Martin Rohner, Geschäftsleiter Max Havelaar-Stiftung.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Rohner, Fairtrade war in der Schweiz im letzten Jahr ein grosses Thema. Erstmals seit drei Jahren wuchs der Umsatz wieder zweistellig und erzielte einen Wert von 303.5 Mio. Franken. Worauf führen Sie den anhaltenden Fairtrade-Boom zurück?
Martin Rohner: Der Konsum im Detailhandel allgemein in der Schweiz stagniert. Fairtrade bietet Detailhändlern und Gastronomen ein Wachstumsfeld und erst noch die Chance, sich für einen fairen und nachhaltigen Handel zu engagieren und dadurch die Situation der Bauern in Entwicklungsländern zu verbessern.
Wie viele Produkte mit dem Max Havelaar-Label gibt es mittlerweile und welche Produkte konnten am stärksten zulegen?
Es gibt heute in der Schweiz rund 1500 Produkte mit dem Fairtrade Max Havelaar-Label. Bei den Schlüsselprodukten Bananen und Blumen konnten wir die hohen Marktanteile von über 50% halten. Bei den übrigen Produktkategorien verzeichneten wir ein starkes Wachstum: Kaffee (+21%), Baumwoll-Textilien (+25%), Kakao (+41%) und Reis (+30%) konnten markant zulegen.
Welche Produkte wurden im vergangenen Jahr neu lanciert, resp. mit dem Label versehen?
Im Detailhandel stösst Fairtrade in neue Produktsegmente wie Glacé, Joghurt und Convenience-Früchte vor. In der Gastronomie ist es der Ausbau des Standardsortiments wie Kaffee, Bananen, Reis, usw.
Coop gefolgt von der Migros sind Ihre beiden grössten Partner. Wer sind die anderen Handelspartner?
Max Havelaar hat über 190 Handelspartner im Detailhandel und in der Gastronomie.
Welchen Stellenwert geniessen Fairtrade-Produkte mittlerweile in der Gastronomie?
Der Stellenwert wird immer grösser. Mittlerweile wird rund 10% des Umsatzes mit Fairtrade-Produkten im Ausser-Haus-Konsum gemacht, insbesondere im Bereich der Personalrestaurants.
«(…) hingegen ist in den Produzentenländern ein eigentlicher Kampf um die Rohstoffe im Gange und der Zwischenhandel nimmt wieder zu. Dies ist eine Gefahr für die sorgfältig aufgebauten Produzentenorganisationen.»
Martin Rohner, Geschäftsleiter Max Havelaar
Welchen Einfluss haben die anhaltend hohen Rohstoffpreise auf das Geschäft mit Fairtrade-Produkten?
In der Schweiz keinen. Hingegen ist in den Produzentenländern ein eigentlicher Kampf um die Rohstoffe im Gange und der Zwischenhandel nimmt wieder zu. Dies ist eine Gefahr für die sorgfältig aufgebauten Produzentenorganisationen, die den Bauern in schlechten Zeiten grosse Sicherheit bieten.
Was prägt den Schweizer Fairtrade-Markt im Vergleich mit dem europäischen Ausland?
Wir profitieren sicher von der Struktur des Schweizer Detailhandels. Deren grössten Teilnehmer waren von Anfang an dabei und sind seit bald 20 Jahren engagierte Partner des Fairtrade-Labels.
Fairtrade fördert die kleinbäuerliche Landwirtschaft und verbessert die Arbeits- und Lebenssituation der Produzenten in den Entwicklungsländern. Wie hoch waren die Einnahmen, die die Produzenten mit dem Absatz von Fairtrade-Produkten in der Schweiz erzielen konnten?
Die Produzenten in den Anbauländern erzielten dank Fairtrade Einnahmen von 59,8 Mio. Franken. Das sind rund 13% mehr als im konventionellen Handel. Da das Niveau der Rohstoffpreise anhaltend hoch war, profitieren die Fairtrade-Produzenten vor allem von der Fairtrade-Prämie, mit der sie zentrale Investitionen in Produktivität, Qualität und Gemeinschaftsprojekte tätigen.
«Fairtrade greift nicht in die normalen Handelswege und Geldflüsse ein. Aber Fairtrade kontrolliert, dass die Bauern für ihre Rohstoffe einen stabilen Preis und eine Fairtrade-Prämie bekommen.»
Nach welchem System werden die einzelnen Kleinbauern und Arbeiter bezahlt?
Fairtrade greift nicht in die normalen Handelswege und Geldflüsse ein. Aber Fairtrade kontrolliert, dass die Bauern für ihre Rohstoffe einen stabilen Preis und eine Fairtrade-Prämie bekommen. Diese werden in den Fairtrade-Standards festgelegt.
Fairtrade Labelling Organizations International FLO regelt die Standards für Fairtrade-Produkte. Wie können wir uns die Kontrolle der Einhaltung dieser Standards vorstellen?
Die Einhaltung der Standards bei den Produzenten und in der ganzen Handelskette erfolgt in diversen Schritten und auf mehreren Ebenen und wird von der unabhängigen Zertifizierungsorganisation FLO Cert GmbH kontrolliert.
Wie oft sind Sie selber vor Ort bei den Produzenten?
Nach Möglichkeit reise ich 1-2x im Jahr zu den Bauern. 1-2x Jahr kommen auch Produzenten in die Schweiz oder ich treffe sie in Bonn bei Fairtrade International.
Lässt sich absehen, wann das Fairtrade Label auch im Dienstleistungsbereich anwendbar ist, vor allem im Tourismus-Sektor?
Das Fairtrade-Label steht in erster Linie für landwirtschaftliche Rohstoffe. Wir stehen aber in einem engen Austausch mit dem Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung, der massgeblich an der Lancierung von Fair Trade Travel-Angeboten beteiligt war.
Zwischen Ende April und Ende Mai fand zum dritten Mal die Kampagne Fairtrade Breakfast statt. Wie viele Personen nahmen in diesem Jahr teil und welche Ziele verfolgen Sie mit der Aktion?
In der diesjährigen Kampagne haben über 100‘000 Personen fair gefrühstückt. Ziel ist, die Leute für Fairtrade zu sensibilisieren und das Produktsortiment aufzuzeigen. Dank der Teilnahme von zahlreichen Partnern aus Detailhandel und Gastronomie ist uns dies auch gelungen.
Mit Unternehmen wie Starbucks oder Ben & Jerry’s setzen auch Markenartikel-Giganten in ihrem weltweiten Geschäft auf Fairtrade. Lässt sich daraus ein Trend für die Zukunft ableiten?
Ja, das hoffen wir!
Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?
Sehr hoch, dank guter praxisorientierter Ausbildung, hohem Qualitäts- und Dienstleistungsbewusstsein und interkultureller Sensibilität.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
Auf internationaler Ebene (FLO) sehr hoch. Auf nationaler Ebene (Max Havelaar Schweiz) bleibt ein vertieftes Verständnis der Schweizer Detailhandelslandschaft und der Schweizer Kommunikationskultur zentral, weshalb in erster Linie Personen mit Erfahrung im Schweizer Markt rekrutiert werden. Ein ausgewogener Anteil von Frauen und Männer auf Ebene der Geschäftsleitung und auf den unteren Führungsebenen ist gewährleistet.
Herr Rohner, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person
Martin Rohner (45) ist seit dem 1. Oktober 2005 Geschäftsleiter der Max Havelaar-Stiftung (Schweiz) und seit 2007 Vorstandsmitglied von Fairtrade International. Martin Rohner studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und verfügt über ein Nachdiplomstudium im Bereich Umwelt und Entwicklung der Universität Cambridge, England. Bevor er als Berater bei der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank in Washington tätig war, arbeitete er im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Bern.
Das Unternehmen
Die Max Havelaar-Stiftung (Schweiz) erteilt ein Gütesiegel für Produkte aus benachteiligten Regionen des Südens, die fair gehandelt sowie gemäss sozialen Standards und möglichst umweltschonend produziert werden. Die Einhaltung der internationalen Fairtrade-Standards wird von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle kontrolliert. Das Max Havelaar-Label gibt es für Bananen, Ananas, Mango, Avocado, Fruchtsäfte, Kaffee, Tee, Schokolade, Kakao, Honig, Zucker, Süsswaren, Trockenfrüchte, Nüsse, Reis, Blumen und Pflanzen sowie Baumwollprodukte, Textilien und Sportbälle.
Fairtrade