Oliver Stoldt, CEO MICE Service Group, im Interview
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Stoldt, in Zeiten knapper werdender Budgets und restriktiverer Einkaufs- und Verhaltensrichtlinien, steigender Anforderungen bezüglich Ethik und Umweltbewusstsein (Compliance, CSR), wohin entwickelt sich der Tourismusbereich MICE (Meetings Incentives Conventions Exhibitions)?
Oliver Stoldt: Das sind wirklich gerade essentielle Fragen. Mit den Diskussionen in der Autobranche, den Autozulieferfirmen und den damit angehängten Branchen ist seit Herbst doch ein zurückhaltendes Buchungsvolumen zu spüren. Zusätzlich zur leichten Abschwächung der Konjunktur werden die Compliance-Richtlinien in Unternehmen der Pharma-, Banken- und Versicherungsbranche immer schärfer. Veranstaltungen leiden darunter, dass Sponsoren und Partner kaum noch Kunden einladen können/dürfen, da der Compliance-Officer ein Auge darauf hat.
«Zusätzlich zur leichten Abschwächung der Konjunktur werden die Compliance-Richtlinien in Unternehmen der Pharma-, Banken- und Versicherungsbranche immer schärfer.» Oliver Stoldt, CEO MICE Service Group
Momentan geht es der MICE-Hotellerie der Schweiz noch sehr gut. Wollen wir hoffen, dass die Zurückhaltung der Unternehmen sich bald wieder ändert und wieder mehr Tagungen & Meetings gebucht werden. Doch schauen wir auch auf die jetzige Situation mit dem Iran – USA Konflikt; welche Auswirkungen wird dies auf das Reiseverhalten der globalen Unternehmen aus Asien und Übersee haben? Das können wir noch nicht abschätzen, beobachten dies aber sorgsam. Und die Hotellerie muss sich eh ständig neu sortieren und wachsam sein; wenn sich die Kundenstruktur und das Reiseverhalten verändert, müssen neue Märkte gefunden und erschlossen werden.
Vor allem die Klimadebatte dürfte in Zukunft auch das Reise- und Event-Verhalten in Unternehmen prägen. Was bedeutet das für die Strategie und die Angebote der MICE Service Group?
Es wird weiterhin Tagungen und Events geben. Immer mehr Hotels und Destinationen überlegen sich, den CO2-Footprint zu reduzieren und Klimaneutral zu werden. MyClimate macht da einen super Job und bietet gute Programme an, wo sich die Hotellerie und die Tourismusdestinationen anschliessen können. Die Strategie der MICE Service Group wird dadurch nicht beeinflusst. Wir hören dem Kunden zu und fragen lieber einmal mehr, welche Bedürfnisse er hat. Und wenn im Gespräch die Thematik «Green Meetings» aufkommt, bieten wir das richtige Hotel oder die richtige Location an.
Mit Ihrer MICE Service Group Schweiz möchten Sie vor allem im Tagungs- und Seminarmarkt in der D-A-CH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) erfolgreich sein. Wie verteilen sich die aktuellen Buchungen, welchen Märkte und Regionen werden sich am schnellsten entwickeln in den kommenden Jahren?
Die MICE Service Group Schweiz hat ein fantastisches 2019 hinter sich, wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Das spiegelt sich auf drei Ebenen wieder: Erstens die Zahlen der Anfragen und Buchungen von Konferenzen. Zweitens wird unser One-Stop-Solution-Service mehr und mehr angenommen, heisst, der Kunde bucht auch den Redner, das Rahmenprogramm oder den Trainer bei uns. Und drittens konnten wir sehr viele «Repeating Customer» gewinnen.
«Im 2018 hat MICE Service Group Schweiz 384 Konferenzanfragen bearbeitet, letztes Jahr bereits 640 Anfragen. Das Buchungsvolumen nimmt massiv zu.»
Im 2018 hat MICE Service Group Schweiz 384 Konferenzanfragen bearbeitet, letztes Jahr bereits 640 Anfragen. Das Buchungsvolumen nimmt massiv zu und damit müssen wir auch Strukturen und Ressourcen anpassen. Durch die digitalen Buchungswege benötigen wir aber viel weniger Mitarbeiter als das früher noch notwendig war. Die Buchungen verteilen sich zu 70% in die Schweiz, 25% Europa und ca. 5% Übersee.
Die MICE Service Group D-A-CH hat im 2019 mehr als 4’700 Konferenzen und Meetings umgesetzt. Wir dürfen von einem erfolgreichen Jahr sprechen. Was aber nicht heisst, dass wir uns ausruhen, sondern werden die MICE Service Group im 2020 komplett neu aufstellen und für die Zukunft rüsten. Zur MICE Service Group gehören ja auch Premium Speakers und Premium Trainers. Auch da haben wir ein hervorragendes Jahr erleben dürfen.
Doch trotz des Wachstums, dem ständigen «Re-Thinking» und Beobachten der Märkte sollten wir auch mal inne halten, zufrieden sein und schauen, dass man dabei nicht überdreht. Wir sind mit der momentanen Positionierung der MICE Service Group sehr zufrieden und arbeiten weiter sehr gezielt am Branding und unserer Servicequalität. Diese zeichnet uns aus und lässt uns ruhig schlafen gegenüber all’ den aufkommenden Startups, die meinen, ständig das Rad technologisch neu erfinden zu müssen, ohne dabei auf den Kunden zu hören.
Auf Kundenseite dürfte nebst dem Kostendruck genau so der Erfolgsdruck für einen unvergesslichen Anlass stehen. Was sind die wichtigsten Anforderungen Ihrer Kunden, nach welchen Kriterien entscheiden sie sich für die Durchführung eines Anlasses mit einem externen Partner?
Firmen bauen auf «Erlebnis-Marketing» und «Event-Marketing»; gemeinsame Erlebnisse zwischen Unternehmen und Kunden oder Prospects stehen an erster Stelle. Diese Anlässe passen allerdings nicht zu uns, denn unsere Positionierung ist ganz klar auf den Meeting- oder Tagungsgast ausgerichtet. Die Kriterien sind immer noch die Gleichen: Investment/Nutzen oder Investment/Leads sowie eine top Qualität des Anlasses.
«Mit dem Alpensymposium haben wir ein eigenes Aushängeschild mit höchster Qualität, viele Unternehmen kommen zu uns mit dem Wunsch: «Dies möchten wir auch, könnt Ihr unseren ganzen Kongress organisieren?»»
Mit dem Alpensymposium haben wir ein eigenes Aushängeschild mit höchster Qualität. Viele Unternehmen kommen zu uns mit dem Wunsch: «Dies möchten wir auch, könnt Ihr unseren ganzen Kongress organisieren?» Wir haben jetzt ein grosses Mandat angenommen und planen einen Kongress mit über 400 Personen in Lissabon. Diese Veranstaltung wird den Kunden in eine neue Ebene heben und wir setzen den Benchmark für den Nachfolge-Event.
Als kleines Unternehmen setzt die MICE Service Group stark auf die Digitalisierung der gesamten Prozesskette. Wie sieht Ihre Strategie für die Digitalisierung aus, was haben Ihre Kunden davon?
Die Strategie nennt sich «Plattformökonomie». Vor vier Jahren hatte die MICE Service Group noch sechs typische Sales-Manager. Jeder ein Auto, Handy, Laptop, Spesen, etc. Kosten ohne Ende und der ROI der Sales-Managers war sehr überschaubar. Im Herbst 2016 startete ich mit der Idee der Plattformen. Meine Mitarbeiter hielten mich für verrückt. Im Januar 2017 stellte ich eine Content-Managerin ein, die anfing mit unseren IT-Partnern Plattformen zu bauen und inhaltlich zu füllen, wie z.B. tagungshotels-schweiz.ch oder seminarhotels-schweiz.com. Die ersten Anfragen kamen über diese Plattformen rein und so investierten wir immer weiter in Plattformen.
Und im Hinblick auf die Einführung der DSGVO war dies auch strategisch wichtig, denn sobald eine Anfrage/ein Lead rein kam, durften wir den Kunden direkt kontaktieren. Nun, die MICE Service Group hat heute keinen einzigen Sales-Manager mehr. Dafür momentan 342 Plattformen im Web, die uns täglich die Anfragen bringen. Und die nächste Plattform ist im Bau und wird im Februar live gehen.
«Wir wollen die «Redneragentur der Zukunft» bauen auf Basis von AI, zusammen mit Starmind und Pascal Kaufmann.»
Wir sind komplett durchdigitalisiert bis zu dem Moment, wo das Telefon klingelt. Dann muss irgendwo im Team der Stift fliegen, das Telefon abgenommen und dem Kunden geholfen werden. Und zwar so lange bis er entweder seine Anfrage bei uns los wurde oder wir sein Problem lösen konnten.
Es sind noch zwei sehr grosse Plattform-Projekte in der Pipeline. Allerdings musste ich meinem Team versprechen noch mindestens ein halbes Jahr zu warten, bis ich die nächsten Schritte da gehe und die Projekte starte. Nun, mal schauen, ob ich diese Zeit wirklich durchstehe…
Zum Einen wollen wir die «Redneragentur der Zukunft» bauen auf Basis von AI, zusammen mit Starmind und Pascal Kaufmann. Zum zweiten Projekt kann ich noch nichts öffentlich sagen, sonst würde ich da zu viele Player in diesem Markt aufwecken. Wir haben in diesem speziellen Markt die Hausaufgaben gemacht und das Ziel wird sein, in dem Markt einen ganzen neuen Benchmark zu setzen.
Digitalisierung bedeutet oft auch den Wegfall von Vermittlern, die Straffung von Prozessen. Wie sieht hier das Potential im MICE-Sektor aus, wo finden die grössten Innovationen statt?
Sprechen wir über Innovationen oder Service? Technologisch gesehen vielleicht, dass man in den Tagungshotels-Anfrageprozessen online jetzt auch noch ein Rahmenprogramm, ein Bustransfer oder einen Redner mit anfragen kann. Oder dass man Meetings jetzt auch online mit virtueller Kreditkarte direkt online zahlen kann. Oder wie bei Spacebase den Meetingraum stundenweise mieten und direkt per Kreditkarte zahlt. Das ist das Eine.
Das Andere ist, dass es heute wichtig ist, dass wir als Agentur den Inhouse-Prozess der Kunden kennen und somit direkt gleich auf die Bedürfnisse der Bucherin oder des Buchers reagieren können. Nebst Compliance- oder Travel-Richtlinien sind es heute Payment-Solution-Prozesse, so dass nebst dem Online-Buchungsprozess auch der Abrechnungsprozess digital abgebildet werden kann. Da sind wir mit der MICE Service Group führend im Markt, da wir für viele verschiedene globale Corporates arbeiten, die einen speziell auf sie zugeschnittenen Payment-Prozess haben und wir den abbilden können. Das macht die MICE Service Group einzigartig im Markt.
Mit der Conference Toolbox stellen Sie Event-Organisatoren eine Plattform mit umfassenden Werkzeugen zu allen Aspekten eines Anlasses zu Verfügung. Wie wurde die Plattform bisher angenommen, welche weiteren Entwicklungen planen Sie damit?
Die Conference Toolbox ist ein Info-Tool, wo der Kunde sich informieren kann, welche Prozesse und Schritte es benötigt, um eine Konferenz zu planen und umzusetzen. Wir zeigen dabei 58 Dienstleistungen auf, welche benötigt werden, um eine Tagung – von der Planung bis zum Debriefing – zu organisieren. Die Toolbox wird als Infoplattform genutzt und weiter mit News und Blogs zur Tagungsindustrie aktuell gehalten. Weiter ausbauen werden wir sie nicht, unseren Fokus setzen wir auf die Weiterentwicklung von unseren Plattformen und inhaltlicher Content-Kreation.
Am 14. Und 15. Januar findet nach einjähriger Pause das von Ihnen gegründete Alpensymposium zum 17. Mal statt. Weshalb die Pause und wie wollen Sie das Alpensymposium in Zukunft positionieren?
Wir freuen uns sehr auf das Alpensymposium nächste Woche. Eigentlich wollten wir keine Pause machen, aber wir sind vom täglichen Business so «überfahren» geworden, dass wir einfach nicht die Zeit gefunden hätten, ein Alpensymposium zu bauen, welches unserer Idee entsprochen und Anforderungen an uns selbst gerecht geworden wäre. Wir waren fertig mit dem Programm für 2019, aber nicht glücklich. Es gab kein WOW, sondern es war nur «OK». Zusätzlich wurden wir vom daily Business schier überrollt, so dass ich kurzerhand das Symposium abgesagt habe. Keine einfache Entscheidung, aber die richtige. Seit mehr als einem halben Jahr kribbelt es wieder und wir haben ein Programm mit einem sensationellen Line-up.
«Unfollow statt Follow. Nicht jeden Trend, Blödsinn und Hype mitmachen, nur weil es gerade in den Social Media’s hipp und «in» ist.»
Wie wir das Symposium in Zukunft positionieren werden wissen wir noch nicht. Alles ist im Wandel und ich mache mir täglich darüber Gedanken, wie zeitgemäss es noch ist. Schauen wir mal, wie es weiter geht. Ideen stehen im Raum und werden zeitnah diskutiert. Wir werden dann informieren, wie wir mit dem Alpensymposium weiter machen. Viel hängt auch von unseren Partnern ab, ob sie die Idee des Symposiums weiter tragen oder auch etwas Neues wollen.
Wenn Sie nur einen einzigen Redner an das nächste Alpensymposium einladen dürften, wer würde das sein?
Tja, eigentlich ganz einfach zu beantworten, ich kann aber keinen Namen nennen, wir sprechen im Hintergrund bereits mit drei vier Personen für 2021. Das wären wieder absolute Paukenschläge. Bei uns fallen Namen wie Barack Obama, Richard Branson, Roger Federer, Mike Berners-Lee, Elon Musk, Dirk Nowitzki und Jack Ma.
Nachhaltige Energien, Künstliche Intelligenz, Umwelt- und Klimaprobleme, Nationalismus statt Globalisierung… welches sind für Sie die grossen Themen der jetzt angebrochenen Dekade, welche Lösungsbeiträge möchten Sie leisten?
Für mich sind die Umwelt- und Klimaprobleme sowie die humanitären Themen wichtig. Was wir gerade in Australien sehen ist eine absolute Katastrophe. Was wir gerade im Middle East mit Iran und den USA sehen ist eine Katastrophe. Was wir aus Syrien heraus sehen mit den Flüchtlingscamps im Libanon oder in Griechenland ist eine Katastrophe und dazu noch humane Tragödien. Will man im Mittelmeer noch schwimmen gehen, wo man weiss, dass so viele Menschen ertrunken sind und irgendwann vielleicht neben Dir Leichen auftauchen? Ich nicht.
«Jeder sollte in seinem kleinen «Mikrokosmos» schauen, dass er dort auf Probleme und Herausforderungen gute Lösungen schafft.»
Es ist schwer über Lösungsbeiträge nachzudenken oder zu sprechen, wenn es nicht einmal die «grosse Politik» schafft, diese Probleme richtig anzugehen und zu lösen. Jeder sollte in seinem kleinen «Mikrokosmos» schauen, dass er dort zu den Problemen und Herausforderungen gute Lösungen schafft.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wies sehen die aus?
Wir expandieren nach Dubai mit einem eigenen Rednerbüro und zielen damit auf den Middle East- und Asien-Markt. Wir wachsen mit unseren Kunden, und da diese immer globaler werden, werden wir ihnen auch global unseren Service anbieten. Heisst für uns unternehmerisch: Eigene innovative Lösungen für unsere Kunden kreieren.
Und zweitens: Unfollow statt Follow. Nicht jeden Trend, Blödsinn und Hype mitmachen, nur weil es gerade in den Social Media’s hipp und «in» ist. Lassen wir die Jungen und Wilden rennen und rennen und rennen…. Dafür kennen wir «Alten» oftmals die Abkürzung und gewinnen Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens.