Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Roth, die ersten 100 Tage in Ihrer neuen Rolle als Managing Director von Hitachi Vantara in der Schweiz sind vorbei. Welches waren bis anhin die wichtigsten Entscheidungen, die Sie getroffen, oder Änderungen, die Sie vorgenommen haben?
Michael Roth: Während der ersten Wochen in meiner neuen Funktion als Managing Director für Schweiz / Österreich habe ich sehr viele Gespräche mit Mitarbeitern, Kunden und Partnern geführt, um ein Gefühl für die Organisation und den Markt, in dem wir uns bewegen, zu bekommen. Gemeinsam mit meinem Team wurde dann der Entschluss gefasst, vor allem verstärkt den Mid-Market zu adressieren. Wir wollen mit umfassenden Lösungen vorstellig werden, um Hitachi Vantara als strategischen Partner für Daten-Management zu positionieren.
Welche Projekte haben für Sie aktuell die höchste Priorität
Ganz weit oben auf unserer Prioritätenliste steht der Ausbau des Partnergeschäftes. Das Kundenpotential für unsere Lösungen ist enorm, wir reden in der Schweiz von rund 20’000 potentiellen Kunden. Der Schlüssel zum Ausbau unseres Geschäfts sind ganz klar qualifizierte Partner. Wir zielen dabei aber auf Klasse statt Masse. Durch ein zielgerechtes Partnernetzwerk ermöglichen wir erhöhte Profitabilität im Partnergeschäft. Dazu investieren wir in die Channel-Organisation. So hat vor einigen Tagen ein dedizierter Partner-Manager für Österreich seine Arbeit aufgenommen. Wir sehen ein ähnliches Engagement auch in der Schweiz vor.
Nebst der Leitung der Schweiz, haben Sie auch die Verantwortung für den Verkauf an Unternehmenskunden in Österreich. Welche Erfahrungen haben Sie bereits im österreichischen Markt, welche Synergien erhoffen Sie sich mit der Schweiz?
In Österreich ist der Partnergeschäftsanteil massiv höher als in der Schweiz.
«Sorgen machen wir uns vor allem um unsere Mitarbeiter in der Ukraine. Erst im vergangenen Jahr hat Hitachi die Firma Global Logic mit Niederlassungen in Kiew, Lwiw und Charkiv übernommen.» Michael Roth, Managing Director und Enterprise Sales Director Österreich / Schweiz von Hitachi Vantara
Tatsächlich sehen wir in Österreich, welche Vorteile ein intaktes und ambitioniertes Partner-Ökosystem hat. Wir werden die Erfolgskomponenten des österreichischen Partnermodells für den Schweizer Markt adaptieren.
Österreich ist unter anderem ein Tor nach Osteuropa. Was bedeutet diese Rolle im aktuellen Krieg in der Ukraine, was sind die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Geschäft in Österreich?
Das Geschäft in Russland, das wir indirekt über Partner betreiben, unterliegt aktuell dem Embargo. Sorgen machen wir uns vor allem um unsere Mitarbeiter in der Ukraine. Erst im vergangenen Jahr hat Hitachi die Firma Global Logic mit Niederlassungen in Kiew, Lwiw und Charkiv übernommen. Hier versucht die konzerneigene Abteilung für Mitarbeitersicherheit, soweit möglich, Unterstützung zu bieten. Darüber hinaus beteiligt sich Hitachi Vantara auch an der Initiative ‘Highway to Help’, um in der Ukraine Hilfe vor Ort zu leisten.
Auch in der Schweiz nimmt die Digitalisierung in fast allen Bereichen an Fahrt auf, oft verbunden mit der Verlagerung in die Cloud. Was bedeutet das für Ihre Wachstumspläne in der Schweiz, wo setzen Sie Schwerpunkte?
In der Tat verfolgen auch in der Schweiz immer mehr Unternehmen Cloud- beziehungsweise Datacenter-Exit-Strategien. Für die hierzulande dominierenden Branchen Finance, Healthcare und Pharma hat ein Umstieg in die Cloud immer auch weitreichende Konsequenzen, nicht nur technisch, sondern auch für die Compliance. Mit unserer Expertise und unserem Portfolio können wir wertvolle Unterstützung bei der Cloud-Journey leisten und auch die Vorteile hybrider Infrastrukturen herausstellen. Unser entscheidender Wettbewerbsvorteil sind unsere Daten-Management-Services. Mit dem EverFlex-Modell bieten wir zudem einen verbrauchsorientierten ‘Pay-per-Use’-Ansatz, der es Unternehmen erlaubt, mit geringen Anfangsinvestitionen in ihrem Tempo zu migrieren.
«Mit der Lumada-Plattform ist es möglich, eine komplette IoT-Datenplattform zu erschaffen, die Core, Gateway, Digital Twins und Machine-Learning-Services umfasst.»
Die Industrie macht erste Erfahrungen mit integrierten Anwendungen unter Einbindung von IoT-Komponenten. Die Komplexität und mögliche Fehleranfälligkeit von vernetzten Systemen kann durch digitale Zwillinge besser gehandhabt werden. Mit ihnen können Auswirkungen durch Ausfälle oder durch Hinzufügen von neuen Komponenten simuliert werden. Welche Unterstützung bietet Hitachi Vantara in diesem Bereich?
Unser DataOps-Portfolio geht weit über den Digital Twin hinaus. Mit der Lumada-Plattform können Unternehmen eine nahtlose Dateninfrastruktur schaffen, die vom Datensammeln über Sensoren und Edge-Systeme über die Cloud bis zur Analyse mit Pentaho-Technologie reicht. Damit ist es möglich, eine komplette IoT-Datenplattform zu erschaffen, die Core, Gateway, Digital Twins und Machine-Learning-Services umfasst. Hier macht sich insbesondere bezahlt, dass wir mit dem Hitachi-Konzern über einen enormen Industrie-Background verfügen.
Bis anhin werden Kosteneinsparungen durch technologische Entwicklungen meistens gleich wieder zunichte gemacht durch den erhöhten Verwaltungsaufwand und die steigenden Bedürfnisse der Nutzer. Wie schätzen Sie diese Entwicklung beim Thema Cloud ein?
Zuerst einmal ist das – mit Verlaub – eine These, die ich so nicht teile. Bei der Verwaltung der Infrastruktur sehen wir ja das genaue Gegenteil: Wo früher ein ganzes Team sich um den Betrieb kümmerte und meist jedes Einzelsystem von Spezialisten via Konsole administriert werden musste, kann heute das Meiste bequem über eine komfortable Oberfläche gesteuert werden. Bei unseren Systemen können Sie die gesamte Infrastruktur mit einer zentralen Verwaltung steuern, immer mehr Tasks werden sogar automatisch durch KI gesteuert.
Richtig ist natürlich, dass die Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzer heute andere sind als vor 20 Jahren. Wer seine Bankgeschäfte mit einer App erledigt, kann nur schwer dazu motiviert werden, im Büro eine Terminal-Lösung zu nutzen. Aber zurück zur Cloud: Ich glaube nicht, dass man den Verwaltungsaufwand als hoch bezeichnen kann. Die Erwartungshaltung der Kunden bezüglich der Transparenz und Kosteneffizienz ist sehr hoch. Es ist für Hyperscaler nicht einfach diesen Erwartungen gerecht zu werden.
Bei den Cloud-Installationen zeichnet sich ab, dass die meisten Anwender eine hybride Lösung einsetzen (Mischung zwischen vor-Ort-Infrastruktur, Privaten-Cloud-Services und öffentlichen Cloud-Angeboten). Welche speziellen Sicherheitsaspekte ergeben sich daraus und welche Unterstützung kann hier Hitachi Vantara bieten?
Zuerst einmal gilt es festzuhalten, dass eine Auslagerung von Prozessen und Applikationen kein Selbstzweck sein kann. Wenn ich ineffiziente Prozesse in die Cloud migriere, erhalte ich ineffiziente Cloud-Prozesse. Die Cloud kann ein wichtiger Bestandteil einer IT-Strategie sein, ‘Cloud only’ ist aber nicht in allen Fällen der richtige Weg. Daher plädieren wir dafür, jeden einzelnen Prozess und jede Applikation auf den Prüfstand zu stellen und bedarfsgerechte, hybride Infrastrukturen zu entwickeln. Dabei ist die Sicherheit ein wichtiger Faktor: Zum Einen gibt es ja regulatorische Vorgaben, zum Beispiel zur Speicherung personenbezogener Daten, zum Anderen möchten viele Unternehmen aus nachvollziehbaren Gründen wichtige Unternehmensdaten nicht unbedingt extern hosten.
«Ganz weit oben auf unserer Prioritätenliste steht der Ausbau des Partnergeschäftes. Das Kundenpotential für unsere Lösungen ist enorm, wir reden in der Schweiz von rund 20’000 potentiellen Kunden.»
Mit unseren Lösungen können Unternehmen eine einheitliche Dateninfrastruktur erzeugen, die Public Clouds mit einschließt. Mit der Hitachi Content Platform (HCP) können Unternehmen Datenbestände in einer einheitlichen Metadaten-Verwaltung nutzen.
Welche technologischen Entwicklungen haben in nächster Zukunft das grösste Potential, unser Leben nachhaltig zu beeinflussen?
Gesellschaftlich werden wir in den nächsten Jahren das Thema Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Wirtschaft angehen müssen. Dabei spielen Daten eine entscheidende Rolle: Sie helfen uns, Prozesse zu optimieren, effizienter zusammenzuarbeiten und auf Basis von Analysen bessere Entscheidungen zu treffen. Technologien wie die künstliche Intelligenz oder Machine Learning werden uns dabei helfen, Ressourcen zu schonen und Anlagen und Systeme zu optimieren.
Das wird nicht nur die Industrie betreffen: In Kopenhagen sind wir beispielsweise an einem Smart-City-Projekt beteiligt, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die dänische Hauptstadt bis 2025 CO2-neutral zu machen und gleichzeitig die Lebensqualität der Bürger zu verbessern. Aber auch wir als Unternehmen leisten unseren Beitrag und wurden dafür vom österreichischen Kurier mit dem Gütesiegel als nachhaltiges Unternehmen ausgezeichnet.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
In den letzten Jahren haben wir schmerzlich lernen müssen, dass ein friedliches Zusammenleben und Gesundheit wichtiger als alles andere sind. Es wäre wünschenswert, dass sich die Menschen wieder mehr auf das „Wir” besinnen und weniger das eigene Ego im Auge haben.
Im Business-Kontext würde ich mir wünschen, jederzeit die richtigen Talente am Markt zu finden. Ich selbst bin immer noch begeistert von den Gestaltungsmöglichkeiten der IT, aber wir müssen uns als Branche schon die Frage stellen, ob die IT-Industrie eigentlich noch „sexy” genug ist, um junge Leute für sich zu gewinnen.