Michael Mueller, CEO Valora, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Mueller, Valora ist im ersten Halbjahr 2018 deutlich gewachsen. Was hat neben der Übernahme des Selbstbedienungsbäckers «Backwerk» mitgeholfen?
Ja, wir konnten unsere Aussenumsätze um 15.0% steigern, netto sind wir um 7.6% gewachsen. Neben dem Ergebnisbeitrag von BackWerk haben insbesondere höhere Umsätze im Food-Service-Bereich zum Wachstum geführt – gewachsen sind wir sowohl in unseren Verkaufsstellen, wie auch im Grosshandel mit Laugenbackwaren. Ebenso beigetragen haben die höhere Anzahl an Eigenstellen bei Retail Deutschland und positive Währungseinflüsse. Im Schweizer Retailgeschäft sind die Umsätze aufgrund von Schliessungen zwar leicht gesunken, auf vergleichbarer Fläche konnten wir sie aber auf Vorjahresniveau halten.
Unter dem Strich ging der Gewinn zwar wegen einer Wertberichtigung zurück, der Betriebsgewinn legte aber um 3,8% auf 36 Mio Franken zu. Das Jahresziel von 90 Mio Franken bleibt bestehen?
Ja, das ist richtig. Wir rechnen mit einem Betriebsergebnis in Höhe von CHF 90 Mio., +/- CHF 3 Mio. Wir sind mit dem Geschäftsverlauf des ersten Halbjahres zufrieden und sehen uns für das Gesamtjahr auf Kurs. Wichtiger Erfolgsfaktor ist die Weiterentwicklung des Schweizer Retailgeschäfts. Hier setzt der neue CEO von Retail Schweiz sichtbare Akzente. Die Lancierung des neuen Foodvenience-Konzepts für avec Mitte Juli in Bern ist der erste Meilenstein.
«Wichtiger Erfolgsfaktor ist die Weiterentwicklung des Schweizer Retailgeschäfts.»
Michael Mueller, CEO Valora
«Backwerk» ist der grösste Back-Gastronom Deutschlands, in der Schweiz allerdings noch weitgehend unbekannt. Welche Pläne verfolgen Sie mit «Backwerk» hierzulande?
Mit BackWerk sind wir heute bereits an zwei Standorten in der Schweiz aktiv – dies jedoch noch nach altem Konzept. Wir sind nun daran, die beiden Stores mit dem neuen „Feel Good Food“-Konzept zu modernisieren. Wichtig ist dabei, dass wir das in Deutschland erfolgreiche Konzept nicht einfach übernehmen, sondern auf die Kundenbedürfnisse im Schweizer Markt anpassen. Die erste Eröffnung nach neuem Konzept wird voraussichtlich im Herbst in Winterthur erfolgen.
Und international? Heute sind es rund 350 Standorte, wie viele werden es in fünf Jahren sein?
Deutschland ist mit über 300 Standorten der Heimmarkt des Konzepts. Dort sind wir bereits unter den grössten Snack-Food-Anbietern, sehen aber noch weiteres Potenzial für Wachstum. Gleichzeitig sind wir mit BackWerk auch in den Niederlanden, in Österreich und in der Schweiz aktiv und treiben die Expansion konsequent voran. Bis 2022 wollen wir brutto 80 bis 100 Filialen eröffnen.
Nach Jahrzehnten des Wachstums kommt der Detailhandel seit Jahren nicht vom Fleck, Valora bildet da keine Ausnahme. Was hat das Geschäft in der ersten Jahreshälfte geprägt?
Das Retailgeschäft in der Schweiz lief besonders gut. Wir haben die Profitabilität auf dem hohen Niveau des Vorjahres bestätigt. Food Service ist wie gesagt organisch und dank BackWerk gewachsen. Im ersten Halbjahr 2018 hinter den Erwartungen blieb hingegen das deutsche Retailgeschäft. Deutschland erlebt zeitverzögert zur Schweiz einen verstärkten Rückgang im Pressebereich. Wir erwarten dort im zweiten Halbjahr aber positive Ergebniseffekte durch eingeleitete Kosteninitiativen und Projekte, wie die weitere Forcierung von E-Smoke, Food und Services.
Sie wollen unter anderem mit Produkten aus dem E-Smoking-Bereich Gegensteuer geben. Das Wachstum in diesem Segment war in den letzten Jahren gewaltig. Haben Sie genauere Vorstellungen, in welchem Umfang Valora daran partizipieren kann?
In Deutschland gehören wir bereits heute zu den führenden flächendeckenden E-Smoke-Anbietern. Die Nachfrage ist gross, entsprechend bauen wir dieses Geschäft aus. In der Schweiz entwickelt sich der E-Smoke-Markt gerade erst, weshalb unser Sortiment noch klein ist. Seit kurzem dürfen wir aber auch nikotinhaltige Liquids anbieten. Wir sind überzeugt, dass auch in der Schweiz Alternativen zu herkömmlichen Tabakprodukten deutlich an Bedeutung gewinnen werden. Gemeinsam mit den grossen Tabakkonzernen sind wir Vorreiter bei den „Heat not burn“-Produkten und stellen dort eine weiterhin zunehmende Nachfrage fest. Zahlen geben wir dazu jedoch keine bekannt.
«Wir sind überzeugt, dass auch in der Schweiz Alternativen zu herkömmlichen Tabakprodukten deutlich an Bedeutung gewinnen werden.»
Sie überarbeiten auch ihre Verkaufsstellenformate wie den avec Convenience Store, den sie soeben in Bern nach komplett neuem Konzept eröffneten. Wie präsentiert sich das Format, auf welche aktuellen Trends setzt es?
Der neue avec kommt nicht nur in ganz neuem Shop Design daher, wir reagieren damit insbesondere auch auf den Foodvenience-Trend. Convenience und Food-to-go sind eng mit der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung verbunden. Unsere Kunden essen immer seltener zuhause und wollen das unterwegs schnell, gesund und preiswert tun. Darum haben wir nun über 50 ultrafrische Sandwiches im avec Sortiment. Auch das Angebot an Salaten, warmen Speisen und Früchtebechern haben wir stark ausgeweitet. Unter dem neuen Label ‘Handmade with Love’ werden künftig die Produkte klar erkennbar sein, die von Hand frisch zubereitet oder veredelt werden. Zudem werden immer mehr regionale Produkte angeboten, und einzelne Produktepreise haben wir um bis zu 20 Prozent gesenkt.
Inwieweit ist das Format auch ein Zeichen, um die über 200 begehrten Verkaufsflächen in den Schweizer Bahnhöfen halten zu können, nachdem die SBB diese per 2021 neu ausgeschrieben hat?
Wir richten uns kontinuierlich an den aktuellen Bedürfnissen unserer Kunden aus. Mit unserem Retailgeschäft haben wir stets bewiesen, dass wir Trends vorausschauend aufgreifen, unsere Formate ständig weiterentwickeln und einzigartige Produkte und innovative Dienstleistungen anbieten können. Aber selbstverständlich wird das neue, auf Foodvenience ausgerichtete avec Konzept Teil unseres Angebots an die SBB sein.
«Selbstverständlich wird das neue, auf Foodvenience ausgerichtete avec Konzept Teil unseres Angebots an die SBB sein.»
Auf den Spuren von «Amazon Go» soll Anfang 2019 im HB Zürich der erste Kiosk ohne Kassenpersonal eröffnet werden. Wie wichtig ist das Thema Self Checkout für Sie?
Das Thema ist für uns sehr wichtig. Wir sehen im internationalen Retailgeschäft einen eindeutigen Trend hin zu mehr Self-Checkout-Lösungen. Auch in der Schweiz wird dieser verstärkt Einzug halten. Wir werden daher an vorderster Front neue Technologien einführen, erste Pilote haben bereits stattgefunden. Dafür sind unsere Stores an Hochfrequenzlagen prädestiniert. Gerade dort wollen die Kunden einen möglichst schnellen und reibungslosen Einkaufsprozess. Das zu ermöglichen, ist Teil unseres Convenience-Angebots.
Kommen wir auf die Digitalisierung zu sprechen, die Sie als grosse Chance für das Valora-Geschäft sehen. Was sieht Ihre Strategie hier vor, einerseits im Bereich der internen Prozesse, anderseits auf Kundenseite wie zum Beispiel den Apps «k kiosk» oder «Change Up»?
Die Digitalisierung ermöglicht uns einerseits, dank Retail Analytics Kundenerlebnisse und -nutzen zu verbessern. So können wir auswerten, welche Sortimente bevorzugt werden oder wie wir die Öffnungszeiten und den Personaleinsatz gestalten sollen. Anderseits hilft die Digitalisierung, die Kundenloyalität zu steigern. Das ist über die k kiosk App möglich, dank der die Kunden von Rabatten und Gutscheinen profitieren und diese sogar weiterverschenken können. Die Digitalisierung bringt auch Innovation in den Bereich der Bezahlmöglichkeiten. Schliesslich erlaubt sie ganz neue Services wie Pick-up/Drop-off oder den ok.– button, mit dem man auf Knopfdruck Energy Drinks nach Hause oder ins Büro bestellen kann. Intern äussert sich die Digitalisierung vor allem in Prozessverbesserungen und Effizienzgewinnen.
Herr Müller, wir bedanken uns für das Interview.
Zur Person:
Michael Mueller (Jahrgang 1972/Schweizer/Lic. iur. HSG an der Universität St. Gallen) ist seit 1. März 2014 CEO der Valora Holding AG. Zuvor war er CFO der Holding, Geschäftsführer der Rubus Capital Management Ltd., CEO, Delegierter und Mitglied des Verwaltungsrates der Jelmoli Holding AG, CEO der GVO Asset Management Ltd., Merger & Acquisitions-Berater im Investment Banking bei Goldman Sachs und Berater bei Bain & Company im Bereich strategischer Transformations- und Restrukturierungsprogramme.
Zum Unternehmen:
Valora ist eine fokussierte Convenience- und Food-Service-Anbieterin mit rund 15‘000 Mitarbeitenden im Netzwerk. Die rund 2‘800 kleinflächigen Verkaufsstellen von Valora befinden sich an Hochfrequenzlagen in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Luxemburg, den Niederlanden und Frankreich. Zum Unternehmen gehören unter anderem k kiosk, Brezelkönig, BackWerk, Ditsch, Press & Books, avec, Caffè Spettacolo und die Eigenmarke ok.– sowie ein stetig wachsendes Angebot an digitalen Services. Ebenso betreibt Valora eine der weltweit führenden Produktionen von Laugengebäck und profitiert im Bereich Backwaren von einer stark integrierten Wertschöpfungskette. Valora erzielt jährlich einen Aussenumsatz von über CHF 2.6 Mrd. Der Hauptsitz der Gruppe befindet sich in Muttenz. Die Namenaktien der Valora Holding AG (VALN) werden an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange AG gehandelt.