Oliver Müller, Direktor Swissmechanic

Oliver Müller, Direktor Swissmechanic

Oliver Müller, Direktor Swissmechanic. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Müller, gemäss einer Mitglieder-Umfrage von Swissmechanic hat die Branche seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses rund 2000 Stellen abgebaut. In 16 % der MEM-KMU wurden Entlassungen vorgenommen. Welche Folgen befürchten Sie, wenn sich der Franken nicht bald abschwächt?

Oliver Müller: Die grosse Mehrheit der KMU in der MEM-Branche kann dem Druck des starken Schweizer Frankens im Moment standhalten. Einige versuchen derzeit mit verschiedenen Massnahmen das letzte Mittel – den Stellenabbau – zu verhindern. Eine dritte Gruppe musste die Kosten durch Auslagerungen oder Entlassungen senken. Sollte sich die Situation in den kommenden Monaten nicht entspannen, wird es gemäss unserer Umfrage zu weiteren Entlassungen kommen. 13% der befragten Unternehmen haben angegeben solche zu planen. Das Verhältnis zwischen Umsatz, Ertrag und Kosten ist bei einigen KMU aus den Fugen geraten und nicht erst seit dem 15. Januar 2015.

Entlassungen müssten das letzte Mittel sein. Welche Massnahmen haben Ihre Mitglieder sonst getroffen?

Schweizer Tugenden wie Qualität und Innovation sind Haupttrümpfe, um auf den harten internationalen Märkten bestehen zu können. Sie können helfen, damit wir trotz den hohen Preisen konkurrenzfähig bleiben. Die Entlassung von Fachkräften muss daher das letzte Mittel bleiben, denn ohne Fachkräfte wird es schwierig, den Anforderungen künftig gerecht zu werden. Es wurden unterschiedliche Massnahmen getroffen. In einigen Unternehmen sind die Auftragsbücher gut gefüllt. Dort sind die gestiegenen Exportpreise das Problem und man versucht, mit der Verlängerung der Wochenarbeitszeit, die Produktivität zu steigern. Bei anderen sind nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses Aufträge sistiert worden. Diese Unternehmen versuchen mit Kurzarbeit die Durststrecke zu überwinden und gleichzeitig neue Verträge mit Kunden und Lieferanten auszuhandeln. Andere haben die Produktion optimiert und weitere kostensenkende Massnahmen, wie etwa die Auslagerung von Arbeiten oder Teilbereichen ins Ausland, eingeleitet.

«Die Entlassung von Fachkräften muss daher das letzte Mittel bleiben, denn ohne Fachkräfte wird es schwierig, den Anforderungen künftig gerecht zu werden.»
Oliver Müller, Direktor Swissmechanic

Wann schlagen die negativen Folgen bei unveränderter Lage voll durch?

Die Auswirkungen des Franken-Schocks werden im zweiten Halbjahr 2015 sichtbar. Dann werden wir konkret sehen, wie sich die Aufhebung auf die Bücher auswirkt und vor allem sehen wir dann, wie sich der Schweizer Franken präsentiert. Bleibt er in der Nähe der Parität, kann es zu weiteren Entlassungen oder gar ersten Geschäftsaufgaben kommen.

Innovation ist die Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Industrie. Befürchten Sie nicht, dass nun auch auf Kosten von Forschung und Entwicklung gespart wird?

Betroffen sind primär Investitionen in die Infrastruktur. In diesem Bereich ist teils ein Vakuum entstanden, da Unternehmen seit Jahren mit sinkenden Margen zu kämpfen haben. Teils fehlt genügend Kapital für wichtige Investitionen. Mit der Konjunktur könnten wir einigermassen leben, immerhin beurteilen rund 40% der befragten Unternehmen die Umsätze als befriedigend. Die Margen sind seit Jahren das grösste Problem. Dass auch die Forschung und Entwicklung unter den sinkenden Margen leidet, ist nicht zu vermeiden. Wir sind jedoch überzeugt, dass die Unternehmen weiterhin alles versuchen, um die wichtigsten Ressourcen – Fachkräfte, Forschung und Entwicklung sowie Innovation – so lange wie möglich zu schützen. Im Vordergrund steht derzeit die Steigerung der Produktivität.

Wie haben die Mitarbeitenden in den MEM-KMU auf Entscheide wie die Erhöhung der Arbeitszeit reagiert?

Solche Massnahmen sind für alle Beteiligten unangenehm. Die grosse Bereitschaft der Mitarbeitenden ist dennoch bemerkenswert. Bei praktisch allen Beispielen, von denen wir Kenntnis haben, stehen die Mitarbeitenden vollends hinter den getroffenen Massnahmen. Das zeigt, wie stark sie mit ihren Unternehmungen verbunden sind. Und es zeigt auch, dass unsere KMU-Unternehmer auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden kommunizieren. Es sind nicht selten jahrzehntelange Arbeitsverhältnisse. Dieses Geben und Nehmen ist ein klassisches Merkmal von kleineren und mittleren Betrieben. Die Mitarbeitenden haben dank einer transparenten Kommunikation verstanden, dass es am Ende des Tages um die Existenz der Unternehmung und somit auch um ihre Arbeitsplätze geht. Sie wissen, wie es um die Firma steht und sie wissen, dass die Patrons alles versuchen, um das Schiff auf Kurs zu halten. Die überwältigende Mehrheit der Mitarbeitenden ist bereit, einen Beitrag zu leisten.

«Den perfekten Zeitpunkt für eine solche einschneidende Massnahme gibt es nicht. Wenn es einen ungünstigen Zeitpunkt gibt, dann ist es der Januar.» 

Die SNB argumentierte bei ihrer Kursänderung, dass die Unternehmen während der drei Jahre mit dem Mindestkurs genug Zeit gehabt hätten, sich an die Frankenstärke anzupassen. Was entgegnen Sie?

Den perfekten Zeitpunkt für eine solche einschneidende Massnahme gibt es nicht. Wenn es einen ungünstigen Zeitpunkt gibt, dann ist es der Januar. Im Dezember werden die Lohngespräche geführt, Kundenverträge neu verhandelt und das Jahresbudget finalisiert. Wenn dann im Januar ein solcher Franken-Knall kommt, wird alles auf den Kopf gestellt. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine einfache Situation. Unsere Unternehmen haben – und das zeigt unsere Umfrage klar – bereits während der Eurokrise ab 2009 Massnahmen eingeleitet. Sie haben nicht geschlafen, ganz im Gegenteil. Noch im Dezember 2014 war die Rede davon, dass der Mindestkurs weiter gestützt werde. Für die Unternehmen war das ein Signal, dass sie noch über etwas Luft verfügen, um die getroffenen Massnahmen weiter voranzutreiben. Die SNB hat quasi bei voller Fahrt die Handbremse gezogen. Die massiven Bremsspuren werden immer deutlicher sichtbar.

Wo sehen Sie heute noch Verbesserungspotenzial in den Betrieben?

Die Zitrone ist vielerorts ausgepresst. Wie erwähnt, haben die Unternehmen bereits 2009 umfassende Massnahmen zur Kostenreduktion und vor allem zur Optimierung der Produktion in die Wege geleitet. Die KMU in der MEM-Branche haben ihre Produktivität in den vergangenen Jahren massiv gesteigert. Allenfalls gibt es kleine Vorteile beim Einkauf oder es gilt die restlichen Optimierungen herauszuholen. Aber auch da ist die Zitrone vielerorts ausgepresst. Es gibt noch den Weg in die Offensive in Form von zusätzlichen Marketingmassnahmen, der Erschliessung neuer Märkte und neuer Kunden oder das Mittel von Kooperationen. Der Haken daran: Es sind mittelfristige Massnahmen.

Welche Forderungen richten Sie an die Politik hinsichtlich der Rahmenbedingungen für die MEM-Branche?

Wir sind uns bewusst, dass alle Forderungen, die wir an die Adresse der Politik stellen, nicht kurzfristig umsetzbar sind. Wir müssen dafür sorgen, dass die Unternehmen administrativ und regulativ weniger belastet werden. Es gibt zu viele Umfragen, Studien und Regulierungen, die den Unternehmen Ressourcen abzapfen. Der Staatsapparat muss abgebaut werden, weil er damit begonnen hat, sich selbst und unsere Unternehmen teils unnötig zu beüben. Die zweite Forderung betrifft die Unterstützung der KMU in den Bereichen Exportförderung, Forschung und Entwicklung sowie in der Bildung. Hier braucht es ein verstärktes Engagement, um die Unternehmen aktiv zu unterstützen. Spezielle Angebote für die KMU-Exportförderung oder die finanzielle Unterstützung der höheren Berufsbildung würden der Industrie helfen. Wir wollen keine Subventionen, wir wollen Investitionen in die Zukunft. Nach wie vor ist es beispielsweise so, dass die höhere Berufsbildung im Vergleich zur universitären Ausbildung massiv weniger unterstützt wird. Das darf nicht sein.

«Der Staatsapparat muss abgebaut werden, weil er damit begonnen hat, sich selbst und unsere Unternehmen teils unnötig zu beüben.»

Welchen Einfluss haben die Ungewissheit bezüglich der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative oder die anstehende Erbschaftssteuerinitiative?

Die Auswirkungen der Masseneinwanderungsinitiative sind schwierig einzuschätzen. Fakt ist, dass unsere KMU die Möglichkeit brauchen, Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren. Erst gilt es abzuwarten, wie die Verhandlungen mit der Europäischen Union verlaufen. Danach wird man sehen, ob und wie die Initiative umgesetzt werden kann. Was wir direkt beeinflussen können, ist die Abstimmung über die Erbschaftsinitiative. Diese ist punkto Ausnahmeregelungen – insbesondere für KMU – zu wenig klar formuliert. Es darf nicht sein, dass eine Steuer eingeführt wird, deren Auswirkungen nicht einschätzbar sind. Dafür ist die Steuerpolitik ein zu wichtiges Thema für einen Wirtschaftsstandort wie die Schweiz. Kommt hinzu, dass die betroffenen Gelder bereits genügend besteuert werden. Wir lehnen die Initiative deshalb klar ab.

Wie kann Swissmechanic seinen Mitgliedern konkret helfen?

Unsere Mitgliedsfirmen beschäftigen im Durchschnitt 33 Mitarbeitende. Die Mehrheit sind Unternehmen, die ihre Ressourcen zu 100% für die Bewältigung der täglichen Aufgaben benötigen. Auch die Patrons sind stark eingebunden und leisten überdurchschnittlichen Einsatz. Ein Verband nimmt die einzelnen Anliegen auf, bündelt und vertritt sie gegenüber der Öffentlichkeit, den Medien, in Gremien und vor allem gegenüber der Politik. Für KMU ist es enorm wichtig, dass sie Vertreter haben, die sich für bestmögliche Rahmenbedingungen einsetzen und die politischen Prozesse begleiten. Wir sind der Arbeitgeber der KMU in der MEM-Branche und setzen uns tagtäglich für unsere Mitglieder ein. Zudem können diese von speziellen Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaft und Bildung profitieren. Die Leistungen unseres Verbandes sind vielseitig. Einerseits werden sie vom nationalen Dienstleistungszentrum Swissmechanic Schweiz, andererseits von den 15 regionalen Sektionen mit Ausbildungszentren zur Verfügung gestellt.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Der erste Wunsch ist klar und betrifft die Wurzel allen Übels. Wir wünschen uns eine sofortige, nachhaltige und massive Abschwächung des Schweizer Frankens. Unsere Unternehmen sind grundsätzlich erfolgreich, unsere Produkte auf den Märkten gefragt. Die Margen sind wegen des Frankens jedoch auf ein unerträgliches Mass gesunken. Unsere Unternehmen verfügen über eine direkte Exportquote von 50% und eine indirekte Quote von rund 80%. Da spielt der Franken-Eurokurs eine sehr grosse Rolle, denn unser Hauptmarkt ist die EU, vor allem Deutschland. Der zweite Wunsch betrifft den Staat. Es wäre wünschenswert, wenn man vermehrt auf die Stimmen der KMU hören würde. Die grossen Konzerne sind wichtig, man darf jedoch die kleineren und mittleren Betriebe nicht vergessen. Die Schweiz ist das Land der KMU. Das sollte man wieder vermehrt in den Fokus rücken.

Herr Müller, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Oliver Müller (51), Direktor Swissmechanic Schweiz. Nebenamtlicher parteiloser Gemeindepräsident von Freienstein-Teufen (ZH). Verheiratet, 4 Kinder.

Zu Swissmechanic:
Swissmechanic ist der Arbeitgeberverband (Politik, Wirtschaft, Bildung) der KMU in der MEM-Branche (Maschinen-, Elektro- und Metall) und besteht aus einem nationalen Dienstleistungszentrum (Weinfelden TG) und 15 regionalen Sektionen. Insgesamt vertritt Swissmechanic rund 1’400 Mitglieder mit rund 70’000 Mitarbeitern, davon etwa 6‘000 Auszubildende.

Swissmechanic

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(Foto: Swissmechanic)

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