Michael Borter, Gründer und CEO Cashare, im Interview

Michael Borter

Michael Borter, Gründer und CEO von Cashare. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Borter, Crowdlending ist zwar der grösste Bereich im Schweizer Crowdfunding-Sektor, aber wie schon 2022 ist das Volumen auch 2023 stark gesunken. Dabei gingen die KMU-Kredite um 6,4 und die Privatkredite um 15,8 Prozent zurück. Wir ordnen Sie die Entwicklung ein?

Michael Borter: Das Jahr 2023 war für die Branche in der Tat nicht einfach. Der Crowdlending-Markt in der Schweiz verzeichnete 2023 wie schon im Vorjahr einen Rückgang um 20%, das Volumen sank von 497,5 Millionen auf 398,1 Millionen Franken. Dazu beigetragen hat sicherlich die Zinswende und die damit einhergehenden Unsicherheiten bei Unternehmen in Bezug auf ihre Investitionen. Im Privatbereich ist die Inflation ein Bremsfaktor gewesen.

Cashare stellte sich der Entwicklung erfolgreich entgegen und wuchs um 7 Prozent. Wie konnte das bewerkstelligt werden?

Ja, entgegen dem Trend im Crowdlending übertraf Cashare den Gesamtmarkt um über 27%. Der Haupttreiber war eine erhöhte Kreditnachfrage insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Wir haben in diesem herausfordernden Umfeld bewiesen, dass unser auf Diversifikation und nachhaltigem Wachstum basierendes Geschäftsmodell äusserst resilient ist. Auch arbeiten wir auf operativer Basis profitabel und konnten bis heute als einzige Plattform unsere Unabhängigkeit bewahren. Während wir gewachsen sind, haben sich einige Wettbewerber im Jahr 2023 aus unserem Markt zurückgezogen oder mussten Volumeneinbussen verzeichnen.

«Wir haben in diesem herausfordernden Umfeld bewiesen, dass unser auf Diversifikation und nachhaltigem Wachstum basierendes Geschäftsmodell äusserst resilient ist.»
Michael Borter, Gründer und CEO Cashare

Wie verteilen sich die Cashare-Kredite auf die Bereiche KMU, Consumer und Real Estate?

Cashare kommuniziert keine detaillierten Zahlen pro Geschäftsbereich. Wie erwähnt stieg die Nachfrage nach KMU-Krediten deutlich an, wohl auch wegen den grossen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Credit Suisse. Einen Rückgang verzeichneten wir hingegen im Bereich der Immobilienkredite. Seit Anfang 2023 sind Immobilienfinanzierungen in der Schweiz zu einem weitestgehenden «Stillstand» gekommen. Als Grund galten Unsicherheiten in Bezug auf Zinsentwicklung und Inflation. Hier erwarten wir in den nächsten Jahren wieder eine positivere Entwicklung.

Und wie hoch sind die durchschnittlichen Kreditsummen?

Die durchschnittlichen Kreditsummen sind je nach Segment sehr unterschiedlich. Bei KMU-Krediten lag das durchschnittliche Volumen im Jahr 2023 bei leicht über CHF 200’000, beim Consumer Crowdlending bei etwa CHF 40’000 und beim Real Estate Crowdlending bei knapp unter einer Million Franken.

Wie haben sich die Finanzierungsbedingungen für KMU entwickelt – und welche Rolle spielt dabei der Wegfall der Credit Suisse als Kreditgeber?

Wir stellen fest, dass die Banken bei der Kreditvergabe an Unternehmen restriktiver geworden sind. Häufig sind sie an kleineren Volumen überhaupt nicht interessiert. Gleichzeitig sind KMUs offener für neue Finanzierungsmodelle geworden. Einer Studie des Zuger Instituts für Finanzdienstleistungen kam 2021 zu diesem Schluss: Demnach stieg der Anteil der nicht durch Banken bereitgestellten Finanzierungen bei KMU von 6% auf 15%. Dazu gehört auch das Crowdlending. Der Untergang der Credit Suisse hat selbstverständlich auch seinen Teil dazu beigetragen, dass KMU nach anderen Finanzierungslösungen suchen mussten.

«Wir stellen fest, dass die Banken bei der Kreditvergabe an Unternehmen restriktiver geworden sind. Häufig sind sie an kleineren Volumen überhaupt nicht interessiert.»

Aus welchen Branchen hat Cashare am meisten Kunden?

Bezüglich Branchen sind wir sehr breit aufgestellt und es gibt keine spannenden Muster daraus. Interessant ist wohl eher, für was unsere Kredite eingesetzt werden. Bei KMUs geht es oft um Projektfinanzierungen, Umschuldungen oder kurzfristige Liquidität. Bei den privaten Krediten werden diese vor allem für Umschuldungen, Bildungsvorhaben, Autos oder Hochzeiten beziehungsweise auch Scheidungen benötigt. Beim Immobilien-Crowdlending werden häufig kurzfristige Zwischenfinanzierungen an Bauherren vergeben, bis diese durch einen Bankkredit abgelöst werden. Ein weiterer Bereich sind kleinere Immobilienprojekte wie der Bau eines Swimming Pools oder eines Carports.

Wie unterscheidet sich aus Sicht der Unternehmen die Lending-Finanzierung im Vergleich zu Firmenkrediten von Banken? Was macht sie attraktiver?

Abgesehen davon, dass Banken wenig Interesse an kleinen Kreditvolumen haben, liegen die Vorteile in der einfachen und speditiven Abwicklung über die Crowdlending-Plattform, die flexiblen Kreditkonditionen und der Möglichkeit, einen Kredit vorzeitig kostenlos zurückzuzahlen. Spannend ist schliesslich auch, dass die Kreditgeber oder Investoren direkt sehen, in welche Firmen oder Projekte sie investiert haben.

Auf was sollten Unternehmen beim Crowdlending achten?

Im Gegensatz zum Bankkredit weiss der Kreditnehmer beim Crowdlending, in welches Projekt er investiert. Und umgekehrt. Das bedeutet, dass es sehr wichtig ist für das Unternehmen, sein Projekt transparent und verständlich zu kommunizieren. Diese Transparenz führt zu einer starken gegenseitigen Bindung und natürlich auch Verpflichtung, die über das Vertragsverhältnis hinausgeht. Weiter gelten gewisse Mindestanforderungen: Das Unternehmen besteht seit mindestens zwei Jahren und erzielte einen Umsatz von über CHF 100’000. Häufig müssen die Unternehmen auch Sicherheiten wie Grundpfand oder Bürgschaften zur Absicherung des Kredits hinterlegen.

Wo liegen die Risiken – für Kreditnehmer einerseits, für Anleger andererseits?

Wie beim Bankkredit wird auch beim Crowdlending eine strikte Prüfung der Kreditwürdigkeit durchgeführt. Cashare beispielsweise lehnt rund 90% der Kreditanträge ab. Wer als Kreditnehmer diese Hürde aber einmal genommen hat, trägt keine besonderen Risiken. Auf Anlegerseite liegt das Hauptrisiko beim Kreditausfall. Bei Cashare liegt die Ausfallquote jedoch unter einem Prozent und Anleger investieren meistens in verschiedene Kredite, womit eine Diversifikation stattfindet. Entsprechend kann man schon mit kleinen Stückelungen in Kredite investieren und so die Anlage breit streuen (Private ab CHF 100.- / KMU ab CHF 1’000.-).

«Wie beim Bankkredit wird auch beim Crowdlending eine strikte Prüfung der Kreditwürdigkeit durchgeführt. Cashare beispielsweise lehnt rund 90% der Kreditanträge ab.»

Auf der Anlegerseite sind immer mehr institutionelle Investoren oder Family Offices dabei. Was macht Crowdlending für diese interessant?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens bietet Crowdlending das Potenzial für höhere Renditen. Bei Cashare liegen diese im Durchschnitt bei fünf bis sieben Prozent. Ein weiterer Vorteil ist, dass Crowdlending eine wenig mit anderen Anlageklassen korrelierende Investitionsmöglichkeit bietet. Darüber hinaus bietet Crowdlending ein hohes Mass an Transparenz. Die Anleger können die Auswirkungen ihrer Investition direkt sehen und die Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer beurteilen. Diese Transparenz darüber, wohin ihr Geld fliesst und wie es verwendet wird, hilft den Anlegern, fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre Investitionen effektiver zu verwalten. Ergänzend kommt der starke Trend, dass Finanzierungen unabhängig von Banken immer mehr über Private Debt erfolgt.

An welche Anleger richtet sich Cashare?

Cashare richtet sich an ein breites Spektrum von Investoren, darunter institutionelle Anleger, Family Offices und Privatpersonen. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie die Möglichkeit schätzen, die Kreditnehmer direkt beurteilen und die Auswirkungen ihrer Investitionen sehen zu können. Obwohl viele unserer Kredite relativ kurze Laufzeiten haben, schätzen Anleger auch bei uns, dass sie sehr einfach immer wieder Folgeinvestments tätigen können.

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