Max Meister, Co-Founder Swiss Ventures Group, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Meister, wie beschreiben Sie die Risikokapitalszene hinsichtlich Startups in der Schweiz?
Max Meister: Grundsätzlich ist die Entwicklung positiv. Mit CHF 2.6 Milliarden Risikokapital im ersten Halbjahr 2022 setzten Schweizer Startups erneut eine klare Bestmarke. Man kann die Antwort aus zwei unterschiedlichen Perspektiven geben. Erstens aus der Sicht von Jungunternehmen. Hier ist die Situation sehr erfreulich. Es gibt kein innovativeres Land als die Schweiz, wir verfügen über erstklassige Hochschulen und sehr talentierte Gründerinnen und Gründer. Aus der Perspektive von Investoren sieht die Bilanz durchzogen aus. Es wurde 2021 zwar so viel in Schweizer Startups investiert wie noch nie. Gemessen am Potenzial, also dem verfügbaren Kapital, haben wir aber noch grosses Aufholpotenzial. Vor allem institutionelle Anleger sind in der Schweiz deutlich passiver als in ausländischen Märkten.
Generell lässt sich aber festhalten, ob die Schweiz für Startups ein gutes Pflaster ist?
Ja, denn die Schweiz bietet hervorragende Bedingungen, um ein Startup zu gründen. Es gibt sicherlich Themen, an denen wir arbeiten müssen, etwa gewisse administrative Prozesse oder steuerliche Aspekte wie die Besteuerung von Vermögen nicht realisierter Beteiligungsverkäufe, wobei hier in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt worden sind. Suboptimal für Startups ist auch das hohe Lohnniveau, das dazu führt, dass etliche Prozesse ins Ausland verlagert werden, was nicht immer von Vorteil ist.
«Die Schweiz bietet hervorragende Bedingungen, um ein Startup zu gründen. Es gibt aber sicherlich Themen, an denen wir arbeiten müssen.»
Max Meister, Co-Founder Swiss Ventures Group
In wie viele Startups investiert die Swiss Ventures Group durchschnittlich pro Jahr?
2021 haben wir in über 30 Firmen investiert, womit wir einer der aktivsten Investoren hierzulande sind. Dieses Jahr rechnen wir mit einer ähnlich hohen Anzahl, für 2023 gehen wir davon aus, dass wir in 50-bis 60 Jungunternehmen investieren werden, da wir dann zwei neuen Fonds anbieten werden. Hilfreich dabei: Kürzlich hat unsere Tochterfirma Serpentine Ventures als erster Schweizer Venture Asset Manager eine FINMA-Lizenz als Verwalter von Kollektivvermögen erhalten.
Wie eruieren Sie das Potenzial der Jungunternehmen?
Es gibt grundsätzlich zwei Ansätze. Viele Investoren gehen sehr stark datengetrieben vor und versuchen, basierend auf proprietären oder eingekauften Daten, Trends zu entdecken oder sogar konkrete Startups zu finden. Der andere Ansatz basiert mehr auf der Erfahrung der Investoren und es geht darum Startups zu scouten und basierend auf einer fundierten Analyse zu entscheiden, ob man investieren wird. Beide Ansätze haben ihr Gutes und deshalb kombinieren wir mit dem Team das Beste beider Welten. Grundsätzlich sind Gründungsteam, Marktpotenzial und der Product-Market Fit die wichtigsten Aspekte bei der Definierung des Potenzials.
Gibt es denn das ideale Gründerteam für ein Jungunternehmen?
Ja. Es ist uns sehr wichtig, dass wir in ein Team investieren und nicht in eine Einzelperson, da wir der Überzeugung sind, dass ausschliesslich Teams in der Lage sind, erfolgreiche Startups aufzubauen, wobei es natürlich bekannte Ausnahmen gibt.
Zweitens möchten wir in komplementäre Teams investieren. Die sich ergänzenden Stärken sollten also auf verschiedene Personen verteilt sein. Drittens investiere ich gerne in Teams mit hoher Diversität, sprich in interkulturelle und geschlechtlich diverse Teams.
Und wie unterstützen Sie die Unternehmen über Investitionen hinaus im täglichen Geschäft?
Wir sind ein relativ aktiver Investor und bringen uns – falls dies gewünscht ist – aktiv ein. Dies kann beispielsweise über ein aktives VR- Mandat sein oder auch sehr operativ. Wir stellen dies einerseits über unser Portfolio-Management sicher, welches die Startups sehr aktiv unterstützt, anderseits bieten wir über die Swiss Ventures Group Dienstleistungen in den Bereichen Rechtsberatung, Buchhaltung und Finanzmanagement an, die von den Startups rege nachgefragt werden.
In welchen Branchen ist die Finanzierung besonders einfach bzw. schwierig?
Aktuell liegen Startups im B2B-SaaS-Bereich, Material Sciences oder Food Processing hoch im Kurs. Auf der anderen Seite der Skala sind derzeit Firmen im Gaming oder Bereich E-Commerce, die aktuell schwer zu finanzieren sind, was nicht heisst, dass diese per se nicht interessant sind.
«Aktuell liegen Startups im B2B-SaaS-Bereich, Material Sciences oder Food Processing hoch im Kurs.»
Und wo sehen Sie noch Potenzial?
Neben den oben genannten Branchen hat Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) in den nächsten Jahren ein grosses Marktpotenzial. Cybersecurity wird auf Grund der vielen globalen Herausforderungen eine hohe Nachfrage von interessierten Unternehmen auslösen. Cleantech Startups erleben gerade eine Renaissance und Jungfirmen, die Lieferkettenprobleme für Unternehmen lösen, sind sehr vielversprechend. Ein Geheimtipp sind Startups aus dem nuklearen Bereich, da unsere Energieprobleme so schnell nicht verschwinden werden.
Wie reagieren Sie, wenn Beteiligungen in Schieflage geraten?
Wir sprechen mit dem Management und probieren Einfluss zu nehmen. Wobei ich klar sagen muss, dass wir uns in diesem Punkt von Private Equity unterscheiden. Ein substanzieller Teil der VC Investments wird die Kapitalkosten nicht einspielen, das ist Teil des Geschäfts. Unsere primäre Aufgabe ist es, die besten Unternehmen in unserem Portfolio auszuwählen und diese bis zum Exit zu begleiten und nicht die wenig erfolgreichen Unternehmen aufzupäppeln und mitzuschleppen.
«Wenn Unternehmen in Schieflage geraten, sprechen wir mit dem Management und probieren Einfluss zu nehmen. Wobei ich klar sagen muss, dass wir uns in diesem Punkt von Private Equity unterscheiden. Ein substanzieller Teil der VC Investments wird die Kapitalkosten nicht einspielen, das ist Teil des Geschäfts.»
Sie haben Serpentine Ventures angesprochen. Der Investment-Arm der Swiss Startup Group listet derzeit 46 Unternehmen in fünf Fonds, darunter dem Rookie Fonds. In welchem Stadium befinden sich diese Unternehmen?
In unserem Venture Building Funds sind Startups vertreten, die wir aus der Swiss Startup Factory, unserem Venture Builder, ausgegründet haben. Seit 2021 haben wir 4 Ausgründungen durchgeführt (unter anderem denQuick-Delivery-Anbieter Stash). Im Rookie Fund – unserem Pre-Seed Fund – haben wir 24 Portfolio-Gesellschaften, im Flagship Fund – das ist unser Midstage Venture Fund – 16 Firmen. Im Swiss Diabetes Venture Fund sind es 3 Unternehmen. Hinzu kommt das Portfolio, das wir seit der Gründung aus der Bilanz der Swiss Ventures Group aufgebaut haben und das weitere Beteiligungen enthält. Aus letzterem konnten wir in den vergangenen 12 Monaten 3 erfolgreiche Exits durchführen, weitere werden folgen.
Wie beurteilen Sie das Potenzial des Diabetes-Themenfonds?
Zuerst einmal konnten wir mit der Familie Michel und dem Diabetes Center Bern (DCB) zwei enorm wertvolle Partner gewinnen. Zweitens ist Diabetes ein global extrem wichtiges Thema, das künftig an Relevanz gewinnen wird. Drittens gibt es weltweit keinen Fonds, der sich ausschliesslich auf Early Stage Diabetes Tech Ventures fokussiert. Nicht zuletzt konnten wir mit Craig Cooper einen Investment Director gewinnen, der dank seinen Kontakten an erstklassige Opportunitäten herankommt.
Ich kann hier verraten, dass wir aller Voraussicht nach in Kürze einen zweiten weltweit tätigen Themenfonds im Gesundheitsbereich lancieren werden. Es bleibt spannend.
«Wir werden aller Voraussicht nach in Kürze einen zweiten weltweit tätigen Themenfonds im Gesundheitsbereich lancieren.»
Wo stehen Sie mit dem für das laufende Jahr geplanten Growth Fund?
Der Fund ist fertig strukturiert und wir haben das Team rekrutiert. Unser Growth Fund kann vom einem exklusiven Dealflow des Flagship Funds profitieren und hat mit CHF 250 Mio. eine gute Grösse für die Schweiz. Wir hoffen, in Kürze mit den ersten Investments loslegen zu können.
Über die finanzielle Seite hinaus: Wie wichtig sind bei Investitionen Fokus-Themen wie Nachhaltigkeit oder Gleichstellung?
Enorm wichtig. Wir sind daran, Mitglied des UN PRI Network zu werden, der weltweit führenden Initiative verantwortungsvoller Investitionen. Jedes unserer Investments wird gemäss den Kriterien des Standards auf Herz und Nieren geprüft.
Herr Meister, wir bedanken uns für das Interview.