von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Mlynar, nach einem Management-Buy-Out ist Corestone heute unabhängig und gehört nicht mehr zur niederländischen Robeco Gruppe. Was waren die Gründe für den Weg in die Unabhängigkeit?
Martin Mlynar: In den über zehn Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit mit Robeco ist es uns gelungen, die begehrteste Manager-Research und Service-Plattform für Pensionskassen auf dem niederländischen Markt aufzubauen. Ein Hauptgrund für die angestrebte Unabhängigkeit im letzten Jahr war der Umstand, dass wir als Schweizer Firma neben Holland den Fokus vermehrt auch auf die Schweiz und andere Länder legen wollten und dies als eigenständige Firma wesentlich flexibler und effizienter umsetzen können.
Welche Möglichkeiten hat Corestone als Asset Manager jetzt, die es unter dem Dach von Robeco nicht gehabt hätte?
Wir sind nun zwar unabhängig, arbeiten aber weiterhin eng mit Robeco zusammen, um auf die Dynamik des niederländischen Marktes für Pensionskassen zu reagieren. Gleichzeitig haben wir damit begonnen, unsere erfahrenen und qualifizierten Mitarbeiter sowie unsere Prozesse und Tools zu nutzen, um unsere Kompetenzen in der Schweiz und auch darüber hinaus anzubieten.
Die Eigenständigkeit ermöglicht es uns neben der gesamtheitlichen Portfoliobetrachtung auch massgeschneiderte Einzellösungen für Anlageklassen wie zum Beispiel Schwellenländeranleihen oder chinesische A-Aktien anzubieten. Diese sind für Pensionskassen häufig schwer zu implementieren und benötigen ein hohes Mass an Expertise und Ressourcen, um langfristig Erfolg und die Risiken im Griff zu haben.
«Die Eigenständigkeit ermöglicht es uns neben der gesamtheitlichen Portfoliobetrachtung auch massgeschneiderte Einzellösungen für Anlageklassen wie zum Beispiel Schwellenländeranleihen oder chinesische A-Aktien anzubieten.»
Martin Mlynar, CEO und Mitgründer Corestone Investment Managers
Corestone kennt aus seiner Geschichte den niederländischen Pensionskassenmarkt sehr gut. Dort hat sich die Zahl der Vorsorger in den letzten zehn Jahren drastisch reduziert. Wie kam es dazu?
Ja. In den Niederlanden ist die Zahl der Pensionskassen in den Jahren 2000-2017 von knapp 1000 auf 268 zurück gegangen und eine weitere Konsolidierung auf 100 Kassen wird erwartet. Während in der Schweiz die Konsolidierung auf freiwilliger Basis beruht, ist in Holland der Regulator die treibende Kraft. In Holland wurden die Kassen zu einer schrittweisen Kostensenkung animiert, und damit zur Konsolidierung im Rahmen von „Outsourced CIO“-Ansätzen oder industrieweiten Lösungen getrieben.
Letztere sind mit Schweizer Sammelstiftungen vergleichbar. Hauptgrund für diesen erhöhten Druck in Holland war schon vor 20 Jahren die Einsicht, dass eine Professionalisierung des Anlageprozesses und eine effiziente Bewirtschaftung der anvertrauten Gelder nur ab einer gewissen Grösse und mit einem professionellen Setup möglich ist. Neben der schieren Grösse steht vor allem das Thema „Good Governance“ ganz oben auf der Agenda der dortigen Pensionskassen.
Dies schliesst neben der Professionalisierung auf den operativen Ebenen auch die Weiterbildung der Verwaltungs- und Stiftungsräte mit ein. Diese Kontrollorgane, die eine vom Regulator überprüfte Fachkompetenz vorzuweisen haben und hiermit u.a. die Unabhängigkeit der strategischen Entscheidungen gewährleisten, werden häufig mit zusätzlichen Spezialisten besetzt.
Wie unterscheidet sich der heutige Markt in den Niederlanden vom hiesigen Pensionskassenmarkt?
Der hiesige Markt konnte sich der globalen Konsolidierungsentwicklung nicht vollends entziehen und die Anzahl der Schweizer Pensionskassen ist von 9000 im Jahr 2000 auf gut 1600 im Jahr 2017 gesunken. D.h., auf Basis der nackten Zahlen ist der Trend zwar der gleiche wie in den Niederlanden, doch bleibt der Schweizer Markt substantiell fragmentierter als das niederländische Pendant. Ein weiterer bedeutender Unterschied liegt im Schweizer Milizsystem auf Ebene Stiftungsrat. Hier sind die Holländer einen anderen Weg gegangen, der auch eine Professionalisierung auf dieser Ebene vorangetrieben hat. Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile und es gibt kein grundsätzlich «Richtig» oder «Falsch». Wichtig ist unserer Ansicht nach jedoch neben der kontinuierlichen Ausbildung der Stiftungsräte auch eine weitere Professionalisierung der tieferen Ebenen, d.h. des Anlageprozesses und der Implementierung, dem Monitoring und Risikomanagement von Anlagen.
Wo sehen Sie die grössten Vorteile des CIO-Outsourcings bei Pensionskassen?
Die grössten Vorteile liegen auf der Hand. Zum einen führt die Delegation bestimmter Funktionen an Experten zu einer Professionalisierung des Anlageprozesses. Zum anderen führt sie zu einer Entlastung der Investment Komitees und teilweise auch Stiftungsräte, die heute oftmals noch in operative Tätigkeiten und Entscheide eingebunden werden. Milizsystem hin oder her.
Eine Auslagerung bzw. damit auch eine klare Trennung der Aufgaben führt zu einer erhöhten Transparenz und Effizienz und zu einer besseren Governance. Das ermöglicht es Stiftungsräten und Anlagekommissionen sich mit ihrer beschränkten Zeit auf die für sie wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren. Dazu gehören beispielsweiseihre Überwachungsfunktion der Anlagen und der ausführenden Einheiten.
Schweizer Pensionskassen folgen diesem Ansatz bereits im Bereich der alternativen Anlagen, wo Anlageentscheide bewusst delegiert werden. Warum soll dies für die traditionellen Märkte bzw. für das ganze Portfolio nicht auch umgesetzt werden?
«Eine Auslagerung bzw. damit auch eine klare Trennung der Aufgaben führt zu einer erhöhten Transparenz und Effizienz und zu einer besseren Governance.»
Die politische Diskussion über die Reform der Altersvorsorge in der Schweiz ist intensiv. Die Umsetzung erweist sich aber als schwierig. Wie beurteilen Sie die Situation?
Uns erscheint die gegenwärtige Situation als ziemlich verfahren, nicht nur weil es keine einfache Lösung gibt. Als Stichwort sei hier nur die Generationengerechtigkeit bzw. -umverteilung genannt. Rational bedeutet eine steigende Lebenserwartung grundsätzlich eine spätere Pensionierung. Begrenzte Mittel, in einem Umfeld von niedrigen bis negativen Zinsen auf die nächsten Jahre hinaus, bedeuten, dass die Leistungen nicht im gegenwärtigen Umfang bestehen bleiben können. Entweder müssen Leistungen gekürzt, Prämien erhöht oder das Arbeitsleben verlängert werden. Nur diese drei Stellschrauben können die Altersvorsorge in der Schweiz langfristig stabilisieren. Dies ist leichter gesagt als getan, da heute, nach über 10 Jahren steigender Aktienkurse und guter Anleihemärkte, der Anreiz zur Lösung dieses langfristigen Problems einfach zu gering ist. Viel schwerer wiegt jedoch die zunehmende Alterung der Bevölkerung. In diesem Umfeld wird das subjektive Empfinden des Einzelnen, dass allgegenwärtige Anspruchsdenken noch weiter an Bedeutung gewinnen und die nötigen Reformen, sollten sie nicht glasklar und überzeugend formuliert werden, einen schweren Stand bei einer möglichen Volksabstimmung haben.
Welche Veränderungen erwarten Sie in den nächsten Jahren und wie wird Corestone sich einbringen und profitieren können?
Wir sehen einen zunehmenden Trend zur Konsolidierung bei den Schweizer Pensionskassen zusammen mit einer einhergehenden Professionalisierung. Letzteres dürfte v.a. für Sammelstiftungen interessant sein, wollen diese sich von Ihren Mitbewerbern unterscheiden und in der Lage sein, höhere Verzinsungen auch dank besserer Renditen zu bieten. Aber nicht nur für diese, auch für Firmen-Pensionskassen. Arbeitnehmer werden durch die vielen Diskussionen über das BVG zunehmend sensibilisiert und interessieren sich für die Leistungen und den Zustand ihrer Pensionskasse. Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, muss das Gesamtpaket stimmen. Wir bieten Stiftungsräten, Anlagekommissionen und anderen Entscheidungsträgern bei Pensionskassen mit unserer Investment-Expertise Unterstützung, damit sie die ihnen anvertrauten Gelder erfolgreicher anlegen können.
Der Druck auf Pensionskassen, nachhaltig zu investieren, steigt. Welche Herausforderungen bringt dies für die PK’s mit sich?
Das Thema ESG ist nicht neu für uns und beschäftigt uns seit mehr als 10 Jahren. Der holländische Markt gilt hier neben Skandinavien als Vorreiter. Wichtig ist unserer Ansicht nach, wie das Thema angegangen wird. Welches sind meine Überzeugungen als Pensionskasse bei diesem Thema? Was ist mir wichtig und was weniger? Erst nachdem diese Fragestellungen klar beantwortet wurden, kommt die Frage nach der Implementierung, die eine Vielzahl von weiteren Herausforderungen bringt. Dazu gehören zum Beispiel Datenprobleme oder fehlende Transparenz bei den Anlageinstrumenten. Man kann das nicht nur «einfach» machen, muss das Rad aber auch nicht neu erfinden. Für eine gute und adäquate Umsetzung benötigt es Expertise, Datenzugang und kontinuierliches Monitoring.
«Die Jagd nach Renditen treibt Anleger zunehmend in Anlageklassen, die weniger liquide, weniger transparent und zugleich wesentlich komplexer sind. Eine tiefgehende Analyse und Verständnis sind hier zwingend notwendig.»
Welche weiteren Themen beschäftigen Sie aus Anlegerperspektive derzeit am stärksten?
Natürlich beschäftigt uns das gegenwärtige Niedrigzinsumfeld und die sich hieraus ergebenen Folgen für die langfristigen Renditeerwartungen über alle Anlageklassen hinweg. Die Jagd nach Renditen treibt Anleger zunehmend in Anlageklassen, die weniger liquide, weniger transparent und zugleich wesentlich komplexer sind. Eine tiefgehende Analyse und Verständnis sind hier zwingend notwendig.
Die Notenbankpolitik der letzten 10 Jahre hat unserer Ansicht nach dazu geführt, dass ein Grossteil der Märkte auf die gleichen Risikofaktoren ausgerichtet ist und eine klassische Diversifikation immer schwieriger wird.
Investitionen in aufstrebende Anlageklassen wie China A-Shares, Schwellenländer Small Caps oder Ähnliches, die vergleichsweise wenig korreliert sind und eher isoliert funktionieren, bieten hier einen gewissen «Schutz», bedürfen aber einer ausserordentlichen Expertise und Erfahrung. In diesem Umfeld ist die Effizienz der Implementierung und ein Portfoliomanagement mit einem ganzheitlichen Ansatz von grösster Bedeutung.
Ein zuletzt veröffentlichter Vergleich der weltweiten Rentensysteme – mit den Niederlanden und Dänemark an der Spitze – zeigt eine tiefere Anlagerendite und Risikobereitschaft in der Schweiz. Teilen Sie diese Erkenntnisse?
Wir beobachten eine vergleichbare Risikobereitschaft in den genannten Ländern, zumindest was den Anteil an Aktien betrifft. Die hohen Aktienanteile in einem Portfolio sind traditionell eher bei angelsächsischen Investoren zu beobachten. Bei den anderen Anlageklassen sehen wir ebenfalls nicht so grosse Unterschiede, mit Ausnahme von Immobilienanlagen, welche in den Niederlanden meist eine weniger grosse Allokation erhalten. Was wir aber feststellen ist eine tiefere Anlagerendite bei Schweizer Pensionskassen.
Kochen also quasi beide Köche mit mehr oder weniger den gleichen Zutaten und ist die Suppe beim einen besser als bei dem anderen, dann liegen die Gründe in der Kombination und Qualität der Zutaten. Beim Vergleich zwischen der Schweiz und Holland lässt die schwächere Anlagerendite auf eine ineffizientere Umsetzung, sei es bei der Implementierung oder auch bei der Portfoliokonstruktion, schliessen.
Wir denken nicht, dass die BVV2-Vorschriften hier eine hemmende Wirkung haben, verwenden doch schon fast 50% der Pensionskassen den entsprechenden Artikel, um Ausnahmen in jeglicher Hinsicht zu begründen und setzen eine Prudent Investor Rule durch.
Sie propagieren, dass alle Strategien, in die investiert wird, vollständige Transparenz gewährleisten müssen, ansonsten Corestone nicht investiert. Wie stellen Sie die Transparenz sicher?
Seit Corestone vor über 12 Jahren gegründet wurde, haben wir eine Regel für unsere Investments: Wir müssen nicht nur die aktuellen, sondern auch die Positionen und Transaktionen aus der Vergangenheit analysieren können. Nur so sehen wir, was wir uns ins Portfolio holen und haben die Möglichkeit unsere technischen Möglichkeiten zu nutzen, um dann stil- und zyklusneutrale Portfolios konstruieren zu können. Andernfalls wird nicht investiert!