Matthias Reinhart, Gründer und CEO VZ Gruppe, im Interview

Matthias Reinhart, Gründer und CEO VZ Gruppe, im Interview
Matthias Reinhart, Konzernchef der VZ Holding. (Foto: zvg)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Herr Reinhart, im Februar hat die VZ Gruppe noch ein gutes Jahresergebnis für 2019 vorlegen können. Seither ist die Welt eine andere. Können Sie bereits abschätzen, wie sich die Corona-Pandemie auf den Geschäftsgang auswirken wird?

Matthias Reinhart: Unser Geschäftsmodell ist langfristig ausgerichtet. Darum ist es sehr krisenresistent. Aber klar: Auch wir werden die Folgen zu spüren bekommen. In der Vermögensverwaltung dürften die Assets under Management kurzfristig unter Druck geraten. Vorübergehend wird sich das auch in den Erträgen niederschlagen. Etwas verlangsamen wird sich auch die Gewinnung von neuen Beratungskunden. Grund ist, dass die Schweizerinnen und Schweizer weniger Termine ausser Haus wahrnehmen konnten; und nach wie vor ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die anderen Geschäftsbereiche sind weniger betroffen.

Wie haben Sie den Betrieb in den Filialen aufrechterhalten?

Wir haben die Massnahmen des Bundesrats in allen Niederlassungen konsequent umgesetzt, um die Mitarbeitenden zu schützen und den ordentlichen Betrieb weiterzuführen. Wie die meisten Firmen mussten auch wir uns neu organisieren. Sonst hätte es nicht geklappt, die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten. Wir haben beispielsweise auf Schichtbetrieb und Homeoffice umgestellt; noch heute arbeiten viele Mitarbeitende zu Hause. Gleichzeitig haben wir die Besprechungszimmer mit Schutzwänden aus Plexiglas ausgerüstet, um die Kunden weiterhin vor Ort treffen zu können. Wo es möglich war, haben wir unsere digitalen Kanäle genutzt und die Kunden via Videoberatung oder Webinaren unterstützt. Das hat gut funktioniert, insbesondere bei der Betreuung der bestehenden Kunden.

Wie hat die Mehrheit Ihrer Kunden reagiert, resp. wie hat das VZ die Kunden beruhigt, wie wurde der Kontakt gehalten / gesucht?

Die meisten haben die Situation richtig eingeschätzt und waren sehr verständnisvoll. Viele haben es geschätzt, dass wir die Betreuung «auf Distanz» intensiviert haben. Zusätzlich zu den erwähnten Massnahmen haben wir zum Beispiel schon früh einen «Corona-Newsletter» eingerichtet. So konnten wir mindestens einmal pro Woche die wichtigsten Fragen zu den Geldanlagen beantworten. Das gab den Kunden Sicherheit in dieser ausserordentlichen Lage. Das Virus hat unsere Gewohnheiten völlig auf den Kopf gestellt – zu Hause wie am Arbeitsplatz. Die teils radikalen Umstellungen verlangten sehr viel Geduld und Flexibilität. Darum war für mich insbesondere wichtig, wie unsere Mitarbeitenden reagieren würden. Sie alle haben am gleichen Strick gezogen. Das hat mich sehr stolz gemacht.

«Sollte die aktuelle Krise einmal überstanden sein, werden wohl die ungelösten strukturellen Probleme die Märkte wieder einholen – vor allem die enorme Verschuldung vieler Volkswirtschaften.»
Matthias Reinhart, CEO VZ Gruppe

Der Einbruch an den Börsen liess die Zinsen am Kapitalmarkt steigen. Wird das auf den Hypothekarmarkt durchschlagen?

Der Anstieg der Zinsen am Kapitalmarkt wirkte sich direkt auf die Zinsen langfristiger Hypotheken aus, denn zu diesen Sätzen sichern die Banken die Langfristzinsen ab. Das dürfte aber eine kurzfristige Erscheinung sein. Von generell steigenden Hypothekarzinsen sind wir weit entfernt. Sollte die aktuelle Krise einmal überstanden sein, werden wohl die ungelösten strukturellen Probleme die Märkte wieder einholen – vor allem die enorme Verschuldung vieler Volkswirtschaften. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die massgebenden Notenbanken ihre Leitzinsen noch weiter senken könnten.

Wie stabil ist der CH-Immobilienmarkt Ihrer Meinung nach?

Der Markt für privat genutzten Wohnraum dürfte von der Krise kaum betroffen sein. In den letzten Jahren wurden die Tragbarkeits- und Belehnungsregeln klar verschärft. Es ist daher wenig wahrscheinlich, dass sich hier Ausfälle von Hypotheken häufen und es zu Notverkäufen kommt. Bei Gewerbeflächen und kommerziell genutzten Liegenschaften wäre ein Nachfragerückgang denkbar. Aus heutiger Sicht ist das aber «Kaffeesatz-Lesen».

Wie schätzen Sie die gesamtwirtschaftlichen Folgen für die Schweiz ein?

Für viele Unternehmer sind die Folgen dramatisch. Kleine und Kleinstfirmen leiden enorm – zum Beispiel die Betriebe aus der Gastronomie, Hotellerie und dem Tourismus. Meine Einschätzung für die Zukunft ist: Erstens wird der Staat mit grosser Wahrscheinlichkeit stärker ins Wirtschaftsgeschehen eingreifen – und es wird weniger dereguliert. Zweitens nimmt die Staatsverschuldung massiv zu. Das schränkt den Spielraum für fiskalpolitische Massnahmen ein. Gleichzeitig bauen wir mit dem immer grösseren Schuldenberg ein Generationenproblem auf. Drittens werden wir auch in der Schweiz eine teilweise Deglobalisierung spüren – also mehr Handelsprotektionismus, neu gestrickte Lieferketten und eine grössere Vorratshaltung. Viertens werden wir grosse Fortschritte in der Digitalisierung sehen. Einige Unternehmen und Institutionen dürften hier einen Quantensprung machen. Und fünftens gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung.

«Der Staat mit grosser Wahrscheinlichkeit stärker ins Wirtschaftsgeschehen eingreifen – und es wird weniger dereguliert.»

Müssen Anleger sich neu positionieren?

Diese Frage wird uns in Beratungsgesprächen sehr oft gestellt. Gerade nach einer Korrektur an den Börsen kann die Aufteilung im Wertschriftendepot durcheinandergeraten. Dann sollte man die Gewichtungen der Anlageklassen auf die ursprüngliche Strategie zurückführen. Grundsätzlich gilt aber: Wer seine Anlagestrategie sorgfältig hergeleitet hat, sollte auch jetzt daran festhalten. Nur so stellt man den langfristigen Anlage-Erfolg sicher, den man mit dieser Strategie anstrebt. Bei der Definition der Strategie muss man sich als Anleger ausdrücklich überlegen, welche Verluste man verkraften kann und akzeptieren will. In einer Marktphase, in denen die Kurse stark schwanken, sollte man sich an diese Überlegungen erinnern. Viele Anleger lassen sich aber vom Auf und Ab an den Börsen zu hektischen Umschichtungen verleiten – mit fatalen Folgen für die Rendite.

Viele wünschen sich einen «grünen» Neustart nach der Pandemie, bei dem nachhaltige Aspekte von vorneherein berücksichtig werden. Halten Sie das für realistisch?

Ich gehe davon aus, dass nachhaltige Aspekte klar an Bedeutung gewinnen, sei es im Konsum, im gesellschaftlichen Zusammenleben, bei den Geldanlagen oder in der Wirtschaft. Die Mehrheit der Firmen dürfte hier grosse Fortschritte machen wollen – oder müssen. Ich denke zum Beispiel an eine «Social Licence to Operate»: Ähnlich wie die Richtlinien zur Corporate Governance dürften sich Firmen in Zukunft zunehmend an verbindliche operative Standards halten, um umwelt- und sozialverträglich zu wirtschaften. Offen bleibt aber die Frage, ob das genügen wird, um die Klimaziele zu erreichen.

Was wünschen Sie sich von einem «New Normal» – was sich hoffentlich bald einstellen wird?

Spontan wünsche ich mir, wieder in einen Modus Operandi zu kommen wie vor dem Ausbruch der Pandemie. Es dürfte aber noch einige Zeit dauern, bis der normale Alltag in unserem Arbeits- und Privatleben zurückkehrt. Vorläufig müssen wir mit der Bedrohung durch das Virus weiterleben. In gewissen Bereichen der gesellschaftlichen Interaktion wird das langfristige Spuren hinterlassen. Zum Beispiel in der Organisation und Durchführung von Massenveranstaltungen. Oder in der Mobilität jedes einzelnen Menschen.

«Wir werden unsere Erfolgsgeschichte auch in dieser Situation weiterschreiben.»

Und wie wird Ihr Betrieb zurück in die Normalität finden?

Für unser Geschäft bin ich sehr zuversichtlich. Wir werden unsere Erfolgsgeschichte auch in dieser Situation weiterschreiben. Das Bedürfnis nach spezialisierter Honorarberatung nimmt zu. Ein Beispiel: Schon vor dem Ausbruch der Pandemie war es alles andere als banal, seine Pensionierung vorzubereiten. Denn es gehören schwierige Entscheidungen dazu, die den Lebensstandard im Alter prägen. Diese Fragen sind jetzt noch dringender geworden, weil die Pandemie und die bevorstehende Rezession unser Vorsorgesystem zusätzlich unter Druck setzen.

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