma zur heutigen Grösse entwickelt haben.»
Martin Lorenz, CEO Competec

Die Logistik hat Competec auch 2019 stark beschäftigt. Trotz Engpässen bei der Kapazität wurden über das ganze Jahr verteilt 2,1 Millionen Pakete verschickt. Wie präsentiert sich die aktuelle Situation?

Logistik ist im E-Commerce bzw. im Handel zentral. Daran wird sich nichts ändern, und daher wird uns die Logistik auch weiterhin beschäftigen. Unsere schnellen und zuverlässigen Lieferungen haben ihren wesentlichen Anteil daran, dass wir uns von der Einmannfirma zur heutigen Grösse entwickelt haben. Ich bin sehr stolz auf unsere Belegschaft in Willisau, dass wir diese Leistung 2019 trotz der anspruchsvollen Rahmenbedingungen erbringen konnten. Trotz allem hat der Engpass auch dazu geführt, dass wir unser Lieferversprechen an umsatzstarken Tagen nicht immer zu 100 Prozent erfüllen konnten. Deshalb setzen wir im Tagesgeschäft durch fortlaufende kleine Optimierungen alles daran, unsere Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Die aktuelle Situation stimmt mich zuversichtlich, dass uns dies 2020 gelingen wird.

Entlastung ist absehbar, nachdem Sie im April nach mehrjähriger Verzögerung grünes Licht für den Erweiterungsbau erhalten haben. Wie weit sind die Bauarbeiten bereits gediehen und wie sieht die weitere Planung aus?

Die Bauarbeiten verlaufen nach Plan. Wir rechnen damit, den Neubau im Sommer 2021 in Betrieb zu nehmen. Nach Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus, der Gross- und Mittelteile aufnimmt und künftig die Wareneingangsabteilung beherbergt, lässt sich der frei werdende Platz im Hauptgebäude wiederum für die Lagerung weiterer Kleinartikel und den Ausbau des Warenausgangs nutzen. Spätestens dann kann Competec auch das Aussenlager in Rothrist wieder aufgeben, das wegen des jahrelang verzögerten Baustarts angemietet werden musste und dadurch mehr Aufwand bei Transport sowie Zusammenführung von Kundenaufträgen verursacht.

Wofür benötigen Sie den zusätzlichen Platz hauptsächlich?

Wir benötigen den Platz und die darin verbaute Infrastruktur. Den Platz, damit wir auch weiterhin unsere Sortimente ausbauen und das Wachstum sicherstellen können, und die Infrastruktur, damit wir nach der Automatisierung der Kleinteile mit den AutoStore-Anlagen auch die Effizienz für Mittel- und Grossteile vorantreiben können. Diese sind momentan im bestehenden Gebäude an verschiedenen Stellen untergebracht, hauptsächlich im Hochregallager, das aber von der Performance und von der Kapazität an seine Grenzen stösst. Dazu entstehen neun zusätzliche Lastwagen-Androckrampen für die Anlieferung. Der Neubau wird die Arbeitsplätze für die Wareneingangsverarbeitung beherbergen. Trotz hohem Automatisierungsgrad werden rund 50 Personen im Neubau arbeiten. Ausserdem wird auf dem Dach eine Photovoltaikanlage installiert, mit deren Hilfe wir den Eigenbedarf an Energie weitgehend selber decken können.

«AutoStore III Platz für rund 170’000 Behälter. Zusätzlich entstehen 20 Kommissionier-Arbeitsplätze. Eine Erweiterung um weitere rund 150’000 Behälter und um abermals 20 Kommissionier-Arbeitsplätze wird baulich so vorbereitet, dass sie im laufenden Betrieb realisiert werden kann.»

Im Frühling soll das dritte automatische Kleinteilelager den Betrieb aufnehmen. Welche Möglichkeiten bietet «AutoStore III»?

AutoStore III hat die gleichen technischen Möglichkeiten wie die bestehenden zwei Anlagen. Der Unterschied liegt in der Dimension: Fasst das 2012 in Betrieb genommene AutoStore I auf kompaktem Raum rund 85’000 Rüstbehälter und die seit 2015 betriebene zweite Anlage rund 125’000, so bietet AutoStore III Platz für rund 170’000 Behälter. Zusätzlich entstehen 20 Kommissionier-Arbeitsplätze. Eine Erweiterung um weitere rund 150’000 Behälter und um abermals 20 Kommissionier-Arbeitsplätze wird baulich so vorbereitet, dass sie im laufenden Betrieb realisiert werden kann. Das bedeutet, dass sich bereits mit der ersten Etappe Competecs Kapazität zur Lagerung und Versand von Kleinartikeln beinahe verdoppelt. Auch die dritte Anlage wird an unsere Schnellverpackungsstrasse angebunden, die eine besonders schnelle Verarbeitung von Bestellungen erlaubt. Dies ermöglicht uns, unser Lieferversprechen auch künftig zu 99,8 Prozent oder mehr einzuhalten.

Die Bedeutung der Logistik für Competec zeigt auch die Berufung von Riet Steiger, dem neuen CEO der Competec Logistik AG, in die Competec-Geschäftsleitung. Welches sind – über die durch die Verzögerung beim Erweiterungsbau hinausgehenden – grössten Herausforderungen?

Unsere Logistik ist mittlerweile mit einem Personalbestand von über 200 Mitarbeitenden zu einem mittelgrossen Unternehmen gewachsen. Damit verbunden sind viele Themen der Organisations- und Personalentwicklung, die zwar nicht direkt mit der Logistik zu tun haben, aber zentral für die Entwicklung des Standorts und damit unserer Leistungsfähigkeit sind. Denn die Logistik ist einer unserer wichtigsten Erfolgsfaktoren und soll auch in Zukunft eins unserer grossen Alleinstellungsmerkmale bleiben. Dies bedingt, dass wir die Organisation und die Strukturen den Wachstumsanforderungen anpassen. Competec hat in den letzten Jahren viel in den Standort Willisau investiert, viele Stellen geschaffen und zahlreiche Erweiterungen zur Leistungssteigerung vorgenommen. Dies wollen wir auch weiterhin tun.

Bei Brack.ch wurde das Artikel-Sortiment auch im vergangenen Jahr deutlich ausgebaut – von Gesundheits- und Naturkosmetik über Erotik bis hin zu Zubehör für Elektrofahrzeuge. Wie wird sich das Sortiment weiterentwickeln, worauf wollen Sie den Fokus legen?

Wir verstehen uns als Online-Fachhändler – und damit sind die Auswahl und die Zusammensetzung des Sortiments elementar. Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden in allen Lebenslagen ein kompetentes und rundes Produktangebot bieten. Daran wollen wir auch in Zukunft arbeiten. Die genannten Ausbauten sind alles zumindest aus unserer Sicht sinnvolle Erweiterungen unserer bestehenden Sortimentswelten. Und natürlich ist es auch unsere Aufgabe, Marktentwicklungen, Trends und Kundennachfrage zu antizipieren. Dementsprechend wird sich die Auswahl künftig noch verbreitern. Was sicher ausgeschlossen ist, sind frische Lebensmittel. Darauf ist unsere Logistik nicht ausgelegt.

Was bringt eine Sortimentserweiterung wie zum Beispiel beim Zubehör für Elektrofahrzeuge über die Logistik hinaus für Herausforderungen mit sich?

Aus meiner Sicht sind es vor allem zwei Punkte: Einerseits wollen wir gegenüber dem Kunden eine hohe Beratungsqualität sicherstellen. Das heisst, wir müssen das entsprechende Produkt-Know-how aufbauen. Das bedarf je nach Komplexität der Produkte ganz unterschiedlicher Qualifikationen. Andererseits ist bei einem Sortiment von über 200’000 Artikeln sicherzustellen, dass unsere Kundinnen und Kunden sie auch zu sehen bekommen. Sei es in der Vermarktung oder beispielsweise über die Suchfunktion des Onlineshops. Hinzu kommen natürlich auch die üblichen Fragen: Wie sieht der Markt aus? Wie online- und logistiktauglich ist das Sortiment? Wie läuft die Beschaffung für solche Produkte bei unseren Kunden heute üblicherweise ab? Was gilt es an Compliance-Vorgaben zu beachten? Wie beratungsintensiv sind die Produkte?

Ist es für Brack.ch keine Option, auch ein Marktplatz für Drittanbieter zu werden?

Natürlich spüren wir die Entwicklung von vielen Mitbewerbern hin zu Marktplätzen. Als Competec bzw. Brack.ch wollen wir aber weiterhin an unserer Strategie festhalten, die Produkte anzubieten, die wir selbst in Willisau an Lager führen und für die wir das vorhin erwähnte Produktwissen angeeignet haben. Damit gelingen uns mehrere Dinge: Wir liefern die Produkte, die unsere Kundinnen und Kunden bestellen, in einem Paket. Das reduziert die Transaktionskosten und ist in der Regel auch ökologischer. Wir kontrollieren die Lieferkette und haben so eine schnelle und hohe Zustellsicherheit beim Kunden. Und das Produktwissen ist die Basis für unseren sortimentsübergreifenden, vielfach prämierten Kunden- und After-Sales-Service. Diese Strategie schliesst aber nicht aus, dass wir mit Partnerschaften unsere Kompetenzen mit einbringen oder – wie im Fall von siroop – auch selbst auf Marktplätzen auftreten.

«Als Competec bzw. Brack.ch wollen wir weiterhin an unserer Strategie festhalten, die Produkte anzubieten, die wir selbst in Willisau an Lager führen und für die wir das vorhin erwähnte Produktwissen angeeignet haben.»

Was prägte das Geschäftsjahr 2019 im B2B-Bereich?

Der Unternehmensbereich B2B baute 2019 das Lösungsgeschäft aus und holte ergänzend Alexander Wenzler an Bord, der über viele Jahre Erfahrung in der Value-Added-Distribution verfügt. Daneben gewann Competec weitere Distributionsverträge. Unter anderem beliefert der Distributor Alltron den Fachhandel mit Produkten von OPPO, dem fünftgrössten Smartphone-Hersteller der Welt. Auch bei unserem Home&Living-Distributor Jamei versuchten wir, mit neuen Marken und Herstellern den Entwicklungen am Markt gerecht zu werden. Stolz sind wir natürlich auch auf unsere verschiedenen Auszeichnungen: Sowohl Dell Schweiz als auch Axis Communications verliehen Alltron den Titel «Distributor of the Year», und auch die Leserschaft der IT-Fachhandelszeitschrift Swiss IT Reseller beurteilten Alltron als den besten Broadline-Distributor der Schweiz. Ganz wichtig ist für uns auch die technologische Weiterentwicklung. So haben wir sowohl für Jamei und Alltron einen neuen Onlineshop am Start – bei Alltron zwar noch in einer offenen Betaversion. Aber damit haben wir die Basis geschaffen, in diesem Jahr unseren Kunden bedarfsgerecht neue und moderne Features anzubieten. Auch einen neuen Servicemarktplatz für unsere Cloud-Leistungen haben wir im Herbst 2019 lanciert.

Wo sehen Sie im B2B die grössten Wachstumsfelder?

Zum einen in den Sortimentskompetenzfeldern IT- und Cyber-Sicherheit. Die Bedrohungslage nimmt ständig zu, und wir wollen unseren Kunden sowohl Know-how als auch die richtigen Produkte vermitteln. Zum anderen werden Produkte aus verschiedenen Sparten immer mehr miteinander vernetzt. Das bietet im Lösungsgeschäft viele neue Möglichkeiten. Dazu sehen wir ein grosses Potenzial, unser vielfältiges Sortiment gegenüber den Geschäftskunden besser zu nutzen. Darüber hinaus beschäftigt unsere Kunden, wie sie ihre Prozesskosten in der Beschaffung senken – hierbei können wir an diversen Punkten ansetzen und ihnen Unterstützung bieten.

Herr Lorenz, besten Dank für das Interview.

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