von Patrick Gunti
Moneycab.com: Keine Konzerte, keine Sportanlässe, keine Messen, keine Business-Events – Eventfirmen waren und sind von der Coronapandemie stark betroffen. Wie war das für Ihre Agentur, als im letzten Jahr plötzlich nichts mehr ging?
Michael de Maddalena: Es war wie wir auf Berndeutsch sagen würden: «ä Chlapf a Gring!» So eine Situation haben wir in unserer Laufbahn noch nie erlebt und es fühlte sich etwas surreal an. Vor uns stand ein Jahr 2020 mit vollen Auftragsbüchern – ein Jahr wie noch nie zuvor. Anfang März 2020 hatten zudem drei neue Mitarbeitende ihre Stelle in der Agentur angetreten, quasi als Support für das bevorstehende überdurchschnittliche Arbeitsvolumen. Glücklicherweise haben wir immer hohen Wert auf eine gute funktionierende Struktur und umsichtige Planung gelegt. Dadurch ist es uns gelungen, Ruhe zu bewahren, die Situation sorgfältig zu analysieren und die ersten Monate bis zur staatlichen Unterstützung zu überbrücken.
Mit dem Aufbau von Impfzentren im Kanton Bern haben Sie sich dann quasi ein neues Geschäftsfeld erschlossen. Wie kam es dazu?
Michael de Maddalena: Eigentlich wirkt das Thema «Impfzentrum» nur auf den ersten Blick wie ein neues Geschäftsfeld. In Tat und Wahrheit ist es nicht sehr weit weg von den Arbeiten, die wir sonst ausführen. Es hat viel mit Logistik, Sicherheit, Organisation und Personenführung zu tun. Zudem braucht es einen hohen Grad an Agilität und Flexibilität. Das sind Skills, die auch für unsere Events von grosser Bedeutung sind. Wir sind uns gewohnt, Infrastrukturen zu bauen, die für Besucherinnen und Besucher funktionieren müssen, Abläufe auf einfachste Art und Weise gewährleisten und so den Personen- und Arbeitsfluss sicherstellen zu können. Wir arbeiten zudem immer sehr dienstleistungsorientiert und agieren stets im Hintergrund – es steht immer die Sache im Vordergrund! – egal ob das jetzt an einer Generalversammlung oder eben beim Impfen ist. Dementsprechend sind Eventmenschen prädestiniert für solche Aufgaben, und darum ist es auch kein Zufall, dass schweiz- und europaweit viele aus unserer Branche nun Test- oder eben Impfzentren bauen und betreiben.
«Eigentlich wirkt das Thema «Impfzentrum» nur auf den ersten Blick wie ein neues Geschäftsfeld. In Tat und Wahrheit ist es nicht sehr weit weg von den Arbeiten, die wir sonst ausführen.»
Lassen Sie uns am Aufbau eines Impfzentrums teilhaben: Wie sind Sie die Aufgabe angegangen? Welche Prozesse waren zu definieren?
Flavio Baggenstos: Wir sind die Anfrage für den Bau und den Betrieb des Impfzentrum ähnlich angegangen, wie wir dies bei unseren Projekten immer tun – Kundenbedürfnisse verstehen und massgeschneiderte Lösungen bieten. Im Vergleich zu unserer «normalen» Tätigkeit war der medizinische Schwerpunkt sowie die Dauer des Projekts Neuland. Wir sind uns gewohnt, dass die Anlässe ein bis vier Tage dauern, beim Impfzentrum haben wir von Beginn weg von mindestens sechs Monaten Betrieb gesprochen. Neben einem Teil des Impf- und IT-Prozesses gab es keine Vorgaben. Die Prozesse wurden vor Inbetriebnahme während der Planung und des Baus erarbeitet und während des Testbetriebs angepasst und wo nötig justiert. Alles musste wahnsinnig schnell gehen, denn alle wollten bereit sein, wenn der Impfstoff eintrifft.
Wo liegen die besonderen Herausforderungen beim Betrieb eines Impfzentrums?
Flavio Baggenstos: Die Sicherheit sowie die Hygiene sind sehr wichtige Aspekte im Betrieb eines Impfzentrums. Besonders herausfordernd war aber war die Suche nach Personal, insbesondere im medizinischen Bereich. Nach anfänglicher Skepsis sind wir vom Einsatz- und Durchhaltewillen der medizinischen Fachkräfte beeindruckt und ziehen den Hut! Viele dieser Leute sind seit Monaten im unermüdlichen «Kampf» gegen die Pandemie und zögerten nicht, sich neben ihrer fixen Anstellung auch noch in einem Impfzentrum zu engagieren. Durch ihr grosses Engagement und die riesige positive Resonanz konnten wir das Impfzentrum auch mit dem Herz, dem Fachpersonal, ausstatten.
«Nach anfänglicher Skepsis sind wir vom Einsatz- und Durchhaltewillen der medizinischen Fachkräfte beeindruckt und ziehen den Hut!»
Mir ist vor Ort die Professionalität wie auch die gleichzeitig recht gelöste und familiäre Atmosphäre aufgefallen. Wie nehmen Sie die Stimmung wahr?
Michel de Maddalena: Das entspricht generell unserer Arbeitsphilosophie und unserem Verständnis von Zusammenarbeit. Wir haben ein sehr grosses Vertrauen in die Menschen, die bei evenjo mit uns zusammenarbeiten. Die Zentren organisieren sich zudem in kleinen Kernteams vor Ort, wo sich innerhalb dieser Gruppen wiederum ein Teamspirit entwickeln kann. Es freut uns natürlich, wenn dieser Spirit auch gegen aussen spürbar ist. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass es eine Aufgabe mit hohem Sinngehalt ist und wir und die Teams vor Ort einen Beitrag leisten können, um die Pandemie zu bekämpfen.
Haben Sie Ihr Know-how auch ausserhalb des Kantons Bern angeboten?
Flavio Baggenstos: Wir sind in der Eventbranche gut vernetzt. Da es sich rumgesprochen hat, wurden wir auf die Impfzentren angesprochen und wir haben im Sinne der schnellen Bewältigung der Pandemie einen unkomplizierten und offenen Know-how-Transfer in andere Kantone betrieben. Weiter haben wir zwei Unternehmungen im Kanton Bern bei ihrer internen Impfkampagne begleitet.
Etwa im September dürfte sich die Impfkampagne ihrem Ende entgegen neigen. Gleichzeitig werden Events schrittweise wieder möglich. Spüren Sie dies bereits in Form neuer Anfragen?
Michel de Maddalena: Tendenziell ja. Allerdings muss man auch sagen, dass die Kundinnen und Kunden nach wie vor sehr zurückhaltend und vorsichtig agieren. Wir hatten bereits letztes Jahr eine solche Phase, die noch etwas euphorischer abgelaufen ist und dann jäh von der zweiten Welle ausgebremst wurde. Diese Erfahrung dürfte nun zu etwas Vorsicht führen. Wir sind aber überzeugt, dass sobald sich die Situation noch mehr normalisiert, die Live-Events wieder stark an Bedeutung gewinnen werden. Die Menschen sind Stream- und Videocall-müde. Es wird Zeit, dass wir uns wieder live begegnen und uns vernetzen und austauschen können.
«Für mich persönlich ist es wichtig, dass diese Regeln wirklich nur temporär gelten, um damit wieder Schritt für Schritt zurück in die Normalität zu gehen und wir nicht riskieren, in eine Klassengesellschaft abzudriften.»
Es ist absehbar, dass in näherer Zukunft nur geimpfte, von Covid genesene und getestete Personen Events besuchen können. Vor welche Herausforderungen stellt Sie dies?
Michel de Maddalena: Das wird sicherlich logistisch eine Herausforderung. Neben der bekannten Einlasskontrolle werden nun noch Zertifikate für Tests und Impfungen sowie Atteste für Genesene dazu gezählt werden müssen. Für ein einigermassen kontrolliertes Umfeld, wie im Rahmen von Firmenevents, ist das gewiss eine einfachere Aufgabe als beispielsweise für Grossveranstaltungen. Und trotzdem stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, dass alle wieder von Veranstaltungen profitieren können. Für mich persönlich ist es wichtig, dass diese Regeln wirklich nur temporär gelten, um damit wieder Schritt für Schritt zurück in die Normalität zu gehen und wir nicht riskieren, in eine Klassengesellschaft abzudriften.
Mit den Impfzentren haben Sie Ihr Unternehmen zum Teil neu ausgerichtet. Welche Erfahrungen und Erlebnisse waren für Sie darüber hinaus in der Coronazeit besonders prägend?
Michel de Maddalena: Es war sehr beeindruckend, wie trotz aller Widrigkeiten das gesamte Team fast durchgehend positiv geblieben ist. Es ist uns als Firma gelungen gemeinsam durch diese Zeit zu gehen und einander dabei stark zu unterstützen. Es hat viel Ungleichgewicht gegeben und insbesondere administrative Aufgaben haben viel Arbeit verlangt. All die Anforderungen erfüllen zu können, damit die Hilfen zugänglich werden, war eine Herkulesaufgabe. Da hat der Teamgeist sehr geholfen. Es war auch super zu sehen, dass unsere Struktur, die bereits vor der Pandemie Homeoffice und Fernarbeit ermöglichte (aber nur wenig genutzt wurde), auf einen Schlag passieren konnte und die geforderte Umstellung problemlos funktionierte.
Herr de Maddalena, Herr Baggenstos, besten Dank für das Interview.
Flavio Baggenstos & Michel de Maddalena
Seit rund 15 Jahren sind Flavio Baggenstos und Michel de Maddalena gemeinsam in verschiedenen Firmen und Funktionen tätig und haben in dieser Zeit Erfahrungen in der Eventtechnik, als Projektleiter von Grossveranstaltungen und in der Zusammenarbeit mit Agenturen gesammelt. 2017 folgte mit der Gründung der evenjo ag der logische Schritt, die Kompetenzen in der eigenen Agentur zu bündeln. Der diplomierte Betriebswirt Baggenstos führt den Finanz- und Personalbereich. Den Kreations- und Projektentwicklungsbereich führt der diplomierte Gestalter in Kommunikationsdesign de Maddalena als Kreativdirektor. Das Projektgeschäft verantworten die beiden zusammen mit der langjährigen Weggefährtin Corinne Zimmermann, die ebenfalls Teil der Geschäftsleitung ist.