Mirco Castellan, CEO USM U. Schärer AG
USM-CEO Mirco Castellan. (Foto: USM)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Castellan, USM hat am Standort Münsingen rund 20 Mio Franken in eine neue Pulverbeschichtungsanlage investiert, in der künftig die USM-Möbel eingefärbt werden. Die neue Anlage ersetzt vier kleinere Pulverbeschichtungsanlagen. Welche Auswirkungen hat dies auf die Produktionskapazitäten?
Mirco Castellan: Wir erzielen mit der neuen Anlage eine Kapazitätssteigerung von bis zu 30 Prozent, schaffen zusätzliche Produktionsfläche und können in Zukunft mit tieferen Betriebskosten und einem nachhaltig verringerten Energie- und Wasserverbrauch operieren. Die gesamte Energieeinsparung beträgt 30 %. Die beschichteten Stahlelemente werden darüber hinaus künftig einen noch höheren Qualitätsstandard aufweisen.
Wie viele Wände und Türen der USM-Möbel können täglich gefertigt werden und wie viele Möbel verlassen täglich das Werk?
Wir werden zukünftig in der Lage sein, rund 7‘000m2 Blech/Tag zu beschichten.
Die neue Pulverbeschichtungsanlage ist voll automatisiert. Sie werden künftig nur noch halb so viele Mitarbeitende in der Färberei benötigen. Kommt es zu einem Stellenabbau?
Wir werden mittelfristig 13 Temporärstellen abbauen. Dabei handelt es sich um niedrig qualifizierte Arbeiten wie das manuelle Auf- und Abhängen der Bleche, das nun von Robotern übernommen wird. Festangestellte Mitarbeiter werden keine abgebaut, im Gegenteil: diese Mitarbeiter werden zukünftig qualitativ hochwertigere Arbeiten in einem viel angenehmeren Raumklima erledigen. Das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter der neuen Anlage ist wesentlich anspruchsvoller.
«Dank ihrer Modularität können unsere Möbel immer wieder neu erfunden und an wechselnde Lebensumstände angepasst werden.»
Mirco Castellan, CEO USM U. Schärer AG
Die Investition am Standort Münsingen ist ein klares Bekenntnis für den Standort Schweiz. Haben Sie alternative Möglichkeiten geprüft, die Produktion in ein Billiglohnland zu verlagern?
Ja, wir haben in den Jahren 2009 und 2010 viele Optionen geprüft und gegeneinander abgewogen.
Wie charakterisieren Sie USM-Möbel und was macht für Sie den grossen Erfolg aus?
Unsere Produkte sind modulare Möbel in zeitlosem Design. Sie stehen für Anpassungsfähigkeit und Erweiterbarkeit in allen räumlichen Dimensionen und bieten damit Lösungen für jede räumliche Herausforderung, sei es im Wohn- oder Arbeitsbereich – oder in hybriden Zwischenräumen. Und wie das Leben selbst sind die Räume, in denen man lebt, in ständigem Wandel. Dank ihrer Modularität können unsere Möbel immer wieder neu erfunden und an wechselnde Lebensumstände angepasst werden. So werden unsere Möbel selbst zu einem Ausdruck der Eindrücke des Lebens – begehrenswerte Objekte, die einen für lange Zeit begleiten. Die allermeisten Kunden bleiben USM-Kunden auf Lebzeiten.
USM-Möbel mit den metallenen Flächen in 14 verschiedenen Farben, den verchromten Rohren und der Kugel als zentralem Element sind weltberühmte Schweizer Design-Klassiker. Zumindest auf den ersten Blick haben sich die Möbel in den letzten Jahrzehnten kaum verändert. Wie wurde das Produkt weiterentwickelt, wo waren oder sind Innovationen möglich?
Unsere Produkte wurden stets und werden immer kontinuierlich nach dem neuesten Stand der Technik weiterentwickelt. Das Erscheinungsbild und die Grundprinzipien werden dabei konstant weitergeführt. So ist sichergestellt, dass jedes neue Systemteil in bestehende Strukturen integriert werden kann. Selbst die in den 60er und 70er Jahren gebauten Möbel sind bei vielen Kunden noch im Einsatz und können problemlos erweitert werden. In unserer Produktvision gibt es dafür einen eindeutigen Begriff: Rückwärtskompatibilität. Der Grundsatz, dass die Form der Funktion folgt, wird in allen Produktlinien beherzigt. Dadurch entsteht eine formale Reduziertheit, die mit funktionellem Reichtum gepaart ist, oder einfacher ausgedrückt: Es ist die Konzentration auf das Wesentliche.
«Der Grundsatz, dass die Form der Funktion folgt, wird in allen Produktlinien beherzigt.»
Jedes Jahr werden etwa 40’000 Arbeitsplätze mit USM-Möbeln eingerichtet. Immer häufiger sind USM-Möbel aber auch im privaten Bereich anzutreffen. Wie gross ist der Anteil der privaten Kunden?
Der Anteil variiert je nach Markt. Über die gesamte Gruppe gesehen gehen wir heute von 70% Geschäfts- und 30% Privatkundenanteil aus. Der Privatkundenanteil ist steigend.
Legen Sie hier mit Produktelinien Schwerpunkte, zum Beispiel für Wohnzimmer oder für den Essbereich?
Wir investieren zurzeit auf der Entwicklungsseite in verschiedene Projekte welche das USM Haller System für den Heimbereich noch effizienter machen werden. Themen welche uns beschäftigen sind beispielsweise optimierte Auszüge und Scharniere mit Softclose Eigenschaften, spezifische Ablagen und Innenorganisationselemente (z.B. für Besteck, Gläser, Kleider) oder eine stark erweiterte Auswahl an Oberflächen für unsere Tische.
«Wir haben nun diesen Anspruch an raumakustische Funktionalität im USM Möbelbausystem Haller realisiert.»
In Deutschland hat sich USM mit anderen Unternehmen zu einer Arbeitsgruppe im Bereich besserer Akustik in Büroräumen zusammengeschlossen. Welchen Beitrag kann USM hier leisten?
Neue Bürobauten werden mit immer weniger schallabsorbierenden Flächen geplant bzw. gebaut. Thermisch aktivierte Betondecken zum Beispiel optimieren zwar das Raumklima, haben aus akustischer Sicht aber den Nachteil, dass die Deckenflächen gar nicht oder nur mehr bedingt für raumakustische Massnahmen zur Verfügung stehen. Eine mögliche Alternative sind akustisch wirksame Einrichtungsgegenstände. Wir haben nun diesen Anspruch an raumakustische Funktionalität im USM Möbelbausystem Haller realisiert. Ohne Stauraum im Möbel zu verlieren, kann je nach Erfordernis die vorhandene akustische Situation durch schallabsorbierende USM Möbel ergänzt oder sogar die gesamte Raumakustik durch die Möblierung reguliert werden. Teure Investitionen in gebäudeseitige Lösungen können dadurch minimiert werden oder entfallen ganz.
Über Vertriebspartner ist USM in über 30 Ländern präsent. Welcher Anteil am Jahresumsatz von rund 180 Mio Franken erwirtschaften Sie im Ausland?
Unser Exportanteil liegt bei rund 65%.
Gerade im deutschsprachigen Raum sind USM-Möbel sehr präsent. Seit über einem Jahrzehnt ist USM aber auch im US-Markt aktiv. Wie hat sich das Geschäft entwickelt und welches sind die grössten Herausforderungen in diesem riesigen Markt?
Im Grossraum New York wo sich unsere Niederlassung und unser Showroom befinden sind unsere Zahlen schon seit mehreren Jahren sehr erfreulich. Wir verzeichnen nun auch immer grössere Erfolge in weiteren Städten wie Los Angeles, San Francisco, Washington, Miami und Chicago. Allerdings stellen die enormen Distanzen in diesem Markt und die unterschiedlichen Einstellungen bezüglich Design und Geschmack grosse Herausforderungen an Sortiment und Distribution.
Haben Sie neue Märkte im Visier?
Im Moment widmen wir uns fokussiert der weiteren Entwicklung der Märkte Italien, Österreich, Grossbritannien und bald auch Australien.
Letzte Frage: Die Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative sorgt national wie international für viele Schlagzeilen. Welche Konsequenzen kann das Votum für USM haben, wo «Swiss Made» ja ein wichtiger Pfeiler des Erfolgs ist?
Für exportorientierte Unternehmen sind freie Marktzugänge eine wichtige Voraussetzung. Natürlich wäre es fatal, wenn sich als Konsequenz der MEI diesbezüglich im Handel mit der EU negative bzw. falsche Entwicklungen ergeben würden. Allerdings gilt es erst mal abzuwarten und nicht schon heute Auswirkungen heraufzubeschwören die hoffentlich gar nie eintreten werden.
Herr Castellan, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Mirco Castellan wurde 1973 in Bern geboren. Der eidg. dipl. Kaufmann hält einen europäischen MBA mit Schwerpunkt Beratungs-industrie. Castellan belegte Kaderfunktionen in den Branchen Versicherung, Telekom/IT und Unternehmensberatung, bevor er 2007 in die USM U. Schärer Söhne AG im bernischen Münsingen eintrat. Vor seiner Ernennung zum CEO der USM U. Schärer Söhne AG per 01. Januar 2011 zeichnete er als Exportdirektor mehrere Jahre für den Auf- und Ausbau des weltweiten USM-Vertriebssystems verantwortlich. In den Jahren 2008 und 2009 baute er die USM Tochtergesellschaft in Tokio, Japan auf. Der Gebirgsgrenadier der Schweizer Armee ist Taucher, Jäger, leidenschaftlicher Schachspieler und betreibt unterschiedliche Ausdauersportarten.