Monika Krüsi. mehrfache Verwaltungsrätin
Interview von Anouk Arbenz und Christoph Hilber, Unternehmerzeitung, P-Connect
Sie haben einen Doktor in Informatik, sind Betriebswirtschafterin und der Branchenschwerpunkt Ihrer Tätigkeit liegt in der Investitionsgüterindustrie, der Bau- und Baunebenbranche, im Verkehr und Hightech-Bereich. Sind Sie die Antithese des klassischen Rollenbildes?
Monika Krüsi: An ein klassisches Rollenbild glaube ich nicht mehr. Allerdings gehöre ich in der Schweiz als Frau mit meinem Hintergrund schon zur Minderheit. Ich habe aus Interesse Informatik und Betriebswirtschaft studiert, vor allem weil mir das Methodische und Systematische, das Arbeiten mit Modellen sehr gefallen hat. Mich hat auch fasziniert, wie man über die Informatik Produktionsprozesse steuern und kontrollieren kann.
«Startups sind meist etwas chaotisch und brauchen Strukturen und einen klaren Fokus, um zu wachsen.» Monika Krüsi
Woher kommt Ihre Leidenschaft zur Technik? Hat Ihr familiärer Hintergrund dazu beigetragen?
Ob das Interesse familiär bedingt ist, weiss ich nicht, jedoch sagte man mir, dass ein gewisser Herr Krüsi Assistent von Thomas Edison gewesen sein soll (lacht). Ich bin eine sehr neugierige Person. Mich hat immer schon interessiert, wie die Dinge funktionieren und aus was sie bestehen.
Sie sind unter anderem VR bei Burckhardt Compression und CP Pumpen – beides grössere Firmen – und haben auch die Startup-Welt kennengelernt. Konnten Sie Ihre Erfahrungen dort einbringen?
Als ich bei McKinsey war, haben wir vor allem Grossfirmen beraten. Später bin ich dann mit Startups in Kontakt gekommen. Als VR versuche ich, die Stärken von Gross- und Jungunternehmen zu vereinen. Denn beide können voneinander lernen. Startups sind meist etwas chaotisch und brauchen Strukturen und einen klaren Fokus, um zu wachsen. Grossfirmen dagegen könnten etwas mehr «Chaos» im Sinne von Flexibilität vertragen. Bei einem Grossunternehmen haben wir dies z. B. mit hierarchieübergreifenden Entscheidungs-Gremien gelöst.
Als Frau sind Sie eigentlich immer in der Minderheit. Muss man sich da ständig behaupten?
Ich musste mich nie speziell behaupten. Ich war immer in Bereichen tätig, in denen es wenige Frauen hatte. Ich habe in meiner Karriere allerdings mit zwei Frauen in Führungspositionen gearbeitet, die richtig anstrengend waren. «Kratzbürsten» habe ich sie genannt. Ich warf einen Blick hinter diese Fassade und merkte, dass es sich eigentlich um faszinierende Persönlichkeiten handelt – heute verstehe ich mich bestens mit Ihnen. Sie mussten sich diese Haltung leider aneignen, um akzeptiert zu werden.
«Ich wollte Kind und Karriere. Dazu muss man stehen, auch wenn Aussenstehende dies vielleicht nicht verstehen wollen.»
Wie machen Sie sich ein Bild von den Unternehmen, in denen Sie VR sind?
Ich gehe immer durch die Produktionshalle und sehe mir das Lager an. Dieses ist für mich das Spiegelbild eines Unternehmens. Man sieht Abläufe, gewisse Strukturen, wie die Leute arbeiten und einen begrüssen. Man kann dort bereits Schwachstellen ausmachen und erkennt, wo man als VR ansetzen kann.
Müssen Sie sich anfangs jeweils etwas zurückhalten, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen?
(Lacht) Ich glaube, gerade das macht auch die Rolle eines VRs aus; dass man aufmerksam und kritisch ist und Dinge hinterfragt. Da bin ich dann schon direkt.
Haben Frauen einen anderen Führungsstil als Männer?
Es heisst oft, Frauen seien sensitiver auf bestimmte Dinge, denken umfassender und sprechen Probleme öfter an. Männer merken es vielleicht, sprechen es aber nicht an. Für mich ist es aber zu einfach, wenn man sagt: So sind Frauen, so Männer. Der kulturelle und soziale Hintergrund hat einen viel grösseren Einfluss als das Geschlecht.
Sie sind Mutter von zwei Kindern. Wie managt man Familie und Beruf?
Ich habe einen ganz bewussten Entscheid getroffen, mit meinem Mann und meinem Umfeld. Ich wollte Kind und Karriere. Dazu muss man stehen, auch wenn Aussenstehende dies vielleicht nicht verstehen wollen. Neben einer guten Organisation braucht es auch einen enormen Energiepegel, weil man auf mehreren Ebenen jongliert. Ich bin sehr froh, dass ich die Unterstützung von meinem Mann, meiner Schwiegermutter und meiner Schwester habe.
«Die Schweiz ist laut dem World Economic Bericht das zweitinnovativste Land der Welt. Das Problem ist, dass wir nichts daraus machen.»
Was würde sich ändern, wenn es mehr Frauen im VR gäbe?
Bessere Entscheide. Ganz klar (lacht). Das hat aber nichts mit Frauen oder Männern zu tun, sondern mit Diversität allgemein. Je besser durchmischt, desto bessere Entscheide gibt es. Unterschiedliche Erfahrungen, unterschiedliche Kulturen bringen verschiedene Sichtweisen ein und sorgen somit für eine bessere Entscheidungsqualität.
Sie engagieren sich bei der KTI für die Förderung von Unternehmertum. Wo sehen Sie für diese noch die grössten Hürden?
Die Schweiz ist laut dem World Economic Bericht das zweitinnovativste Land der Welt. Das Problem ist, dass wir nichts daraus machen – sprich: Wir kommerzialisieren diese Ideen nicht. Wir bringen die Produkte nicht auf den Markt, generieren keinen Umsatz und schaffen dadurch auch keine Arbeitsplätze. Ich setze mich dafür ein, dass sich dies ändert.
Woran könnte es liegen, dass solche Ideen zu wenig umgesetzt werden?
In der Schweiz ist man eher technisch und weniger marktorientiert. Manchmal denke ich auch, dass wir etwas zu perfektionistisch sind. Die Leute, die beim KTI zu uns kommen, haben bereits ein perfektes Produkt. Dann ist es aber vielleicht schon zu spät, um damit auf den Markt zu gehen. Man müsste diesbezüglich mehr wagen. Hinzu kommt, dass man in der Schweiz schnell als «Versager» abgestempelt wird, wenn man als Unternehmer gestrandet ist. Da wünschte ich mir eine Fehlerkultur, wie es sie beispielsweise in Amerika gibt. Man sollte auf den Erfahrungen der gescheiterten Person aufbauen, statt nur die Misserfolge zu sehen.
Was halten Sie vom Industriestandort Schweiz und wo sehen Sie diesen in 5 bis 10 Jahren?
Der starke Franken führt zu einer schleichenden De-Industrialisierung. Das ist gefährlich. Was ich aber auch sehe, ist eine Riesenchance – z. B. Industrie 4.0. Über diese spricht man viel zu wenig. Ich lese jährlich mindestens 100 Businesspläne von Jungunternehmen im Technologiebereich. Es sind genügend Themen im Innovationsbereich in der Schweiz vorhanden, dass wir den Standort sichern und die De-Industrialisierung minimieren können. Mit dem «Internet of Things», den IT-Systemen, Big Data und neuen Technologien, die man in Produktionsprozesse integrieren kann. In der Schweiz haben wir gute Hochschulen und die Kompetenz, um in diesem Bereich eine führende Rolle zu übernehmen.
Sollte die Produktion also ins Ausland verlagert werden und die Intelligenz im ITBereich respektive Innovationsbereich im eigenen Haus behalten werden?
Mit «Internet of Things» sollte es eigentlich möglich sein, die Produktion und Logistik von einem Standort aus weltweit zu kontrollieren. Das ist neu, dass man irgendwo sitzen und weltweit Prozesse überwachen und steuern kann. Um dies zu erreichen, muss man extrem innovativ sein und eine gute Infrastruktur haben – das haben wir alles in der Schweiz. Dafür muss man aber in die Ausbildung investieren.
Die Gesprächspartnerin:
Monika Krüsi absolvierte ihr Betriebswirtschaftsstudium an der Universität Zürich und promovierte dort in Wirtschaftsinformatik zum Thema Business Process Reengineering. Sie ist Managing Partner der Unternehmensberatung MKP Consulting AG und ebenfalls Coach bei KTI, der Innovationsförderagentur des Bundes. Bei McKinsey & Company war Monika Krüsi über zehn Jahre verantwortlich für Kunden aus dem Transportwesen und der Industrie mit Fokus auf Engineering, Anlagen und Maschinenbau. Sie war über drei Jahre Partnerin bei VI Partners AG, einer technologie-orientierten Beteiligungsgesellschaft. Bei der Burckhardt Compression AG ist Monika Krüsi Mitglied des Strategie- und Prüfungsausschusses. Weitere VR-Mandate: ACP Schweiz (Chip Design), Emch AG und CP Pumpen AG. Weiterhin ist sie Vorstandsmitglied im Technopark Luzern. Monika Krüsi ist verheiratet und Mutter von zwei Töchtern.