Nicolas Perrenoud, CEO Finecom Telecommunications AG.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Perrenoud, die Finecom Telecommunications AG ist ein Fullservice-Provider für Netzbetreiber, die ihren Endkunden Internet, Festnetz- und Mobiltelefonie und Fernsehen bzw. Digital-TV über das Breitbandkabel anbieten. Wieviele Gemeinden, Haushalte und Kunden können so Ihre Dienste, resp. das Multimedia-Produkt „QuickLine“ in Anspruch nehmen?
Nicolas Perrenoud: Die Produktpalette von QuickLine können heute rund 200’000 Haushalte in 230 Gemeinden beanspruchen. Wir zählen aktuell über 70’000 Kunden.
Wieviele unabhängige Kabelnetzunternehmen sind derzeit am Partnermodell beteiligt und wie funktioniert dieses?
Zusammen mit Finecom sind zur Zeit 16 Unternehmen am Partnermodell angeschlossen, davon 14 mit dem Brand QuickLine und zwei mit eigener Marke. Das QuickLine-Modell funktioniert so, dass Finecom als Service-Provider zentral für die gesamte technische Infrastruktur und das Marketing sowie den Kundendienst verantwortlich ist und der Partner vor Ort für den Vertrag und die Betreuung der Endkunden. Das Geschäftsmodell basiert auf einem Revenue-sharing. Wenn vom Partner gewünscht – und das ist heute in drei Kabelnetzen der Fall – übernimmt Finecom auch vollumfänglich das Endkunden-Management.
«Das strategische Ziel von Finecom ist der Ausbau des Marktpotentials im Schweizer Kabelnetzmarkt von heute 200’000 auf 500’000 Haushalte.»
Nicolas Perrenoud, CEO Finecom Telecommunications AG
Mit ihrem Glasfaser-Backbone ermöglicht Finecom Hochleistungs-Verbindungen sowohl in den ländlichen Regionen im Raum Seeland-Mittelland-Oberaargau als auch neu in der Stadt Bern. Planen Sie längerfristig eine geographische Ausweitung Ihres Angebotes?
Das strategische Ziel von Finecom ist der Ausbau des Marktpotentials im Schweizer Kabelnetzmarkt von heute 200’000 auf 500’000 Haushalte. Wir sind überzeugt, mit einer innovativen Produktpalette und unserem attraktiven Geschäftsmodell pro aktiv die Konsolidierung im Schweizer Kabelnetzmarkt mitzugestalten.
Für 2010 hat Finecom erstmals Auszüge aus dem Geschäftsergebnis veröffentlicht. Wie viele QuickLine-Privatkunden konnten im vergangenen Jahr dazu gewonnen werden und wie hat sich das auf den Umsatz ausgewirkt?
Im 2010 konnten wir über 8700 Internet-Kunden, 6600 Telefonie-Kunden und über 15’000 DTV-Kunden dazu gewinnen. Mit dem neu lancierten Produkt Verte! haben wir im zweiten Semester 2010 bereits rund 2000 Neukunden gewonnen und dies ohne grosse Bewerbung. Das Umsatzwachstum betrug alleine bei der Finecom 13,3% im Vergleich zum Vorjahr.
Wie hat sich insbesondere der Bereich Digital-TV entwickelt?
Im September 2010 haben wir die Grundverschlüsselung im gesamten QuickLine Gebiet aufgehoben. Die Einwohner profitieren dadurch von 120 digitalen TV- und 140 digitalen Radio-Sendern, die sie unverschlüsselt empfangen können. Die Digitalisierung ist stark vorangeschritten. Die Kundenpenetration hat von 20% auf über 30% zugenommen. Gleichzeitig haben wir mit Verte! einen zusätzlichen Treiber im digitalen Markt.
«Sendungen können bequem bis zu 24 Stunden zeitversetzt angeschaut werden, ohne vorgängige Aufnahme.»
Einer der Haupttreiber des Umsatzwachstums ist das angesprochene, interaktive TV-Angebot „Verte!“. Welche Vorzüge hat „Verte!“, was kostet das Produkt und wie viele Kunden konnten Sie damit bisher gewinnen?
Verte! ist ein völlig neuartiges TV-Erlebnis. Nebst einer riesigen Sendervielfalt entscheidet der Zuschauer auch selbst, was er wann sehen will. Sendungen können bequem bis zu 24 Stunden zeitversetzt angeschaut werden, ohne vorgängige Aufnahme. Eine grosse Videothek sowie nonlineare Lifestyle-Funktionen, welche bisher nur auf dem PC möglich waren, bieten zusätzlichen TV-Komfort. Zudem ist Verte! äusserst benutzerfreundlich und wird laufend weiterentwickelt. Aktuell zählen wir bereits über 3‘000 Kunden. Das Produkt wurde im April 2011 erstmals beworben, was in den letzten Wochen zu einem sehr erfreulichen Bestellungseingang geführt hat. Erhältlich ist Verte! als Einzelprodukt für CHF 25.00/Monat, die ersten drei Monate zum reduzierten Preis. Im Kombiangebot kostet es nur noch CHF 20.–.
Der Start von „Verte!“ ging nicht ohne technische Probleme über die Bühne und Sie haben deshalb in den ersten Monaten auch auf eine Rechnungsstellung verzichtet. Sind diese Probleme mittlerweile gelöst?
Es ist korrekt, dass wir nach der Einführung von Verte! im 2. Quartal bis im Herbst 2010 Probleme mit der Stabilität der Plattform hatten. Aus diesem Grund verrechneten wir das Produkt erst ab November. Seit Dezember läuft die Plattform nun stabil. Die vielen positiven Kundenfeedbacks motivieren uns, mit Hochdruck an neuen Funktionalitäten für ein noch besseres Kundenerlebnis zu arbeiten. Wir sind bestrebt, den Vorsprung gegenüber Swisscom TV weiter auszubauen.
„Verte!“ ist ein innovatives TV-Angebot. Wie wird sich das Produkt einerseits, der TV-Konsum andererseits, in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Die Konvergenz zwischen Internet und TV wird weiter voranschreiten. Schon heute kann der TV-Konsument mit der Verte! Fernbedienung bequem eine Pizza bestellen oder News lesen. Bereits in Kürze werden wir weitere solche Funktionen integrieren, beispielsweise die Funktion «Börse» mit individuellem Wertschriften-Portfolio. Mittel- bis langfristig ist es unser Ziel, Verte! ohne Settop-Box auf jedem TV anzubieten. Ich bin überzeugt, dass sogenannte Over-the-Top-Player wie Google-TV oder Apple-TV zwar mittelfristig Marktanteile gewinnen werden, unser Service aber nach wie vor ein wichtiger Bestandteil sein wird. Dass nich-tlineare Funktionen das Konsumverhalten verändern, sieht man in skandinavischen Ländern, wo bereits nach zwei Jahren rund 60% des TV-Konsums nichtlinear erfolgt.
Mitte April haben Sie ein neues HD Pay-TV-Paket ins Programm aufgenommen, u.a. mit dem Sportkanal ESPN America HD. Wer Schweizer Sport über das Angebot von SF2 hinaus sehen will, muss aber nach wie vor Swisscom TV, Cablecom oder direkt Teleclub abonnieren. Wie gross ist dieser Nachteil und sehen Sie Chancen, die Teleclub-Pakete auch bald anbieten zu können?
«Leider zeigt sich Teleclub in Bezug auf Exklusivrechte gegenüber Kabelnetzbetreibern nicht sehr kooperativ.»
Unsere Kunden können – analog den Cablecom-Gebieten – bereits heute Teleclub bestellen, jedoch mit einer separaten Box. Seit längerer Zeit sind wir in Verhandlungen mit Teleclub, den Service auch auf unserer Settop-Box anbieten zu können. Leider zeigt sich Teleclub in Bezug auf Exklusivrechte gegenüber Kabelnetzbetreibern nicht sehr kooperativ. Als Differenzierung gegenüber den nationalen Playern möchten wir vor allem lokalen Content anbieten.
2010 ist Finecom via Glasfasernetz der Energie Wasser Bern EWB in den Berner Telekommarkt eingetreten. Wie wichtig war dieser Schritt und wie werden die Produkte in städtischem Gebiet genutzt?
Für uns war dies ein wichtiges Projekt zur Sammlung von Erfahrungen mit der Fiber-to-the-Home Technologie. Dies kommt uns jetzt auch im QuickLine-Gebiet zu Gute, wo bereits fünf Partner QuickLine auch auf Glasfaser anbieten. Aufgrund der ersten Erfahrungen haben wir festgestellt, dass es auf Basis «open access» sehr schwierig und kostenintensiv ist, neue Kunden zu gewinnen. Ich bin skeptisch, dass sich dieses Geschäftsmodell langfristig durchsetzen wird.
Sie können sich mit innovativen Produkten mit Swisscom und Cablecom messen, mit der Qualität, auch mit attraktiven Preispaketen. Im Vergleich zu den grossen Anbietern ist Finecom aber nach wie vor ein kleines Unternehmen. Wie sieht die Wachstumsstrategie aus?
Mit unserem Verbund sind wir die Nummer zwei im Schweizer Kabelnetzmarkt hinter Cablecom. Die Grösse ist jedoch aktuell nicht ausreichend um langfristig im Wettbewerb mit der Swisscom erfolgreich zu sein. Deshalb beabsichtigen wir – wie bereits erwähnt – mit unserer Wachstumsstrategie eine Ausdehnung auf rund 20% des Schweizer Kabelnetzmarktes. Wir sind überzeugt, die Ziele zu erreichen und fühlen uns durch die Gespräche mit potentiellen Kabelnetzen darin bestätigt.
Welche Strategie verfolgen Sie im Bereich der Geschäftskunden?
Für die Geschäftskunden bietet Finecom Glasfaserprojekte, Mietleitungen, Internetanbindungen und Kommunikationslösungen an. Im QuickLine-Gebiet haben wir bereits einen grossen Kundenstamm. Hauptfokus bleibt aber der Residentialmarkt.
Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?
Durch die qualitativ hochwertige Ausbildung in der Schweiz werden sehr gut ausgebildete junge Leute in den Arbeitsmarkt integriert. Ich denke, dass wir diese Position auch zukünftig im internationalen Wettbewerb halten können.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
Wir beschränken uns auf unsere Kernkompetenzen und setzen alles daran, hier einen guten Job zu machen.
Zur Person:
Nicolas Perrenoud (Jg. 1973) studierte Betriebswirtschaft an der HWV in Bern (Abschluss 1998). Er begann seine berufliche Laufbahn als Revisionsleiter bei Ernst & Young bevor er im Jahr 2000 zur BVgroup in den Bereich Private Equity/Venture Capital wechselte. Dort war er rund drei Jahre als Investment Manager und Mitglied der Geschäftsleitung tätig bevor er sich im Jahr 2003 selbstständig machte und diverse Mandate als CFO an Interim übernahm. Ende 2004 trat er als CFO in die Finecom ein und unterstütze im Jahr 2005 den damaligen Eigentümer beim Verkauf der Firma an die heutige Aktionärin (Besonet AG). Als stellvertretender Geschäftsführer beeinflusste er in den vergangenen Jahren massgebend den Geschäftsverlauf und die Einführung neuer Geschäftsmodelle und Produkte, insbesondere das erfolgreiche Beteiligungsmodell der QuickLine Partner. Per 1. Juli 2010 erfolgte dann die Stabsübergabe des Firmengründer und bisherigen Firmenchef an Nicolas Perrenoud, welcher seit diesem Zeitpunkt die operative Gesamtverantwortung als CEO trägt.
Über Finecom Telecommunications AG
Finecom Telecommunications AG mit Sitz in Biel und einem Team von 42 Mitarbeitenden positioniert sich als Fullservice-Provider für Internet, Festnetz- und Mobiltelefonie sowie Digital TV bzw. interaktives TV (Quadruple-Play-Dienste). Finecom betreibt für 16 unabhängige Kabelnetzunternehmen den Glasfaser-Backbone. Gemeinsam werden heute bei 200’000 Haushalten in 230 Gemeinden die Multimedia-Dienste von «QuickLine» angeboten.