Michael Allison, CEO VAT Group, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Allison, für den Normalbürger bestehen Dichtungen aus einem Ring. VAT jedoch hat die verschiedensten Dichtungstechnologien für die Hightech-Industrie. Welche kommt am meisten zur Anwendung?
Michael Allison: Wir stellen hochwertige Vakuumventile für Produktionswerkzeuge für die Halbleiter-, Display- und Solarindustrie her. Unsere Produktepalette umfasst rund 10’000 Positionen, wobei wir den grössten Marktanteil von über 60 Prozent weltweit bei den Kontrollventilen haben.
Und wie erklärt man sie dem Laien?
Eine Dichtung verhindert im Normalfall, dass eine Flüssigkeit oder ein anderer Stoff nach aussen dringt. Bei den Vakuumventilen ist genau das Gegenteil der Fall. Um zum Beispiel die hochreinen Produktionsbedingungen bei der Herstellung von Computerchips zu ermöglichen, ist es zwingend notwendig, dass absolut keine Partikel von aussen in die Produktionskammer gelangen. Wenn wir von Partikeln sprechen, meinen wir damit Verunreinigungen, die nicht grösser sind als ein kleines Molekül.
Das Service-Geschäft trägt ein Sechstel Ihres Umsatzes. Wie muss man sich den Ablauf einer VAT-Servicedienstleistung vorstellen?
Unter dem Servicegeschäft fassen wir die eigentliche Reparatur von defekten Ventilen, den Verkauf von Verschleissteilen und das Geschäft mit den Um- und Aufrüstungen bestehender Herstellungswerkzeuge zusammen. Die Ersatzteile machen dabei rund die Hälfte des Umsatzes des Servicegeschäftes aus, Um- und Aufrüstungen rund 30 Prozent und das Reparaturgeschäft den Rest.
Bei den Ersatzteilen wird die eigentliche Arbeit direkt in der Produktionsanlage durch unseren Kunden ausgeführt, beim Reparaturgeschäft kommen die Ventile zurück in ein VAT Servicecenter und gehen dann nach Abschluss der Arbeiten an den Kunden zurück. Beim Um- und Aufrüstgeschäft gehen unsere Ventile wie bei einem Neugeschäft direkt an die Erstausrüster, sogenannte OEMs (Original Equipment Manufacturer).
Gibt es bestimmte Ventile, die anfälliger sind als andere?
Ventile halten generell sehr lange, jedoch gibt es bei den beweglichen Teilen in regelmässigen Abständen einen Ersatzteilbedarf. Bei Ventilen, welche direkt an der Prozesskammer angeschlossen sind, sind diese Abstände aufgrund der oftmals sehr korrosiven Abläufe im Inneren der Kammer kürzer. Oftmals sind dies nur wenige Monate.
«Wann und wie stark der nächste Aufschwung kommt, ist nach wie vor sehr ungewiss. Dass er kommt, darüber sind sich alle in unserer Industrie einig.»
Michael Allison, CEO VAT Group
Der Auftragseingang in Q1 2019 fiel gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres um 35 Prozent. Allerdings liegt das Book-to-Bill-Verhältnis über 1. War das der Wendepunkt?
Es ist schwierig, dies abschliessend zu sagen. Der Einbruch gegenüber dem rekordhohen Vorjahresquartal konnte so erwartet werden. Die Tatsache, dass das Book-to-Bill-Verhältnis im 1. Quartal 2019 bei 1 lag, deutet nun aber zumindest darauf hin, dass die Talsohle erreicht sein könnte. Wann und wie stark der nächste Aufschwung kommt, ist aber nach wie vor sehr ungewiss. Dass er kommt, darüber sind sich alle in unserer Industrie einig, einzig der Zeitpunkt ist offen.
Der Nettoumsatz im Service-Geschäft blieb, trotz des nun bald ein Jahr dauernden Abschwungs im Halbleitermarkt, konstant bei 27 Millionen Franken. Das lässt vermuten, dass die Grundauslastung der Branche stimmt. Welche Wachstumstreiber bei den Neuprodukten braucht es jetzt?
Nach zweieinhalb Jahren mit massiven Wachstumsraten bei den Investitionen, speziell in Fertigungsanlagen für modernste Speicher-Chips, ist die Industrie Mitte 2018 in eine Phase der Konsolidierung eingetreten. Die anhaltende Digitalisierung unserer Gesellschaft, Stichwort Internet der Dinge, künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence), erweiterte Realität (Augmented Reality) oder selbstfahrende Fahrzeuge, werden die Nachfrage nach noch leistungsfähigeren Halbleitern und hochauflösenden Displays weiter antreiben. Damit sollten die derzeit leichten Überkapazitäten bei den Produktionsanlagen in Bälde korrigiert und neue Investitionen ausgelöst werden.
Die EBITDA-Marge soll von den gut 30 Prozent der letzten Jahre sogar auf 33 Prozent nach dem Übergangsjahr 2019 gesteigert werden. Wie ist das in diesem Markt möglich?
Unsere hohe EBITDA-Marge ist das Resultat konstanter Innovationsbemühungen in neue, noch leistungsfähigere Ventile, gekoppelt mit dem Fokus auf eine kosteneffiziente und flexible Produktionsstruktur. Da unsere variablen Kosten rund zwei Drittel der Gesamtkosten ausmachen, sind wir in einem Abschwung relativ gut gegen den Margenzerfall gewappnet. Die Zielmarge von 33% wird aber auch zu einem grossen Teil durch unser neues Werk in Malaysia ermöglicht, wo wir noch näher bei unseren Kunden sind.
Aufgrund der Komplexität der Materie und des grossen Knowhows, das es in Ihrem Geschäft braucht, ist die Gefahr von Marktneueintritten gering. Ist VAT umgekehrt vielleicht daran interessiert ganz neue Märkte zu eröffnen?
Vakuumventile sind unser absolutes Kerngeschäft. VAT wurde damit zum unangefochtenen Marktführer mit knapp 50 Prozent Weltmarktanteil. Diese Kernkompetenz bleibt auch in Zukunft unser Herz. Darum herum können wir uns aber vorstellen, unser Angebot durch das gezielte Hinzufügen anderer Technologien oder Produkte zu erweitern. Dies immer mit dem Ziel, unseren Kunden auch in Zukunft die besten Ventile und Ventilsysteme bieten zu können.
Bietet sich vielleicht eine tiefergehende vertikale Integration an, um eine noch grössere Abschöpfung der Marge zu erreichen?
VAT ist seit Bestehen in erster Linie organisch gewachsen und hat dabei ein sehr flexibles Produktionsmodell mit einer vergleichsweise geringen Fertigungstiefe aufgebaut. Rund zwei Drittel unserer Produktionsmaterialien werden von externen Zulieferern eingekauft und nicht intern produziert. Dies ist ein Kernelement unseres tiefen Fixkostenblocks, der es uns ermöglicht, im Abschwung eine hohe Rentabilität zu behalten. Natürlich vergibt man sich damit in einer Aufschwungphase wie 2016 und 2017 etwas Marge. Wir denken aber, dass wir hier auch so ein sehr gutes Niveau haben.
«Bei den grossen Formaten für OLED-TVs erwarten wir ab 2020 eine Belebung der Investitionen; verschiedene Hersteller haben hier positive Signale ausgesendet.»
Der Display-Markt scheint erst einmal seinen Zenit hinter sich zu haben, wird aber sicher irgendwann einmal wieder neu durchstarten. Welche weiteren Anwendungen könnten in den nächsten Jahren bei Ihnen für kontinuierlichen Umsatzschwung sorgen?
In der Geschäftseinheit Display haben wir auch unser Solargeschäft integriert. Hier sehen wir durch neue Technologien weiterhin ein gesundes Marktumfeld. Vor allem im chinesischen Markt gibt es weiterhin viele Investitionsprojekte in neue Produktionsanlagen modernster Solartechnologie.
Bei den Displays sehen wir eine gute Auslastung bei den sehr grossen Formaten für LCD-Bildschirme, ein Bereich, in dem wir führend sind. Kleinere Formate werden aber 2019 und 2020 eher schwächer tendieren. Die OLED-Bildschirme befinden sich in einer Übergangsphase. Nach hohen Investitionen in Produktionsanlagen für OLED-Bildschirme für Smartphones ist der Markt angebotsseitig etwas gesättigt. Bei den grossen Formaten für OLED-TVs erwarten wir ab 2020 eine Belebung der Investitionen; verschiedene Hersteller haben hier positive Signale ausgesendet.
Bei einer Schulden/EBITDA-Quote von 0,7 könnte VAT doch eigentlich von der momentanen Markschwäche profitieren und Zukäufe ins Auge fassen? Oder ist das für einen Markführer schwierig?
Wie bereits erwähnt, fokussieren wir uns in erster Linie auf organisches Wachstum, basierend auf unseren eigenen Innovationserfolgen. Hier werden auch 2019 keine Abstriche gemacht, was das F&E-Budget anbelangt. Zukünftige kleinere Zukäufe im Technologiebereich sind zwar möglich, werden aber den Charakter der VAT nicht nachhaltig ändern.
Zum Gesprächspartner:
Michael Allison ist seit März 2018 CEO der VAT Group. Er kommt von Edwards/Atlas Copco, wo er Head der Semiconductor Division war. Davor war er bei Edwards Managing Director und Vice President der Global Sales und Serviceorganisation. Während 20 Jahren war er bei KLA Tencor in verschiedenen Senior Managementfunktionen tätig. Zudem ist er Mitglied des Verwaltungsrates von SEMI International. Allison verfügt über einen Abschluss Elektroingenieur der Universität Glasgow in Schottland.
Zum Unternehmen:
Die VAT Group ist der weltweit führende Entwickler, Produzent und Lieferant von hochwertigen Vakuumventilen. Diese sind erfolgsentscheidende Komponenten für modernste Fertigungsprozesse von Hightech-Produkten, die in Alltagsgegenständen wie Smartphones, Flachbildschirmen oder Solarpanelen eingesetzt werden. VAT besteht aus den drei Segmenten Ventile, Global Services und Industry, die Ventile, Multi-Ventil-Module und Membranbälge für eine Vielzahl von Vakuumapplikationen anbieten. Die VAT Group ist ein Global Player mit rund 1’700 Beschäftigten und wichtigen Fertigungsstandorten in Haag (Schweiz), Penang (Malaysia) und Arad (Rumänien). Im Geschäftsjahr 2018 wurde ein Umsatz von 698 Millionen Franken erwirtschaftet.