Martin Steiger, CEO Energiedienst Holding, im Interview

Martin Steiger

Martin Steiger, CEO Energiedienst Holding. (Foto: zvg)

Martin Steiger, CEO Energiedienst Holding. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com. Herr Steiger, die Energiedienst Holding hat im Geschäftsjahr 2015 deutlich tiefere Gewinnzahlen geschrieben. Welche Ursachen sind dafür verantwortlich?

Martin Steiger: Vor allem exogene Faktoren haben uns im vergangenen Jahr zu schaffen gemacht. Zum einen sind die Grosshandelspreise für Strom weiter gesunken. Dies führte zu einer Verringerung unserer Marge. Zum anderen war das Jahr 2015 in der zweiten Jahreshälfte sehr trocken. Unsere grossen Wasserkraftwerke am Hochrhein konnten deshalb deutlich weniger produzieren. Der starke Schweizer Franken hat zudem den Wettbewerbsdruck in der Schweiz erhöht und sich negativ auf uns ausgewirkt.

Der Stromabsatz nahm um 13 % ab. Während der Stromabsatz bei Privat- und Geschäftskunden in Deutschland gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen ist, sank der Absatz an Weiterverteiler um 25 Prozent. Was macht Ihnen in diesem Bereich zu schaffen?

Unter anderem verursachen im Kundensegment Weiterverteiler Wettbewerber einen massiven Preisdruck mit billigen Herkunftsnachweisen für Ökostrom, der aus den skandinavischen Ländern, vor allem aus Norwegen, stammt. Das entwertet das Ökoprädikat unseres Qualitätsprodukts NaturEnergie: Als Folge nehmen die von uns zur Öko-Qualitätssicherung getätigten SWAP-Geschäfte ab. Und wegen dieser billigen Herkunftsnachweise tut sich auch unser Vertrieb mit dem Verkauf von NaturEnergie ausserhalb unseres Heimatmarkts zunehmend schwer.

«Unter anderem verursachen im Kundensegment Weiterverteiler Wettbewerber einen massiven Preisdruck mit billigen Herkunftsnachweisen für Ökostrom.»
Martin Steiger, CEO Energiedienst Holding

Wie präsentierte sich das Geschäft in der Schweiz?

Im Grunde hat sich das Geschäft in der Schweiz ähnlich gezeigt wie das in Deutschland. Auch hier waren wir durch die tiefen Grosshandelspreise geprägt. Aber der starke Franken hat zudem den Wettbewerbsdruck noch einmal zusätzlich erhöht. Auch in der Schweiz ist deshalb der Stromabsatz gesunken.

Sie sagen, die Lage der Energiebranche sei schwieriger denn je. Wie beschreiben Sie das Marktumfeld?

Das Marktumfeld hat sich im vergangenen Jahr nicht stabilisiert. Die Grosshandelspreise für Strom kennen weiterhin nur eine Richtung: nach unten. Das hat zur Folge, dass nicht nur für uns, sondern für alle Energieversorger die Margen weiter schrumpfen. Die bewährten Geschäftsmodelle funktionieren so nicht mehr. Auch das gilt für alle etablierten Energieversorger, die zum Teil drastische Konsequenzen gezogen haben. Hinzu kommt, dass die staatliche Regulierungen zunehmen und immer weniger Spielraum für unternehmerisches Handeln besteht.

Ökostrom aus Wasserkraftwerken ist Ihr Kerngeschäft. Welche Folgen hat ein solch trockener Sommer wie im vergangenen Jahr?

Das Jahr 2015 hatte an sich mit einer hervorragenden Produktion unserer Wasserkraftwerke im ersten Halbjahr begonnen. Doch dann folgte ab Juli eine Trockenperiode, die dazu führte, dass wir rund 89 Mio. Kilowattstunden weniger produziert haben als erwartet. Entsprechend weniger Strom konnten wir verkaufen. Als Ökostromproduzent mit über 100-jähriger Erfahrung wissen wir aber mit dem Wetter umzugehen. Man muss wissen, dass es nicht nur gute Produktionsjahre gibt, da man einfach vom Wetter abhängig ist. Das haben wir in unsere langfristige Planung einkalkuliert.

«Als Ökostromproduzent mit über 100-jähriger Erfahrung wissen wir aber mit dem Wetter umzugehen.»

Mit die grössten Investitionen tätigten Sie im vergangenen Jahr in Photovoltaik-Anlagen. Zahlen sich die Investitionen in diesem Bereich bereits aus?

Fast 18 Millionen Euro steuerte die Photovoltaik mit dem Projekt- und Grosshandelsgeschäft zum Betriebsertrag im Jahr 2015 schon bei. Auswirkungen auf das EBIT hatte sie aber noch nicht. Wir sind noch im Aufbau und viele Anfangsinvestitionen sind nötig. Aber bereits ab 2016 erwarten wir einen positiven Beitrag, der in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen soll.

Auch der Vertrieb von klimaneutralem Gas floriert, ein Bereich der sich ja immer noch im Aufbau befindet. Wie hoch ist die Wechselbereitschaft der Kunden in diesem Segment?

Die Wechselbereitschaft ist deutlich geringer als wir das aus dem Stromgeschäfts kennen. Aber es gelingt uns dennoch, durch attraktive Angebote Kunden zum Wechsel zu motivieren und so unser Gasgeschäft sukzessive auszubauen. Im Moment noch aufgrund der niedrigen Ausgangsbasis mit einer Steigerungsquote von rund 50 Prozent je Jahr.

Welche Wachstumszahlen erwarten Sie auf längere Sicht für Ihr Gasgeschäft?

Für uns ist das Gasgeschäft eine Ergänzung zum Strom, da diese beiden Energieträger zusehends konvergieren.

«Im Zusammenspiel mit den anderen Unternehmensteilen gewinnen Wärme- und Energielösungen und die Photovoltaik an Bedeutung.»

Energielösungen sind neben der Energieversorgung das zweite Standbein der Energiedienst Holding. Welche Zwischenziele wurden beim bisherigen Aufbau erreicht?

Unser junger Geschäftsbereich Wärme- und Energielösungen hat sich im vergangenen Jahr etabliert. Bei der Industrie, bei Kommunen und der Wohnungswirtschaft ist er inzwischen ein gefragter Ansprechpartner. Er ist beispielsweise inzwischen mit zehn Quartierskonzepten in verschiedenen Kommunen beauftragt worden. Sieben davon sind erstellt, von ihnen werden sechs umgesetzt. Bei einigen Quartierskonzepten hat die Gemeinde Energiedienst auch mit der Umsetzung beauftragt. Zudem haben wir im vergangenen Jahr zusammen mit der TriEnergy die Tritec AG gegründet. So kommen 25 Jahre Erfahrung in der Photovoltaik ins Unternehmen.

Welche aktuellen Projekte verfolgen Sie im Energielösungs-Bereich?

Im Zusammenspiel mit den anderen Unternehmensteilen gewinnen Wärme- und Energielösungen und die Photovoltaik an Bedeutung. Über die Tritec AG entwickeln wir Dienstleistungen und Produkte, die den Kunden helfen, ihren mit PV-Modulen erzeugten Strom besser als bisher selbst zu verbrauchen. Das ist in Zeiten schwindender staatlicher Förderungen wie der Vergütung nach dem Erneuerbaren Energie Gesetz in Deutschland und der Kostendeckenden Einspeise-Vergütung in der Schweiz, eine lohnenswerte Sache.

Um weitere neue Geschäftsfelder zu fördern, haben wir zudem gerade den Unternehmensbereich «Innovation und Neue Geschäftsfelder» geschaffen. Er soll Geschäfte identifizieren und entwickeln, die mittelfristig einen zusätzlichen EBIT-Beitrag liefern können.

Welche Erwartungen sind mit dem laufenden Geschäftsjahr verbunden?

Die Energiewelt wird sicherlich nicht einfacher werden. Die Grosshandelspreise bleiben unten. Also werden wir weiter daran arbeiten, uns neue Einnahmequellen zu erschliessen. Wir bleiben aber unserer Unternehmensphilosophie als ökologisch ausgerichtete Unternehmensgruppe treu. Die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, der Vertrieb von Strom und Gas sowie die Tätigkeit als Netzbetreiber bleiben weiterhin als unser Kerngeschäft sehr wichtig. Auf dieser guten Basis werden wir mit neuen Dienstleistungen, die den Bedürfnissen unserer Kunden entsprechen, aufbauen. Im laufenden Geschäftsjahr werden wir dies forcieren.

Letzte Frage: Als bi-nationales, grenzüberschreitend tätiges Unternehmen ist die Energiedienst Holding stark von der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative betroffen. Auch das Stromabkommen mit der EU spielt in diese Frage hinein. Wie beurteilen Sie die Situation gut zwei Jahre nach der Abstimmung?

Sowohl die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative als auch das davon abhängige Stromabkommen mit der EU bereiten uns grosse Sorgen. Eine weitere Abschottung der Schweiz ist für Energiedienst, die Grenzregion am Hochrhein und auch für die Schweiz unvorteilhaft.

Herr Steiger, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Kurzvita Martin Steiger

Energiedienst Holding
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