Martin Scholl, CEO Zürcher Kantonalbank.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Scholl, die ZKB hat 2010 einen gegenüber dem Vorjahr 3% tieferen Gewinn von 729 Mio. Franken erwirtschaftet. Der Bruttogewinn sank um 15% auf 847 Mio. Franken. Was sind die Gründe?
Martin Scholl: Das Geschäftsjahr 2010 war von schwierigen Verhältnissen im Zinsengeschäft und nach wie vor grosser Verunsicherung bei den Anlegern geprägt. Das Zinsengeschäft, traditionell der wichtigste Ertragspfeiler der breit abgestützten Ertragsstruktur der ZKB, litt wie schon im Vorjahr unter tiefen Passivmargen in einem stark umkämpften Markt, und auch die konsequente Absicherung unserer Bilanz gegen steigende Zinsen kostete erneut viel Geld. Das Handelgeschäft ging gegenüber dem ausgezeichneten Vorjahr wie erwartet um 141 Mio. auf 367 Mio. Franken zurück. Mehrerträge im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäfts von 24 Mio. Franken und sinkende Kosten für Sach- und Personalaufwand konnten den Gewinnrückgang nicht ganz wettmachen. Trotzdem sind wir mit dem erfolgreichen Geschäftsgang durchaus zufrieden.
Der Erfolg im Dienstleistungs- und Kommissionsgeschäft konnte auf 532 Mio. Franken gesteigert werden. Sehen Sie sich beim Ausbau des Anlage- und Vermögensverwaltungsgeschäfts auf Kurs?
Das Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft hat sich in der Tat gut entwickelt. So konnte der Ertrag um rund 5% gesteigert werden. Wir führen diesen Erfolg nicht zuletzt auf unsere im Juni 2008 lancierte Wachstumsinitiative zurück.
Der Hypothekarbestand ist erneut stark gestiegen (+ 3.6 Mrd. Franken) und liegt nun bei 62 Mrd. Franken. Erwarten Sie im laufenden Jahr eine anhaltend starke Nachfrage?
Ja, die Nachfrage nach Wohneigentum ist anhaltend gross. Davon profitiert auch die ZKB. Die Bank will jedoch nicht um jeden Preis wachsen, sondern legt vielmehr Wert auf eine hohe Qualität ihres Hypothekenportfeuilles.
«Wir stellen keine generelle Überhitzung des Immobilienmarktes fest und führen die Preissteigerungen in erster Linie auf eine steigende Nachfrage nach Wohnraum zurück.»
Martin Scholl, CEO ZKB
Die Stimmen, die vor allem im Raum Zürich von lokal übertriebenen Immobilienpreisen warnen, werden lauter. Teilen Sie die Befürchtung einer Blasenbildung?
Nein. Die ZKB teilt diese Befürchtungen nicht. Wir stellen keine generelle Überhitzung des Immobilienmarktes fest und führen die Preissteigerungen in erster Linie auf eine steigende Nachfrage nach Wohnraum zurück.
Solange die Hypothekarzinsen so tief sind, bleibt die Nachfrage nach Wohneigentum hoch. Welche Forderungen stellt die ZKB bei der Kreditvergabe und unterscheiden sich diese von den Anforderungen, die andere Banken stellen?
Die ZKB erteilt Finanzierungszusagen nur, wenn sie davon überzeugt ist, dass ein Hypothekardarlehen sowohl für den Kunden wie für die ZKB nachhaltig gesund und tragbar ist. Über das ganze Hypothekarportefeuille betrachtet liegt die durchschnittliche Belehnungsrate deutlich unter 70%. Weil beim Hypotheken-Altbestand ohne besonderen Grund keine regelmässigen Neuschätzungen der zugrunde liegenden Immobilien vorgenommen werden, würde eine aktualisierte Belehnungsrechnung aufgrund der seit den achtziger Jahren beständig gestiegenen Liegenschaftspreise einen nochmals tieferen durchschnittlichen Belehnungswert ergeben.
Als Basis für die Tragbarkeitsberechnung geht die ZKB im Übrigen von einem langfristigen Durchschnittszinssatz von 5% aus, um die Nachhaltigkeit der Finanzierungen auch bei steigenden Zinsen gewährleisten zu können. Die Finanzierungsgrundsätze anderer Banken kennen wir im Einzelnen nicht.
Wann rechnen Sie mit steigenden Zinsen?
Wir rechnen nicht vor Mitte 2011 mit einer Leitzinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank.
Die ZKB konnte 2010 erneut einen starken Zufluss von Nettoneugeldern in der Höhe von 12 Mrd. Franken verzeichnen. Entspricht der Wert Ihren Erwartungen und von welcher Seite sind der Bank Gelder zugeflossen?
Der stattliche Netto-Neugeldzufluss von 12,0 Mrd. Franken stammt zu rund einem Drittel (4,5 Mrd. Franken) von Privatpersonen und zu zwei Dritteln (7,5 Mrd. Franken) von institutionellen Anlegern und Firmen. Wir sind mit diesem Ergebnis zufrieden, da es zeigt, dass sich der sukzessive Ausbau des Anlagegeschäfts für die ZKB bezahlt macht.
Die Zürcher Kantonalbank gibt vom Gewinn 220 Mio. Franken an den Kanton weiter. Könnte dieser Betrag künftig möglicherweise erhöht werden, wenn die Ausschüttungen der Nationalbank an die Kantone massiv reduziert würden?
Die ZKB behält die Gewinnausschüttung für das Jahr 2010 auf hohem Niveau bei. Der Kanton erhält 220 Mio. Franken, während den 171 Gemeinden des Kantons Zürich erhalten 110 Mio. Franken im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl zugewiesen werden.
Wie hat sich die Personalsituation entwickelt? Von der UBS sind die Banker in den letzten Jahren in Scharen abgewandert, u.a. auch zur ZKB. Die UBS scheint die Krise nun überstanden zu haben und sucht wieder Personal. Könnte nun eine Gegenbewegung einsetzen?
Ende 2010 beschäftigte die ZKB 4’972 Mitarbeitende (teilzeitbereinigt). Das sind 147 Mitarbeitende mehr als im Vorjahr (+3,1%), darunter 64 Mitarbeitende der neuen österreichischen Tochtergesellschaft Privatinvest Bank AG. Ein weiterer substanzieller Personalaufbau wird nicht stattfinden. Mit den aktuellen Personalressourcen sollte das anvisierte Wachstum erreichbar sein.
Die ZKB stellt zwar fest, dass der Arbeitsmarkt gegenüber dem Vorjahr wieder mehr Möglichkeiten bietet. Es sind jedoch nur vereinzelt Abgänge von der ZKB in Richtung Grossbanken zu verzeichnen. Die ZKB war aufgrund ihrer Kultur und ihrer auf Nachhaltigkeit angelegten Geschäftspolitik während und im Anschluss an die Finanzmarktkrise für Kunden sowie Mitarbeitende stets eine gesuchte Adresse, und das wird auch so bleiben.
«Die ZKB stellt zwar fest, dass der Arbeitsmarkt gegenüber dem Vorjahr wieder mehr Möglichkeiten bietet. Es sind jedoch nur vereinzelt Abgänge von der ZKB in Richtung Grossbanken zu verzeichnen.»
Wie präsentiert sich Ihr Ausblick auf 2011, welchen Einfluss könnte beispielsweise die anhaltende Frankenstärke, unter der die Exportindustrie leidet, auf die Wirtschaft im Kanton Zürich haben?
Wir sind zuversichtlich, dass die Schweizer Exportindustrie auch im Laufenden Jahr Antworten auf die anhaltend schwierige Wechselkurssituation finden wird. Ziel muss es sein, an den eigenen Stärken zu arbeiten und die Leistungen gegenüber den Kunden permanent zu verbessern, um die höheren Preise aufrecht erhalten zu können. Die grösste Bedrohung für die Schweizer wie auch für die europäische Wirtschaft geht unseres Erachtens jedoch von der hohen Verschuldung der europäischen Peripheriestaaten aus, die auf die grossen europäischen Länder überzugreifen droht.
Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?
Für die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses sind wir optimistisch. Ein vergleichsweise nach wie vor hohes Niveau unserer Bildungsanstalten und ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein sowie die Mehrsprachigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses werden dafür sorgen, dass die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
Fairness und Respekt sind die Grundwerte der ZKB. Sie fördert deshalb die Chancengleichheit ebenso wie den gegenseitigen Respekt zwischen den Mitarbeitenden, unabhängig von deren Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, Religion, körperlicher Verfassung oder Alter.
Herr Scholl, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Martin Scholl ist seit dem 1. Juni 2007 Vorsitzender der ZKB-Generaldirektion. Bis 2005 war Martin Scholl Leiter der Geschäftseinheit Firmenkunden, 2006 übernahm er die Leitung der Geschäftseinheit Privatkunden. Nach Abschluss der Banklehre bei der ZKB hatte er verschiedene Funktionen inne. 2001 war Martin Scholl als Leiter Kreditmanagement tätig und von 1996 bis 2001 als Leiter Vertrieb Geschäfts- und Firmenkunden.
Zum Unternehmen:
Die ZKB ist mit einer Bilanzsumme von über 125 Milliarden Franken die grösste Kantonalbank und die führende Finanzdienstleisterin im Wirtschaftsraum Zürich. Sie bietet ihren Kunden, seien es Privat- oder Geschäftskunden oder die öffentliche Hand, eine umfassende Palette von Finanzdienstleistungen an. Mit über 100 Geschäftsstellen unterhält die ZKB das dichteste Bankfilialnetz im Kanton Zürich. Die Zürcher Kantonalbank gehört zu 100 Prozent dem Kanton Zürich.