Niema Nazemi, Head of Applications-Platforms & Cloud Collaboration bei Cisco Schweiz im Interview
von Patrick Gunti
Herr Nazemi: COVID-19 hat Videokonferenzen weltweit zu einem Boom verholfen. Viele Anbieter sind dabei im Rennen. Wie stark konnte Ciscos System Webex profitieren?
Niema Nazemi: Die Pandemie hat tatsächlich die Digitalisierung der Kommunikation in Unternehmen gefördert und beschleunigt. Cisco Webex – als Unternehmenslösung mit Sicherheit in der DNA – hat eine starke Nachfrage erfahren. Es geht dabei um mehr als nur Kostensenkungen durch Videokonferenzen: Unternehmen stärken ihre Business Resilienz und bereiten sich auf das «Next normal» vor, in dem «Hybrid Workplaces», also hybride Arbeitsplätze, dominieren. Dazu nehmen sie das Organisationsprinzip der verteilten Arbeit auf und richten sich konsequent danach aus, indem sie ihre Informationsflüsse neu ordnen. Mit einem hybriden Modell aus zentralem Büro für gewisse Tätigkeiten und Abläufe, die einen persönlichen Kontakt bedingen, und verteilten Arbeitsplätzen, die das Zuschalten von Expertise jederzeit und von überall ermöglichen, sind sie stabil aufgestellt.
Können Sie uns sagen, wie viele Nutzer zuletzt monatlich an Webex-Meetings verzeichnen werden?
Im Oktober 2020 haben fast 600 Millionen Menschen Webex genutzt – fast doppelt so viele wie im März.
Welche Tools waren besonders stark nachgefragt?
Webex Meetings für Videokonferenzen und Webex Teams haben im letzten Jahr einen starken Zuwachs verzeichnet. Diese Tools stehen in Kombination mit unseren Video-Endpoints, den Webex-Geräten für die Remote-Zusammenarbeit von jedem Schreibtisch und Whiteboard aus, klar im Zentrum der Aufmerksamkeit unserer Kunden. Darum bringt Cisco mit der Ankündigung 2021 diese beiden bisher getrennten Tools des neuen Webex-Clients zusammen.
«Mag die kurzfristige Nachfrage auch abflachen, der Trend zu hybriden Arbeitsplätzen wird sich eher noch verstärken.»
Niema Nazemi, Head of Applications-Platforms & Cloud Collaboration Cisco Schweiz
Wenn die Pandemie in den nächsten Monaten hoffentlich unter Kontrolle gebracht werden kann: Was bleibt vom Nachfrage-Boom, wie nachhaltig ist der Trend zu Home Office, hybrider Arbeit und Remote Work?
Mag die kurzfristige Nachfrage auch abflachen, der Trend zu hybriden Arbeitsplätzen wird sich eher noch verstärken. Die Pandemie hat den Unternehmen vor Augen geführt, wie verletzlich sie in zentralen physischen Strukturen sind. Auch die Schweizerinnen und Schweizer wollen nicht mehr zurück in die Vorpandemie-Zeit, das zeigt unsere «Workforce of the Future»-Studie . Sie möchten ihren Arbeitsort frei wählen – wo auch immer er sich befindet – und im Home Office dieselben Technologien einsetzen wie im Büro.
Nun hat Cisco Webex praktisch einer Generalüberholung unterzogen. Im Dezember wurden über 50 Innovationen für Webex präsentiert. Was steht bei den Entwicklungen im Fokus?
Unser Ziel ist es, die virtuelle Zusammenarbeit durch die vielen praktischen Zusatzfunktionen näher an die persönliche Interaktion zu bringen – oder sogar noch besser zu machen. Und zwar unabhängig davon ob am Esstisch oder im Büro. Die Webex-Innovationen ermöglichen Mitarbeitenden eine flexible Arbeitsweise – unabhängig von Gerät und Arbeitsplatz.
Meine Lieblingsfunktionen, nebst den offensichtlichen wie der Live-Transkription: die neuen Meeting-Setups wie Roundtable oder Brainstorming sowie Webex Huddle für das spontane Dazuschalten von Teammitgliedern. Sehr sinnvoll ist Quick Sync, ein Template für Kurzmeetings von wenigen Minuten mit laufendem Timer. Beeindruckend auch die neuen Geräuschunterdrückungsfähigkeiten. Kein Papierrascheln, kein Husten mehr, volle Konzentration auf das Gespräch.
Unter anderem bietet Webex nun die Echtzeitübersetzung per Untertitel von Gesprächen in mehreren Sprachen. Welches sind dabei die grössten Herausforderungen? Inwieweit können lokale Identitäten, Höflichkeitsregeln oder kulturelle Besonderheiten berücksichtigt werden?
Die Echtzeitübersetzung des aktiven Sprechenden per Untertitel erfolgt zum Start in zehn Sprachen. Während einer Sitzung sind also unter Umständen 10 Sprachen aktiviert. Dabei wird der gerade aktive Sprecher erkannt. Cisco erweitert die Übersetzungsfähigkeiten laufend. Mit derselben Funktion der Künstlichen Intelligenz sind auch Live-Transkriptionen laufender Gespräche möglich. Wer eine Besprechung versäumt, kann sich so direkt und umfassend auf den neuesten Stand bringen.
«Cisco erweitert die Übersetzungsfähigkeiten laufend. Mit derselben Funktion der Künstlichen Intelligenz sind auch Live-Transkriptionen laufender Gespräche möglich.»
Was ermöglicht den Teilnehmenden der persönliche «Greenroom»?
Die Teilnehmer erhalten mit Webex ihren eigenen Greenroom für das Meeting. Inhalte wie Powerpoint-Präsentationen können hinter den Sprecher gelegt werden, ähnlich wie die Technik beim TV-Wetterbericht. Damit können Webex-Nutzerinnen und -Nutzer ihre Präsentationen aufwerten und passende Statistiken, Zahlen oder Bilder zum Gesprochenen einblenden und die Wirkung ihrer Worte verstärken. Der Greenroom ist mehr als ein Hintergrundbild, vielmehr ein Kommunikationswerkzeug, mit dem Mitarbeitende sich Gehör verschaffen und Eindruck hinterlassen.
Integriert wurde auch eine Gestensteuerung. Können Sie uns an einem Beispiel erläutern, wie das funktioniert?
Gestensteuerung für Emojis vereinfacht die Kommunikation unter den Teilnehmenden einer Besprechung. Sie können sich unkompliziert und natürlich zur laufenden Diskussion äussern, ohne den Redefluss ihrer Kolleginnen und Kollegen zu unterbrechen. Die Gesten werden erkannt und in das passende Emoji umgewandelt. Die Erkennung der Gesten, die wir vorgestellt haben (z.B. Applaus oder «thumbs-up») ist mithilfe von Machine-Learning-Technologien möglich. In Zukunft kann dieselbe zugrundeliegende Machine-Learning-Technologie verwendet werden, um lokalisierte Gesten zu erkennen und zu interpretieren. Cisco ist der erste Hersteller im Videoconferencing-Bereich, der eine solche Funktion anbietet.
Auch bei der Nachrichten-Sortierung kommen KI-basierte Funktionen zum Einsatz. Welche Vorteile bringen sie den Meeting-Teilnehmern?
KI-basierte Funktionen bei Nachrichten und Anrufen unterstützen dabei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie priorisieren etwa Projekte und Gesprächspartner, die am wichtigsten sind und am häufigsten kontaktiert werden und rücken sie nach oben.
Webex war bereits bis jetzt das Tool auch für Massenveranstaltungen. Wie viele Menschen können maximal eingebunden werden?
Durch Webex Events sind native Live-Streamings möglich. Im sogenannten Event Mode können bis zu 25.000 Teilnehmer eingebunden und im Broadcast Mode bis zu 100.000 Teilnehmer adressiert werden. Damit werden neue Formate möglich, die althergebrachte wie Businessmessen ersetzen können. Die Unternehmen werden kreative Wege finden, die neuen Fähigkeiten von Cisco Webex zu nutzen. Das Tourneetheater «Das Zelt» beispielsweise hat innovative TV-Formate mit virtuellem Livepublikum wie beispielsweise «Stars+Heldä» entwickelt – ermöglicht durch Cisco Webex.
«Im sogenannten Event Mode können bis zu 25.000 Teilnehmer eingebunden und im Broadcast Mode bis zu 100.000 Teilnehmer adressiert werden.»
Was ermöglicht der Webex App Hub?
Der Webex App Hub ermöglicht die Integration von Drittanwendungen wie zum Beispiel Box, Jira, Trello oder Salesforce in den persönlichen Workflow. Während eines Meetings lässt sich damit arbeiten. Das Angebot wird nach und nach erweitert.
Für die hybride Arbeitswelt hat Cisco ausserdem neue Geräte für Büro und Home Office entwickelt, darunter den Webex Desk Hub…
Neue dedizierte Endgeräte sorgen für ein noch besseres Konferenzerlebnis. Der Webex Desk Hub bringt Videokonferenzen auf jeden Schreibtisch, egal ob der PC an oder aus ist. Wie eine Smartwatch macht Webex Desk Hub zentrale Funktionen leichter zugänglich. Die neue, leistungsstarke Gerätekategorie ermöglicht Videokonferenzen und Telefongespräche in hoher Qualität. Die Webex Camera macht aus jedem Bildschirm einen Webex-Endpunkt.
Letzte Frage: In den ersten Monaten der Pandemie kam es an Videokonferenzen immer wieder zu lustigen, wenn für die Teilnehmer zum Teil auch peinlichen Vorfällen. Welche Tipps haben Sie – über die technischen Möglichkeiten hinaus – für Teilnehmende an Videokonferenzen?
Videokonferenzen müssen nicht immer streng sein, sondern dürfen auch mal lockere, soziale Elemente enthalten. Gemeinsam als Team zu lachen ist sehr wichtig, um über die Distanz die Nähe zueinander zu stärken. Grundsätzlich gelten dieselben Benimmregeln wie auch sonst, damit keine peinlichen Situationen entstehen. Was man aber tunlichst vermeiden sollte: Alte Sitzungsgewohnheiten gehören nicht in den digitalen Meetingraum. Dieser soll Projekte voranbringen: Entsprechend sollte man genau überlegen, wen man einlädt und die Routineaufgaben rund um Sitzungen der Künstlichen Intelligenz delegieren, die zum Beispiel Einladungen verschickt oder Transkripte der Sitzungen erstellt. So kann sich jeder ganz auf den Inhalt konzentrieren und seinen Beitrag leisten.