Martin Scholl, CEO Zürcher Kantonalbank. (Foto: ZKB)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Scholl, der Schweizer Finanzplatz steht international unter grossem Druck. Welche zusätzlichen Folgen fürchten Sie nach der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative?
Martin Scholl: Führt die Annahme der Initiative mittelfristig in die Isolation der Schweiz, was zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abschliessend beurteilbar ist, so wären die Auswirkungen für den Werkplatz, den Forschungs- und Bildungsplatz und den Immobilienmarkt gravierend. Das würde auch schmerzliche Auswirkungen auf die Banken haben. Dass die Frage des Marktzugangs für Schweizer Finanzinstitute wieder neu beurteilt wird, ist für den Finanzplatz Schweiz negativ. Gelingt es dem Bundesrat, der EU rasch eine einvernehmliche Lösung zu unterbreiten, werden allfällige negative Folgen der Initiative merklich gedämpft.
Der Kanton Zürich hat die Initiative zwar abgelehnt, wird aber von den Folgen genauso betroffen sein. Welches werden die aus ihrer Sicht die volkswirtschaftlich relevantesten Konsequenzen sein?
Der Kanton Zürich ist mit seiner internationalen Ausrichtung, der Vielzahl an globalen Konzernen und der bedeutenden Forschungs- und Start-up-Szene ganz besonders exponiert. Kurzfristig ist es die reduzierte Planungssicherheit der Unternehmen. Sollte der freie Personen-, Kapital-, Waren- und Dienstleistungsverkehr eingeschränkt werden, verringert sich dadurch längerfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
Allgemein wird für das laufende Jahr von einem deutlichen Wirtschaftswachstum in der Schweiz ausgegangen. Könnte dieses bereits kurzfristig durch die nun entstandene Unsicherheit gebremst werden?
Die reduzierte Planungssicherheit wird einzelne Unternehmen dazu bewegen, ihre angebahnten Erweiterungs- oder Neuinvestitionen auf die lange Bank zu schieben. Planungs- und Architekturbüros könnten dies bereits in diesem Jahr spüren. Dies wirkt sich aber nicht fühlbar auf das BIP aus. Die Zürcher Kantonalbank verändert ihre BIP-Prognose aufgrund des Abstimmungsergebnisses nicht und rechnet weiterhin mit einem Wachstum von 1.8% für das Jahr 2014.
«Die reduzierte Planungssicherheit wird einzelne Unternehmen dazu bewegen, ihre angebahnten Erweiterungs- oder Neuinvestitionen auf die lange Bank zu schieben.»
Martin Scholl, CEO Zürcher Kantonalbank
Welche Erwartungen verbindet die Zürcher Kantonalbank mit dem laufenden Geschäftsjahr?
Für das laufende Geschäftsjahr erwarten wir ein rückläufiges Ergebnis, welches aber noch immer ansprechend sein dürfte.
Das vergangene Jahr hat die Zürcher Kantonalbank mit einem um 2,5 % höheren Bruttogewinn von 877 Mio Franken und einem um 7,2 % höheren Konzerngewinn von 797 Mio Franken abgeschlossen. Wie werten Sie das Ergebnis?
In Anbetracht der nach wie vor grossen Herausforderungen im Marktumfeld, so beispielsweise die immer strikteren regulatorischen Vorschriften verbunden mit höheren Anforderungen betreffend Aufbau von Eigenkapital, haben wir ein ansprechendes Resultat gezeigt. Das ermöglicht uns zudem, dem Kanton und den Gemeinden insgesamt und wie im Vorjahr 330 Mio. Franken auszuschütten.
Das anhaltend tiefe Zinsniveau hinterliess Spuren, der Zinserfolg blieb 3,2 % hinter dem Vorjahr zurück. Der Druck wird vorerst bleiben, wie reagiert die Zürcher Kantonalbank darauf?
Die Zürcher Kantonalbank ist mit dem Zinsergebnis der vergangenen Berichtsperiode zufrieden. Es ist der Bank gelungen, sich gut auf das anspruchsvolle Marktumfeld mit historisch tiefen Zinsen einzustellen. Bei den Erlösen aus dem Aktivgeschäft haben die Qualitätsstrategie und das Wachstum im Hypothekargeschäft einen positiven Einfluss (plus 4 %). Bezüglich Wachstum wurden die Motoren jedoch bewusst gedrosselt (+3,4%). Sorgen bereitet vor allem die unbefriedigende Passivmarge. Eine Zinstrendwende ist nicht in Sicht. Vor 2015 sind von der SNB keine Zinserhöhungen zu erwarten.
Die Hypothekarforderungen weiteten sich um 3,4 % auf fast 70 Mrd Franken aus. Wie beurteilen Sie die Lage im regionalen Immobilienmarkt?
Die Überhitzungserscheinungen im hiesigen Immobilienmarkt wurden in den letzten zwei Jahren immer offensichtlicher. Deshalb haben wir das Wachstum im Hypothekargeschäft schon im Jahr 2011 bewusst gedrosselt. So lag unser Hypothekarwachstum in den Jahren 2012 mit 3,6% und 2013 mit 2,4% deutlich unter dem Gesamtmarkt. Die Zürcher Kantonalbank wird an dieser vorsichtigen Vergabepolitik auch in Zukunft festhalten.
«Vielmehr ist im Rahmen einer politischen Diskussion die Frage zu beantworten, ob weiterhin Wohneigentumsförderung betrieben werden soll, und zwar auf Stufe Individium wie auch im gemeinnützigen Wohnungsbau.»
Wie stehen Sie zu regulatorischen Massnahmen wie der Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers?
Der Entscheid des Bundesrats, den antizyklischen Kanpitalpuffer zu erhöhen, kam für die Zürcher Kantonalbank nicht überraschend. Durch die Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers erhöhen sich die Eigenmittelanforderungen an die Zürcher Kantonalbank um ca. 0.4%. Dies entspricht rund 250 Millionen Franken.
Wie zuvor ausgeführt, hat die Zürcher Kantonalbank die notwendigen Massnahmen bereits vor langem implementiert. Pauschale Massnahmen erachten wir deshalb als nicht mehr zielführend. Vielmehr ist im Rahmen einer politischen Diskussion die Frage zu beantworten, ob weiterhin Wohneigentumsförderung betrieben werden soll, und zwar auf Stufe Individium wie auch im gemeinnützigen Wohnungsbau.
Das Private Banking der Zürcher Kantonalbank wird neu aufgestellt. Welche Kunden und Märkte haben Sie im Visier, aus welchen Märkten zieht sich die Zürcher Kantonalbank zurück?
Primärmarkt ist und bleibt der Wirtschaftsraum Zürich. Hier hat die Zürcher Kantonalbank bereits heute eine hervorragende Marktstellung. Das Ziel der Neuausrichtung im Private Banking International ist die Fokussierung auf wenige Kernmärkte (Deutschland, UK, Italien, Spanien, Österreich, Tschechien, Monaco, Israel, Uruguay, UAE und Hongkong). Durch stabiles Wachstum in ausgewählten Staaten primär in Europa will die Bank die verwalteten Vermögen im Privat Banking International bis 2017 auf 10 Mrd. Franken steigern.
Daneben verabschiedet sich die Zürcher Kantonalbank von Kunden, die ein Vermögen von weniger als 500’000 Franken haben. Und in einem Land domiziliert sind, das für die Bank inskünftig kein Zielmarkt mehr darstellt. Insgesamt zieht sich die Bank aus über 100 Länder zurück. Dadurch werden sich die Assets bis 2015 zunächst auf rund 6 Mrd. Franken verringern.
Gegen die Zürcher Kantonalbank läuft in den USA ein Verfahren wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung. Wie sehen Sie die zeitliche Entwicklung?
Für die Zürcher Kantonalbank ist es noch nicht absehbar, wann der US-Steuerstreit beigelegt werden kann. Wir hoffen auf eine Lösung in diesem Jahr.
Viele Kunden fragen sich angesichts der möglichen Folgen des Steuerstreits , wieso eine Kantonalbank überhaupt ausserhalb der Landesgrenzen tätig ist und sie für dort eingegangene Risiken einstehen sollen. Was antworten Sie diesen?
Die Schweiz, der Finanzplatz Zürich und nicht zuletzt unsere Zürcher KMU-Kunden sind international stark vernetzt. Obwohl der geografische Hauptfokus der Geschäftstätigkeit der Zürcher Kantonalbank klar im Wirtschaftsraum Zürich liegt, erbringt die Zürcher Kantonalbank als Universalbank auch Dienstleistungen für Schweizer KMU, die Bedürfnisse mit Auslandbezug haben (Stichwort Exportfinanzierung, Trade Finance etc.). Die überwiegende Mehrheit der Kunden der Zürcher Kantonalbank stammt aus dem Wirtschaftsraum Zürich. Als Universalbank erzielt die Zürcher Kantonalbank Erträge in verschiedenen Geschäftsbereichen und mit einer breiten Palette an Dienstleistungen. Rund 75% der Erträge werden im Wirtschaftsraum Zürich erarbeitet, und nur gerade 10% stammen aus dem Ausland.
Herr Scholl, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Martin Scholl übernahm am 1. Juni 2007 den Vorsitz der Generaldirektion übernommen, der er seit 2002 angehört. Bis 2005 war Martin Scholl Leiter der Geschäftseinheit Firmenkunden, 2006 hat er die Leitung der Geschäftseinheit Privatkunden übernommen. Nach Abschluss der Banklehre bei der Zürcher Kantonalbank hatte er verschiedene Funktionen inne. 2001 war Martin Scholl als Leiter Kreditmanagement tätig und von 1996 bis 2001 als Leiter Vertrieb Geschäfts- und Firmenkunden.