Ilse und Michel Wichman, Gastgeber Hotel Spitzhorn Saanen
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Wichman, nach acht Jahren wurde Ihr Engagement im Le Grand Bellevue in Gstaad Ende 2009 “im gegenseitigen Einvernehmen” beendet und die Geschichte Ihres Vorgängers wiederholte sich. Heute hat das Bellevue einen neuen Besitzer. Was haben Sie in der Zeit bis zum Neuanfang im Spitzhorn gemacht und wie ist Ihr Verhältnis zu Thomas Straumann heute?
Michel Wichman: Das Hotel hiess damals noch Grand Hotel Bellevue, welches ich in der Tat lange mit meiner Gattin führen durfte. Eine schöne und lehrreiche Zeit. Die Geschichte meines Vorgängers war eine völlig andere und in keiner Weise vergleichbar mit meinem Weggang. Die Zeit nach dem Bellevue war keine einfache Zeit. Insbesondere, da die Zeitungen eine völlig falsche Darstellung von der Angelegenheit wiedergaben. So war mein Foto auf der Vorderseite des Tagesblattes mit der Schlagzeile „Fristlos entlassen“ ein grosses Missverständnis, unwahr, völlig daneben und komplett übertrieben. Was damals intern alles vorab abgegangen ist, werde ich Ihnen und insbesondere den damaligen Beteiligten ersparen. Mein Verhältnis mit den früheren Besitzern ist heute ungetrübt. Ich darf sagen, dass wir gegenseitig immer noch viel Respekt, sowie Sympathie für einander haben. So gratulierten sie uns mit einem sehr persönlichen Schreiben zur Eröffnung des Spitzhorns.
«Portale für Online-Bewertungen sind ein sehr wichtiges Mittel. Es sind damit unsere Gäste die uns jeden Tag aufs Neue durch diese Portale unsere Sterne vergeben.» Michel Wichman, Gastgeber Hotel Spitzhorn Saanen
Die Basler Versicherung als Besitzerin hat aus dem ehemaligen Aktenlager der 1940-er Jahre ein neues Hotel konzipiert. Wie viele eigene Ideen konnten Sie bei der Konzeption, der Architektur, dem Design und der Ausgestaltung einbringen?
Wir wurden bereits sehr früh ins Hotelkonzept eingebunden. Noch bevor das „alte“ Spitzhorn abgebrochen wurde, war ich bereits bei jeder Bausitzung anwesend. Dies war für mich ein grosser Vertrauensbeweis seitens dem Bauherrn und gleichzeitig eine riesige Herausforderung. Ein Dankeschön geht hier an Herr Stefan Jaggi. Er war es, der uns mit der Basler Versicherung in Kontakt brachte.
In der kurzen Zeit nach der Eröffnung im Dezember 2013 liegt das Spitzhorn bei TripAdvisor schon auf einem Podestplatz (gesamt Platz 2, Preis-/Leistung Platz 1). Wie wichtig sind für Sie solche Online-Bewertungen im Vergleich zu den traditionellen Sterne-Bewertungen?
Portale für Online-Bewertungen sind ein sehr wichtiges Mittel. Es sind damit unsere Gäste, die uns jeden Tag aufs Neue durch diese Portale unsere Sterne vergeben. Sterne an sich sind für das Spitzhorn irrelevant. Man könnte das Ganze hier mit acht Sternen anschreiben und diese vergolden, wenn aber die sogenannten Soft-Faktoren wie Herzblut, authentische und ehrliche Gastfreundschaft nicht vorhanden sind, wird es nicht funktionieren.
«Sterne gehören an den Himmel und haben heutzutage immer weniger mit Hotellerie zu tun. Es geht uns um den wiederkehrenden und zufriedenen Gast.»
Bezüglich Ausstattung, Zimmergrösse, Wellnessbereich oder Essensangebot würde das Spitzhorn spielend auch als Vier-Stern-Hotel durchgehen. Weshalb die selbst gewählte tiefere Einstufung?
Es stimmt, dass Hotellerie Suisse uns vier Sterne Superier vergeben wollte. Wie vorher gesagt gehören meiner Meinung nach Sterne an den Himmel und haben heutzutage immer weniger mit Hotellerie zu tun. Es geht uns um den wiederkehrenden und zufriedenen Gast. Wir gehen vermehrt auf Understatement und übertreffen somit die Erwartungen unserer Gäste weitgehend. Dies führt zu einem wiederkehrenden und begeisterten Gast. So sind wir zum Beispiel für kommende Weihnachten und Silvester bereits ausgebucht.
Als Pächter des Spitzhorns haben Sie und Ihre Frau Ilse Wichman den Schritt vom Management zum Unternehmertum gemacht. Welches unternehmerische Risiko tragen Sie mit diesem Projekt und wie beeinflusst das Ihr Verhalten?
Mieterin ist die Wichman HORECA AG, welche zu 100% meiner Gattin und mir gehört. Als Mieterin führen wir das Hotel Spitzhorn in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und eigenes Risiko. Das Ganze hat in keiner Weise Einfluss auf mein Verhalten. Ich komme aus einer Unternehmer-Familie und habe früh genug gelernt, dass man niemals sparen, sondern immer wieder und ständig optimieren soll. Erfolg ist das was folgt, wenn man etwas richtig macht!
Gstaad hat als Destination sowohl im Sommer als auch im Winter zahlreiche Veranstaltungshöhepunkte (Musik, Tennis, Skifahren…). Welche Saison und welche Themen sollen das Spitzhorn prägen?
Das Spitzhorn ist ein bodenständiges drei Sterne Haus mit einer vier Sterne Infrastruktur, gelegen in einer 5 Sterne Umgebung. Das Spitzhorn ist ein Jahresbetrieb, welcher durchgehend geöffnet ist. Themen wie: Geniessen, die Leichtigkeit des Seins, Sport, Kultur, authentische Gastfreundschaft und „einheimisch“ sollen uns prägen.
Als spezielle Kundenbindungs-Massnahme geben Sie jedem Gast ein eigenes Tagebuch beim Empfang, das beim Verlassen des Hotels in eine eigens dafür angelegte Bibliothek kommt. Wie wurde das im Zeitalter der Smartphones und iPads aufgenommen und welche weiteren Ideen haben sie zur speziellen Kundenbindung?
Gerade eben, weil es nicht elektronisch ist, spricht das Tagebuch unsere Gäste so an. Sie sind froh, die Schnelllebigkeit und Hektik für kurze Zeit vergessen zu können. Unser Tagebuch ist sehr speziell. Es sind unerwartete Momente anderer Art: Lustige, ganz normale Leute, regionale Produkte, lauschige Ecken, grossartige Events, extreme Skiabfahrten, unentdeckte Wanderwege… man sollte solche Freuden teilen. Die Tagebücher leben nicht isoliert. Sie bekommen mit der Zeit tausend Geschwister in unserer Bibliothek. Nicht im Internet, dazu ist die Erfahrungs- und Genuss-Bibliothek zu privat. Weiter muss der Gast auf Gastgeber aus Leidenschaft stossen. Auf Menschen, welche das Gast-Geben zum Beruf gewählt haben und sich in dieser Rolle jeden Tag neu erfinden, damit sie nie in Routine erstarren. Wir tun das mit Leidenschaft. Das spüren unsere Gäste.
Ein Problem vieler Spitzenhotels ist die fehlende Innovations- und Investitionskraft, was häufig darin ersichtlich ist, dass das Tafelsilber (bebaubare Grundstücke) verscherbelt wird, um das Ende hinaus zu zögern. Wie wollen Sie mit dem Spitzhorn dieser Abwärtsspirale entgehen?
Ein begeisterter Gast hat das Saanenland einmal mit der Harmonie einer schönen Melodie verglichen. Nichts ist übertrieben, alles atmet stille Schönheit in Grün für die Wiesen und Wälder, in Blau für Seen und Himmel, in Weiss für Wolken und Schnee. Man steht da und geniesst, umringt von einem Kranz hochragender Berge. Einer der schönsten trägt den Namen Spitzhorn. Er ist ein Schönwetterberg, er teilt die Wolken. Daran orientiert sich unser Hotel: Wer hier eintritt, lässt die Eile und die Hektik des Alltags hinter sich. Die Leichtigkeit des Seins soll unsere Gäste so sehr verzaubern, dass sie sich aufs Wiederkommen freuen.
«Das Spitzhorn kann für den Betreiber, wenn wir nur das Logement in Betracht ziehen, bereits bei einer Auslastung von 48% rentabel geführt werden.»
Für zukünftige Investitionen haben wir eigens einen Erneuerungsfond geschaffen, woraus absehbare Renovierungen getätigt werden können.
Wie sehen die Belegungszahlen für die Startphase aus und ab welcher Auslastung kann das Spitzhorn rentabel geführt werden?
Das Spitzhorn kann für den Betreiber, wenn wir nur das Logement in Betracht ziehen, bereits bei einer Auslastung von 48% rentabel geführt werden. Die Auslastung in der Startphase lag um einiges höher. Hier muss man aber berücksichtigen, dass die Eröffnung des Spitzhorns in den stärksten Umsatzmonaten des Jahres stattfand.
Die Abstimmung zur Masseneinwanderung hat zur Folge, dass wieder Kontingente für ausländische Arbeitskräfte eingeführt werden sollen. Wie wird das Ihren Betrieb beeinflussen?
Ich sehe da kein grosses Problem. Erstens, haben wir vermehrt Schweizer und sogar einheimische Arbeitskräfte, worauf wir übrigens sehr viel Wert legen, angestellt. Zweitens gibt es in solchen politisch gesteuerten Angelegenheiten immer Ausnahmen und diverse Hintertüren. Schlussendlich hat gerade die Schweiz als Tourismusland grosses Interesse daran, weiterhin zu den Besten zu gehören.
«Das Geheimnis liegt in einem wertschätzenden Arbeitsfeld, in dem Spiel, Freude, Lust und Spass, Konzentration und engagierte Mitarbeiter für mehr Energie, Begeisterung, höhere Produktivität und neue Kreativität sorgen.»
Neubauten werden in der Schweiz fast nur noch als Minergie-Objekte erstellt. Wie sieht die Energiebilanz für das Spitzhorn aus, welche speziellen Massnahmen werden getroffen, um den ökologischen Fussabdruck möglichst klein zu halten?
Kostenmässig können wir so eine Bilanz im Moment noch nicht ziehen, dazu reichen die paar Monate seit das Spitzhorn geöffnet ist, noch nicht aus. Das Spitzhorn ist aber zum Beispiel komplett mit LED Licht ausgestattet, hat im gesamten Haus Zeitschalter, ist an die Fernwärme von Saanen angeschlossen und hat für die Speiseabfälle das Biotranssystem gewählt. Aus dieser Biomasse wird umweltfreundliche Energie hergestellt. Am eigenen „Leib“ spürt man den Minergie-Standard am stärksten im Seminarraum – auch bei intensivster Arbeit während eines ganzen Seminar-Tages fühlt man am Abend nicht den sonst üblichen „schweren Kopf“.
Für die Eröffnung mussten Sie auch etwa zwanzig neue Mitarbeitende suchen. Wie schwer war es, die richtigen Personen zu finden und worauf achten Sie vor allem bei einem ersten Gespräch?
Wir setzen auf Spiel und Spass. Ich weiss, das Geheimnis liegt in einem wertschätzenden Arbeitsfeld, in dem Spiel, Freude, Lust und Spass, Konzentration und engagierte Mitarbeiter für mehr Energie, Begeisterung, höhere Produktivität und neue Kreativität sorgen. “Qualität statt Quantität”. Das heisst, viel Personal bedeutet nicht immer gleichzeitig Qualität. Perfekte „Serving People“ strahlen eine gewisse Leidenschaft für ihre Aufgabe aus. Das sehen wir und sieht der Gast in strahlenden Gesichtern, kluger Dienstleistung und Top Qualität. Weiterhin sind wir davon überzeugt, dass zu wissen, für wen man arbeitet, für die Mitarbeiter ein nicht zu unterschätzender Sicherheits-, Identifikations- und Motivationsfaktor sein kann. All dies erleichtert es uns, die richtigen Leute aus der Bewerberflut heraus zu filtern. Alle Mitarbeiter bleiben nach der ersten Wintersaison uns und dem Hotel Spitzhorn treu.
Ihr achtjähriger Sohn Moritz macht auch schon erste Erfahrungen als Mitglied einer Hoteliers-Familie. Welche prägenden Erinnerungen soll Moritz dereinst an seine Kindheit im Spitzhorn haben?
Moritz hat bereits viele positive Erfahrungen vor und während dem Bau mit uns und dem Spitzhorn erleben können. Besonders, dass hinter Allem viel harte und vor allen schöne Arbeit steckt. Auf unserer Website haben wir dieses Insiderwissen von Moritz, dem jüngsten Gast-Geber des Chalethotels Spitzhorn, in einem Video festgehalten.
Zum Abschluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?
Mein erster Wunsch liegt auf der Hand: Weiterhin, gemeinsam mit meiner Gattin Ilse und unserem Sohn Moritz ein gesundes und positives Leben in der „ heilen“ Welt des Saanenlandes zu führen.
Mein zweiter Wunsch liegt auch auf der Hand, langweilig, aber wahr: Weiterhin so viel Freude und Herzblut für meine Aufgaben im Hotel wie bisher zu spüren. Wir lieben unseren Beruf einfach.
Der Gesprächspartner:
Michel Wichman wurde 1971 in Eindhoven, Niederlande, geboren. Nach der Hotelfachschule und Diplom für Hotelmanagement absolvierte er in der Schweiz ein Nachdiplomstudium zum Diplomierten Betriebswirtschafter an der Höheren Fachschule für Wirtschaft. Michel Wichman war in den verschiedensten Kategorien der Gastronomie und Hotellerie tätig. Gemeinsam mit seiner Gattin Ilse führte er 8 Jahre lang für einen Basler Unternehmer ein Grand-Hotel in Gstaad. Mit dem Spitzhorn macht er sich nun selbstständig. Seit über 20 Jahren wohnen Ilse und Michel Wichman in der Schweiz, davon 19 Jahre in Gstaad. Letztes Jahr wurden sie in Saanen eingebürgert.
Das Unternehmen:
Der Neubau des 3* Superior Hotel „Spitzhorn“ im typischen Chaletstil feierte im Dezember 2013 die Eröffnung. Das Haus liegt auf der Sonnenterrasse von Saanen. „Die Leichtigkeit des Seins“ ist der Leitspruch des Gastgeberpaars Ilse und Michel Wichman und seinem Team. Die 50 Zimmer, 110 Betten, bieten beste Aussichten auf die Schönheit der Region. Für Kinder wird ein Spielzimmer eingerichtet. Zum Service gehören eine saisonal ausgerichtete Brasserie-Küche im Restaurant sowie Wellness-, Fitness-, Schwimmbadbereich, Sauna-/Dampfbad, Kneipp- und Massagezone.