Martin Wittwer, CEO TUI Suisse
Martin Wittwer, CEO TUI Suisse. (Foto: TUI Suisse)
Von Peter Stöferle
Moneycab: Herr Wittwer, TUI Suisse hat diesen Sommer ein Buchungsplus von 9% für Badeferien im Nah- und Mittelbereich verzeichnet. Welche Destinationen sind besonders gefragt?
Martin Wittwer: Diesen Sommer sind die Mittelmeerdestinationen sehr gut gebucht worden. Unser Renner ist Mallorca mit einem Buchungszuwachs von 18 % gegenüber dem Vorjahr, aber auch Griechenland und Italien verzeichneten ein deutliches Plus von je 12 %. Auch die Türkei hatte einen guten Start, litt im Herbst jedoch etwas unter der unsicheren Situation.
Schöpft sich der Zugewinn aus Anteilen von der Konkurrenz, oder sind noch nicht alle Schweizerinnen und Schweizer am Reisen?
Der Schweizer Markt ist im Sommer mehr oder weniger gleich gross geblieben wie im vergangenen Jahr. Wegen der tieferen Preise nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses sind trotz einem Plus bei den Gästen die Umsätze hingegen zurückgegangen. Wir gehen bei TUI Suisse davon aus, dass wir etwas Marktanteile hinzugewonnen haben.
Und wie gesättigt ist der Schweizer Markt?
Von der Reiseintensität her ist der hiesige Markt gesättigt. Entsprechend ist eine Marktverdrängung angesagt. Der Wettbewerb läuft entweder über eine Differenzierungs- oder Exklusivstrategie sowie über das beste Preis-Leistungsangebot. Mitentscheidend sind dabei die Technologie und die Bewirtschaftung der unterschiedlichen Vertriebskanäle.
Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses sind die Preise der Angebote von TUI Suisse, die in Euro eingekauft werden, um rund 15 % gesenkt worden. Trotzdem gehen Schweizer Kunden nach Deutschland um zu buchen. Was unternehmen Sie dagegen?
Wichtig ist, dass wir darlegen können, dass vergleichbare Reisen in der Schweiz nicht teurer sind, als wenn sie im Euro-Ausland gebucht werden. Nach dem 15. Januar 2015 ist ein richtiger Hype entstanden, wovon nicht nur der Tourismus, sondern auch andere Branchen und der Konsum allgemein betroffen sind. Wir werden unserer Reiseangebote, deren Preise auf dem Euro basieren, weiterhin zu einem aktuellen Wechselkurs umrechnen und dies den Kunden verstärkt kommunizieren. Ich bin überzeugt, dass der ursprüngliche Trend weiter abflachen wird, zumal der Eurokurs wieder etwas gestiegen ist und deshalb vermehrt in der Schweiz gebucht wird.
«Es gibt nicht einen Kunden für das Internet oder einen Kunden für das Reisebüro, sondern es gibt einen TUI Kunden, und ihn wollen wir auf beiden Kanälen erreichen.»
Martin Wittwer, CEO TUI Suisse
Die zum Teil um 15 % tieferen Preise schlagen auf Umsatz und Gewinn. Was bedeutet das für Sie?
Die Reisebranche muss die Kosten zwangsläufig um 15 % reduzieren. Wir setzen hier beim Marketing, vor allem bei den Sach- aber auch bei den Personalkosten an. Die günstigeren Reiseangebote sollten jedoch unser Geschäft positiv beeinflussen und mehr Volumen generieren. Davon profitiert der Outgoing-Tourismus – im Gegensatz zum Incoming-Bereich – der die Kosten ebenfalls zurückfahren muss, aber weiterhin unter dem starken Franken leidet.
Die Digitalisierung ist auch für die Reisebranche eine grosse Herausforderung. Wie stellt sich TUI Suisse diesen Veränderungen?
Indem wir nicht dagegen ankämpfen, sondern den Online- und den Offline-Kanal miteinander verbinden. Es gibt nicht einen Kunden für das Internet oder einen Kunden für das Reisebüro, sondern es gibt einen TUI Kunden, und ihn wollen wir auf beiden Kanälen erreichen: Online, indem wir in die richtige Technologie investieren, und offline, indem wir die Digitalisierung auch nutzen wie Reiseportal, ticketloses Reisen etc. So können wir dem Kunden aufzeigen, dass wir aktuell sind und ihn on- und offline abholen können.
«Unsere Concept Stores entsprechen unserer Strategie, On- und Offline miteinander zu verbinden.»
Die fortschreitende Digitalisierung äussert sich auch beim Dynamic Pricing, indem Airlines und Hotels ihre Preise dynamisch gestalten. Wie kommt das bei Ihren Kunden an? Werden sie nicht verunsichert, wenn Angebote an unterschiedlichen Tagen zu verschiedenen Preisen erhältlich sind?
Es ist richtig, dass wir unsere Preise dynamisch nach unten und oben anpassen und die Angebote bei der Buchungsanfrage paketieren und berechnen. Für den Kunden kann ein Reisearrangement von heute beispielsweise 1‘490 Franken morgen plötzlich 110 Franken mehr kosten. Dies bedingt ein Umdenken in den Verkaufsgesprächen. Die tagesaktuellen Preise charakterisieren unser Geschäft. Sie werden durch das Angebot und die Nachfrage auf den Reiseplattformen bestimmt. Die Details in den Preislisten werden je länger je mehr durch Richtpreise ersetzt. Diese Veränderung müssen wir verständlich kommunizieren.
Im Juni ist in Einkaufszentrum Glatt in Wallisellen der erste TUI Suisse Concept Store eröffnet worden. Um was handelt es sich hierbei?
Unsere Concept Stores entsprechen unserer Strategie, On- und Offline miteinander zu verbinden. Und das nicht nur in Worten, sondern in ersten Ansätzen nun auch praktisch. In den umgebauten Reisebüros im Glattzentrum, Bremgarten und Luzern-Zürichstrasse verzahnen wir die klassische Reisebürowelt mit neuen, digitalen Medien. Damit zeigen wir unseren Kunden: Wir sind aktuell im Angebot und wir haben die aktuellen Preise. Der Kunde verlangt diese. Und etwas ist uns ganz wichtig: Die Kunden erleben wie das Internet und das Reisebüro zusammenhängen und sich ergänzen. Wir bieten eine attraktive Mischung aus virtueller Inspiration und individueller Beratung.
Wie kann man sich das vorstellen?
Ein klassisches Beispiel: Ich komme an einem Freitag in das TUI Reisebüro im Glattzentrum und buche dort meine Reise. Am Wochenende kommen meine Frau und ich überein, dass wir den Zimmertyp ändern möchten. Dies kann ich nun von zuhause aus über das Internet vornehmen. Umgekehrt läuft es genau gleich: Ich mache meine Internet-Buchung; ich habe dazu aber noch eine Frage. Also gehe ich in das TUI-Reisebüro und kann dort, nebst den Reise-Unterlagen, die heute vollständig digitalisiert sind, gleich noch ein paar Tipps vom Profi abholen oder einen Mietwagen buchen. Diese Kanäle müssen wir auf jeden Fall miteinander verknüpfen.
Lässt sich dazu bereits ein erstes Fazit ziehen?
Ja. Die Rückmeldungen der Kunden, ob jung oder alt, sind insgesamt sehr positiv. Die innovative, grosszügige Gestaltung und das greifbare Ferien-Feeling kommen gut an. Wir wissen deshalb, dass dies der Weg ist, denn wir und unsere Kunden beschreiten wollen. Unsere Kunden wollen den Komfort eines Reisebüros; sie wollen aber auch die die Vorteile wie die Schnelligkeit des Internets nutzen. Jährlich werden wir bis zu fünf Filialen nach dem neuen Konzept umgestalten und den Kunden ein rundum individuelles Markenerlebnis bieten.
«Ganz wichtig ist für mich, schnell entscheiden und dabei gleichzeitig Menschlichkeit als auch Emotionalität leben zu können.»
TUI Suisse ist Teil der TUI Group, dem weltweit führenden Touristikkonzern. Welche Mehrwerte erwachsen Ihren Kunden aus dieser Verbindung?
Ein wichtiger Mehrwert ist die Breite und Tiefe der Angebote mit den exklusiv bei TUI buchbaren Hotelanlagen und Kreuzfahrtschiffen aufgrund der internationalen Grösse. Ein weiterer Mehrwert ist fraglos die ganze Professionalität, inklusive jene im Zielgebiet und in der Sicherheit. Um es kurz zu sagen: Wir sind überall auf der Welt präsent. Last but not least verfügen wir aufgrund unserer Grösse über eine Einkaufsmacht, die sich in guten Preisen, aber auch in Verfügbarkeiten ausdrückt. TUI ist überall bekannt und wenn man bekannt ist und über einen guten Ruf verfügt, kann der Kunde davon profitieren.
Sie sind seit 1999 an der Spitze von TUI Suisse. Was ist Ihnen beim Führen wichtig? Welches sind Ihre Grundsätze?
Ganz wichtig ist für mich, schnell entscheiden und dabei gleichzeitig sowohl Menschlichkeit als auch Emotionalität leben zu können. Das Geschäft und die Prozesse mit den Abhängigkeiten will ich kennen und verstehen. Respekt, Verständnis und Kommunikationsfähigkeit bedeuten mir sehr viel. So möchte ich Vorbild sein, aber nicht abgehoben in einer starren Hierarchiestruktur.
Was finden die Mitarbeitenden bei TUI Suisse als Arbeitgeber, und was wird von Ihnen aber auch erwartet?
Im Tourismus zu arbeiten ist für mich eine der schönsten Berufstätigkeiten überhaupt. Wir verwirklichen die Ferienträume von Menschen. Viele Mitarbeitende können auf diese Weise ihr Hobby zum Beruf machen – unsere Erwartung ist jedoch, dass sie sehr engagiert, sehr dienstleistungsorientiert sind. Dienstleistung heisst dienen und leisten, und genau um das geht es mir: Wir brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche diese Philosophie mit Herzblut umsetzen.
Herr Wittwer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Zur Person:
Martin Wittwer (54) leitet TUI Suisse Ltd als CEO seit 1999. Der Berner Oberländer lernte den Tourismus ab 1983 zuerst als Leiter Sport im Hotel Tirreno auf Sardinien kennen. 1985 wechselte er zu Kuoni Schweiz. Dort war er u.a. als Product Manager Twen Club, Leiter Werbung/Marketing Services, Direktor des damaligen Reisbüros Popularis in unterschiedlichen Funktionen tätig. Vor seinem Wechsel zu TUI Suisse führte der eidg. dipl. Marketingleiter als Direktor/GL-Mitglied den Vertrieb. Wittwer engagiert sich im Vorstand des SRV, als Stiftungsrat im Garantiefonds der Schweizer Reisebranche und der Laureus Foundation Switzerland. 2009 wurde er mit dem «travel manager Personality Award» als Persönlichkeit der Tourismusbranche ausgezeichnet. Wittwer ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Zum Unternehmen:
Die TUI Suisse Ltd ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der TUI Group mit Sitz in Hannover (Deutschland). Neben der Kernmarke TUI gehören die Marken 1-2-FLY und airtours zum Unternehmen. Exklusiv in der Schweiz vertreibt TUI Suisse die exklusiven Hotelmarken wie RIU, ROBINSON, TUI Magic Life, Best Family oder Sensimar sowie die Studien- und Erlebnisreisen der Marken Gebeco Länder erleben, Dr. Tigges und goXplore. Der Vertrieb läuft über 69 eigene Reisebüros (TUI ReiseCenter und TUI Agence de voyages), unabhängige Reisebüros in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz und über das Online-Portal TUI.ch.