Nicolas Bürer, Geschäftsführer digitalswitzerland, im Interview
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Bürer, gerade nachdem aus DigitalZurich2025 digitalswitzerland wurde, übernehmen Sie als Geschäftsführer. Wie sieht die neue Zielsetzung aus, welches sind die wichtigsten Änderungen, die Sie vornehmen?
Nicolas Bürer: Mit unserem neuen Brand digitalswitzerland wollen wir nicht mehr nur Zürich, sondern die ganze Schweiz als führender Innovationshub in Europa positionieren. Nur ein Jahr nach Gründung ist das Interesse an der Initiative so gross, dass wir unsere Aktivitäten im nächsten Jahr auf die Romandie, das Tessin und die Region Basel ausweiten und auch dort erste Initiativen und Kooperationen anstossen. So können wir den industrie-übergreifenden Standortvorteil der Schweiz noch besser nutzen.
«Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft und daher für uns genauso relevant wie Start-ups und Grossunternehmen.» Nicolas Bürer, Geschäftsführer digitalswitzerland
digitalswitzerland wird aktuell vor allem von Grossunternehmen getragen. Wie sollen die für die Innovation und Arbeitsplätze entscheidenden KMU eingebunden werden?
Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft und daher für uns genauso relevant wie Start-ups und Grossunternehmen. Vor kurzem hat digitalswitzerland die Webplattform Education Digital lanciert. Die nicht kommerzielle Webplattform bietet einen umfassenden, transparenten Überblick über das Weiterbildungsangebot im Digital-Bereich in der Schweiz. Die Plattform will gerade KMU mit ihrem Angebot gezielt in der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden im Bereich Digital unterstützen. Zudem wird digitalswitzerland im 2017 Partner des KMU Digital Summit.
Der Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff hat sich gerade in seiner Kolumne der wachsenden Zahl der Digitalisierungs-Kritiker angeschlossen. Seiner Meinung nach führt die Digitalisierung vor allem zu einer Umverteilung von Marktanteilen bei einem gesamtwirtschaftlichen Nullsummen-Spiel und einem Abbau von Arbeitsplätzen. Wie sieht Ihre Einschätzung der Digitalisierung aus?
Ich bin hier anderer Meinung und sehe in der Digitalisierung vor allem Chancen. Wie in allen vorausgehenden Revolutionen werden gewisse Jobprofile verschwinden. Für die betroffenen Mitarbeitenden gilt es Lösungen zu suchen. Auf der anderen Seite sehe ich aber viele neue und spannende Jobprofile entstehen.
Der erste Kickstart Accelerator im ewz-Unterwerk Selnau ging gerade mit sehr beachtlichem Erfolg zu Ende. Was wird bei der zweiten Durchführung im kommenden Jahr beibehalten, was geändert?
Wir sind mit dem Erfolg des Kickstart Accelerator in der Tat sehr zufrieden. Wir haben es geschafft, 30 nationale und internationale Start-ups in den Bereichen ‘Fintech’, ‘Smart & Connected Machines’, ‘Food’ und ‘Future & Emerging Technologies’ über 11 Wochen sowohl finanziell als auch bei der Weiterentwicklung ihrer Geschäftsideen zu unterstützen. Dabei waren die Experten und das Know-how der zahlreichen Partner massgebend für den Erfolg des Programms und wir sind glücklich, dass zahlreiche Sponsoren ihre Beiträge für 2017 in Aussicht gestellt haben. Für die Durchführung 2017 sind wir bereits wieder in der Planungsphase und werden demnächst informieren.
«Mehrere der (ausländischen) Startups, welche am Kickstart Accelerator-Programm teilgenommen haben, wollen Ihre Tätigkeit in der Schweiz fortsetzen.»
Eine der Erwartungen des Kickstart Accelerators war, dass sich ausländische Startups in der Schweiz niederlassen und hier auch Arbeitsplätze schaffen. Inwieweit wurde diese Erwartung erfüllt?
Es haben sich in der Tat bereits interessante ausländische Startups in der Schweiz niedergelassen. Wie viele es genau sind, wissen wir allerdings nicht. Mehrere der Startups, welche am Kickstart Accelerator-Programm teilgenommen haben, wollen Ihre Tätigkeit in der Schweiz fortsetzen, worin wir sie gerne weiterhin unterstützen werden. Wir hoffen sehr, dass sie langfristig in der Schweiz bleiben und Arbeitsplätze schaffen werden.
Auffallend viele Startups in der Schweiz werden schon in einer frühen Phase von grösseren Unternehmen übernommen oder geben als Ziel einen frühen Exit an. Ein Zeichen von fehlendem Willen, alleine die Welt zu erobern oder ein gutes Signal, dass grosse Unternehmen den Wert neuer Ideen und Lösungen erkannt haben?
Beides. Ich wünsche mir, dass mehr Schweizer Unternehmen den Mut haben, ihre Ideen und Visionen umzusetzen – mit dem Ziel, die Welt zu erobern. Wie toll wäre es, wenn wir in den nächsten Jahren eine Firma wie Spotify aus der Schweiz heraus aufbauen könnten. Andererseits ist es aber auch richtig, dass Grossunternehmen an eigenen Innovationen und an der Akquise von Startups momentan stark interessiert sind. So können sie am Markt stärker auftreten – und dieser entscheidet am Ende des Tages.
Bei Movu (VR-Präsident und Investor), Joiz (Geschäftsführer) und DeinDeal haben Sie selbst Startup-Erfahrungen gesammelt. Was sind die bleibendsten Erkenntnisse, die Ihnen bei Ihrer neuen Aufgabe helfen?
Meine Tätigkeiten in diesen jungen Unternehmen haben mich gelehrt, eine Mission lean, agil und auch etwas hartnäckig umzusetzen. Mein Team und ich arbeiten in unseren Projekten in Sprints: Denken, analysieren, umsetzen und korrigieren.
«Ich wünsche mir, dass mehr Schweizer Unternehmen den Mut haben, ihre Ideen und Visionen umzusetzen – mit dem Ziel, die Welt zu erobern.»
Während die Digitalisierung im Finanzbereich über die Fintechs und Insuretechs schon breit thematisiert ist, ist es in der Industrie noch eher ruhig. Wo steht die Schweiz im Bereich Robotics und dem Internet der Dinge?
Ich bin der Meinung, dass wir uns auch in der Industrie sehr gut entwickeln werden. Die Schweiz gehört zu den weltweit führenden Nationen in der Forschung der Bereiche Robotics und Internet der Dinge. Ersichtlich wird diese Führungsposition ebenfalls an der Tatsache, dass Länder wie die USA und China ein reges Interesse am Austausch und der Kollaboration mit unseren hochkarätigen Forschern und Forschungsinstituten an den Tag legen. Der von digitalswitzerland initiierte Investor Summit im Januar 2017 wird ebenfalls zu einer solchen Entwicklung beitragen, indem Schweizer Startups unter anderem im Bereich Robotics sich ausländischen Investoren vorstellen und somit international positionieren können.
Nach der Anpassung der Besteuerung von Startups in Zürich nach der so genannten Praktikermethode und den Erleichterungen für Fintechs auf Bundesebene (Sandkasten und Banklizenz light), was steht einem erfolgreichen Fintech-Hub Schweiz noch im Wege?
Die Voraussetzungen für Fintechs sind in der Tat deutlich besser geworden. Das freut uns sehr. Es braucht jetzt weitere mutige Unternehmer, die ihre Firmen in der Schweiz gründen und auch langfristig aus der Schweiz heraus führen. Dafür möchten wir die Startups weiterhin mit Lobbying und Promotion weiterhin intensiv zu unterstützen.
Wenn Sie morgen ohne jegliche Einschränkungen ein Startup gründen könnten, was würde dieses anbieten oder produzieren, welches Problem würden Sie lösen?
Ich würde ein Ökosystem aufsetzen, in dem wir dank Digitalisierung enorm produktiv arbeiten werden, eine viel besseren Lifestyle geniessen werden und dazu noch einen Grundeinkommen für alle finanzieren werden.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
In 2020 ist die Schweiz auf eine weltweit anerkannte Startup Hub Ranking unter den Top 10. Auch in 2020 sind ein oder mehrere sehr internationale oder sehr erfolgreiche Startups aus der Schweiz gegründet worden.
Der Gesprächspartner:
Nicolas Bürer studierte Physik an der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL). Nach 6 Jahre im Consulting tätig, war er von 2011 bis 2013 als Chief Revenue und Marketing Officer bei Deindeal.ch tätig. Danach wurde er Mitgründer bei Movu.ch, wo er immer noch Präsident ist. Im Januar 2014 übernahm er als Managing Director die Leitung von Joiz Schweiz AG. Seit Anfang 2016 ist er Vizepräsident der Swiss Startup Association.
Das Unternehmen:
digitalswitzerland ist eine industrieübergreifende Initiative, welche die Positionierung der Schweiz als attraktiven Standort für digitale Start-ups, Unternehmen und Talente sowie Unterstützung der Schweizer Firmen bei der Meisterung digitaler Herausforderungen bezweckt. Die Initiative wurde 2015 von namhaften Unternehmen, Verbänden und Vertretern aus der Politik und Wissenschaft ins Leben gerufen. Heute gehören mehr als 30 der bekanntesten Schweizer Organisationen dem Verein an.