von Patrick Gunti
Moneycab.com: Sie haben eine smarte Katzenklappe entwickelt, die Katzen mit Beute im Maul den Zugang ins Haus versperrt. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Oliver Widler: Denis und ich sind seit unserer Kindheit immer mit Katzen aufgewachsen. Dadurch haben wir die schönen Momente als auch die Herausforderungen des Zusammenlebens kennengelernt. Trotz dem fortschrittlichen Alter unserer Katzen haben sie ihre Jagdinstinkte nie verloren und fleissig Mäuse nach Hause gebracht. Eines Abends brachte unsere Katze beim Abendessen erneut eine lebendige Maus nach Hause. Genervt meinte unsere Mutter «Da sind wir schon so weit auf der Welt, aber es gibt noch keine Lösung für dieses Problem». Und so entstand die erste Idee für Flappie, inspiriert von unserer Mutter.
Katzen, Vögel, Blindscheichen, kleine Eidechsen – der Speise(jagd)plan meiner Katzen kennt keine Grenzen. Und alles landet im Haus. Wie verhindert das Flappie?
Oliver Widler: Das Beutespektrum von Katzen ist sehr vielfältig. Damit nicht alles im Haus landet, ist Flappie mit einem Bewegungssensor, Infrarotlichtern und einer Kamera ausgestattet. Sobald eine Bewegung registriert wird, aktiviert sich die Kamera und nimmt die Katze beim Betreten der Katzentüre auf, unabhängig von der Tageszeit. Diese Bilder werden dann in Echtzeit von unserer künstlichen Intelligenz ausgewertet, was alles lokal auf Flappie geschieht. Wenn Flappie erkennt, dass die Katze Beute im Maul hat, muss sie draussen bleiben. Erst wenn die Katze ohne Beute vor der Klappe steht, wird sie wieder hineingelassen. Ebenfalls hat Flappie auch eine Chip-Erkennung, damit man keine fremden Katzen im Haus hat.
Über Positives und Negatives der künstlichen Intelligenz wird ausreichend diskutiert. Hier scheint sie mir sehr sinnvoll eingesetzt. Wie genau?
Oliver Widler: Dies ist generell ein sehr interessantes Thema. Bei den häufigsten Kritikpunkten der künstlichen Intelligenz geht es oft um Ethik, der Voreingenommenheit der KI und damit verbundene Sicherheitsbedenken. Bei Flappie wird künstliche Intelligenz benutzt, um ein Problem zu lösen, dass die meisten Katzenbesitzer bestens kennen. Die Entscheidung, ob die Katze Beute mit sich trägt oder nicht, hat keinen Einfluss auf die Gesellschaft als Ganzes, ist jedoch ungemein praktisch für die einzelnen Katzenbesitzer. Da Flappie die Auswertungen der Bilder lokal macht, gehen auch keine sensiblen Daten an fremde Server und die Privatsphäre wird gewährleistet.
«Da Flappie die Auswertungen der Bilder lokal macht, gehen auch keine sensiblen Daten an fremde Server und die Privatsphäre wird gewährleistet.»
Denis Widler: Ausserdem hilft die KI bei Flappie dabei, den direkten Kontakt zwischen Menschen und Wildtieren zu minimieren. Das reduziert das Risiko der Übertragung von Zoonosen, also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übergehen können. Zu diesen Krankheiten zählen beispielsweise AIDS, Ebola, SARS und potenziell auch COVID-19. Flappie verhindert also, dass solch ungewollte Kontakte zwischen Tierbesitzern und Wildtieren zustande kommen. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte einer Kundin: Ihre Katze brachte eine tote Maus ins Haus, während sie kurz nicht auf ihr Kind achtete, das daraufhin die Maus verspeiste.
Keine Details bitte 🙂 Wie haben Sie die KI trainiert?
Oliver Widler: Die Qualität der Daten, mit denen wir arbeiten, und die Art und Weise, wie die KI aufgebaut ist, sind entscheidend für ihren Erfolg. Eine grosse Herausforderung war es, dass es keine bestehenden Datensätze im Internet gibt, worauf man unser Beuteerkennungsmodell trainieren kann. Daher haben wir schon im Jahre 2019 angefangen, Bilder und Videos unserer Katze aufzunehmen und unser Datensatz zu pflegen. Ebenfalls bringen wir Variabilität in unsere Daten durch die Tester von unserem «Flappie Innovator Program». Mittlerweile verfügen wir über ein ausreichend grossen Datensatz, der es uns erlaubt, auch synthetische Bilder zu generieren und für das Training zu verwenden. Die Anforderungen an unsere KI sind klar definiert: Sie soll alle Versuche, Beute nach Hause zu bringen, erkennen und gleichzeitig nicht fälschlicherweise Beute erkennen, wenn gar keine da ist. Um dies zu gewährleisten haben wir an vielen Stellschrauben unserer Architektur gedreht. Ebenfalls wird unser Modell in Zukunft ständig besser werden.
Katzen gelten als intelligente Tiere. Wie lange brauchen sie, bis sie merken, dass sie mit der Beute nicht mehr durch die Klappe kommen?
Denis Widler: Katzen sind in der Tat sehr intelligent – oft möchten sie das nicht gerne zeigen. In der Regel verstehen sie nach nur wenigen Versuchen, dass sie mit ihrer Beute nicht durch Flappie kommen können. Oftmals legen sie die Maus dann vor der Katzenklappe ab oder fressen sie direkt vor Ort. Ein weiterer Pluspunkt von Flappie, neben dem offensichtlichen Vorteil, dass Katzenbesitzer keine «Geschenke» mehr erhalten, ist, dass die Katze weniger negative Erfahrungen mit ihrem Halter macht. Es kommt häufig vor, dass Katzen stolz ihre Beute präsentieren wollen und der Besitzer dann negativ reagiert, die Katze verscheucht und laut schimpft. Diese negativen Erfahrungen kann die Verbindung mit dem Besitzer belasten. Dank Flappie wird jedoch der Einlass bereits im Vorfeld verwehrt, sodass es gar nicht erst zu dieser Situation kommt.
«In der Regel verstehen Katzen nach nur wenigen Versuchen, dass sie mit ihrer Beute nicht durch Flappie kommen können.»
Flappie lässt sich mit einer App koppeln. Was ermöglicht mir diese?
Denis Widler: Die dazugehörige App ist für uns von zentraler Bedeutung. Zwar ist sie nicht zwingend für die Beuteerkennung erforderlich, aber wir legen bewusst grossen Wert auf ihre Integration. Mit der App können Nutzer verschiedene Einstellungen an Flappie vornehmen, beispielsweise den sogenannten «Tierarztmodus», der verhindert, dass Katzen nach draussen gelangen. Doch besonders wichtig ist für uns die emotionale Bindung: Katzen üben einen besonderen Zauber auf ihre Halter aus. Dank der integrierten Kamera in Flappie können wir den Nutzern einzigartige Aufnahmen ihrer Katzen präsentieren, sei es niedliche Momente während des Tages oder Videos ihrer nächtlichen Streifzüge und Jagdabenteuer. Dadurch erleben die Katzenhalter ihre Tiere aus einer völlig neuen Perspektive. Ergänzt wird dies durch Statistiken, die z.B. zeigen, wie oft und welche Beute von welcher Katze im letzten Monat mitgebracht wurde oder wie viel Zeit sie draussen bzw. drinnen verbracht hat. Dies ist jedoch nur der Anfang. Wir haben vor, noch viele weitere Features in die App zu integrieren, über die ich zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht sprechen kann.
Über die Beute-Erkennung hinaus beinhaltet die Katzenklappe alle Funktionen anderer Modelle?
Oliver Widler: Ja, das ist richtig. Wir wollen mit Flappie die bestehenden Katzenklappen verbessern. Deshalb besitz Flappie auch eine Chip-Erkennung, damit nur die eigenen Katzen ins Haus kommen.
Lassen sich bestehende Klappen 1:1 mit Ihrer Katzenklappe ersetzen?
Oliver Widler: In Bezug auf die Abmessungen definitiv. Wir haben Flappie nach den Standardgrössen den gängigsten Katzenklappen konzipiert, und die Katzenklappe kann 1:1 ausgetauscht werden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Flappie über einen Stromanschluss verfügt und nicht durch Batterien betrieben wird. Dies ist aufgrund der notwendigen Rechenleistung für die Analyse und Erkennung der Beute so gestaltet. Ebenfalls ist ein WLAN-Anschluss zwar nicht zwingend notwendig, wird jedoch empfohlen. Dadurch können z.B. neue Beuteerkennungs-Updates heruntergeladen werden.
Ihrem Shop entnehme ich, dass die ersten paar Hundert Flappies bereits ausverkauft sind. Wann und wo soll die Produktion in grosser Stückzahl starten?
«In Bezug auf die Produktion in grösserer Stückzahl planen wir, voraussichtlich im Frühling/Sommer 2024 damit zu beginnen.»
Denis Widler: Sie haben recht, der erste Batch von Flappie ist bereits ausverkauft, und unser Hauptaugenmerk liegt nun darauf, die Vorbestellungen so schnell wie möglich auszuliefern. In Bezug auf die Produktion in grösserer Stückzahl planen wir, voraussichtlich im Frühling/Sommer 2024 damit zu beginnen. Der genaue Produktionsstandort wird derzeit noch sorgfältig geprüft, um sicherzustellen, dass er unseren Qualitätsstandards entspricht. Eines ist jedoch sicher: Flappie wird ein Swiss-made Produkt bleiben. Dieses Qualitätsversprechen ist uns sehr wichtig, und wir sind entschlossen, es unseren Kunden auch bei erhöhten Produktionsmengen bieten zu können.
Wie wollen Sie den Ausbau finanzieren?
Denis Widler: Unsere Strategie zur Finanzierung des Ausbaus hat zwei Phasen, wobei wir die erste davon erfolgreich hinter uns haben. In der ersten Phase fokussierten wir uns auf den Pre-Sale von Flappie. Dies war nicht nur ein wichtiger finanzieller Meilenstein für die Entwicklung unseres Produkts, sondern diente auch dazu, die Akzeptanz und das Interesse des Marktes zu überprüfen. Das Ergebnis übertraf unsere Erwartungen. Das durch Flappie erzeugte mediale Echo sowie die erhebliche Resonanz, die unser Pre-Sale hervorgerufen hat, haben uns nicht nur bestätigt, dass wir einen klaren Produkt/Market Fit gefunden haben, sondern haben uns auch wertvolle Ressourcen für die Fortsetzung unserer Pläne verschafft. Jetzt befinden wir uns in der zweiten Phase. Wir haben den Fundraising-Prozess gestartet, um die Produktion in Angriff zu nehmen und Flappies Reichweite auf dem Markt weiter auszudehnen. Durch unsere Traction aus dem Pre-Sale sind wir zuversichtlich, dass wir die notwendigen Investitionen und Unterstützung für unsere weiteren Ambitionen gewinnen werden.
Besten Dank für das Interview.
Oliver Widler, Co-Founder von Flappie Technologies, hat einen Masterabschluss der ETH Zürich in Maschinenbau mit Schwerpunkt Robotik. In seiner beruflichen Laufbahn spezialisierte er sich auf die Integration von Machine- und Deep-Learning zur Optimierung von Produktionsprozessen. Zudem bringt er umfassende Erfahrung in Datenanalyse und Natural Language Processing (NLP) mit.
Denis Widler ist Co-Founder von Flappie Technologies. Er hat einen Master-Abschluss der Universität St. Gallen (HSG) in Business Innovation und Berufserfahrung in der M&A-, Business Development- und Versicherungsbranche.