Oliver Weber, CEO Crealogix-Gruppe, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Weber, noch vor drei Jahren setzte Crealogix einen von zwei Franken im Ausland um. Mittlerweile macht das internationale Geschäft zwei Drittel Ihres Umsatzes aus. Welche Länder werden bald am meisten Umsatzwachstum bringen?
Oliver Weber: In den letzten Jahren sind wir im Ausland stärker gewachsen, im abgelaufenen Jahr hingegen stieg der Anteil des Schweizer Umsatzes von 36% auf 38% des Gesamtumsatzes der Gruppe. Das zeigt, dass wir die internationalen Innovationen zurück in die Schweiz bringen können und damit auch hier Erfolg haben. Gleichzeitig konnten wir kürzlich aber auch verschiedene grössere internationale Projekte ankündigen, so in Deutschland, Asien oder im arabischen Raum. Generell bieten sich in allen von Crealogix bearbeiteten Märkten gute Wachstumschancen. Die Digitalisierung erlebt gerade einen Wachstumsschub.
Und wo gibt es die schönsten Margen?
Das ist nicht so sehr eine Frage des Marktes, sondern mehr eine Frage des Portfolios. In Märkten, in denen wir vermehrt Software as a Service (SaaS) verkaufen, lassen sich durch die Standardisierung höhere Skalenerträge erwirtschaften. Deshalb setzen wir verstärkt auf wiederkehrendes Geschäft und weniger auf Einzelprojekte, die häufig kundenspezifische Entwicklungen beinhalten. Im vergangenen Geschäftsjahr wuchs der Umsatz mit SaaS um über 18% und das wiederkehrende Geschäft machte bereits 44% unseres gesamten Umsatzes aus. Unser Ziel ist es, diesen Anteil mittelfristig auf 60% zu steigern.
«In Märkten, in denen wir vermehrt Software as a Service (SaaS) verkaufen, lassen sich durch die Standardisierung höhere Skalenerträge erwirtschaften.»
Oliver Weber, CEO Crealogix-Gruppe
Crealogix hat eine Filiale in der saudischen Hauptstadt Ryad. Ist die Abwicklung korankonformen Bankings anders?
In der Abwicklung der Digitalisierungsprojekte gibt es kaum Unterschiede. Auch dort entwickeln wir in einem agilen Framework führende digitale Banking-Lösungen gemeinsam mit unseren Kunden. Inhaltliche Unterschiede bestehen selbstverständlich. So werden beispielsweise keine Zinsen bezahlt, weder für Kunden noch für die Bank. Investiert wird nur in reale Güter, nicht in Wertpapiere, Aktien oder Fonds.
Hat sich die Eindämmung menschlicher Kontakte durch die Coronapandemie besonders stark auf Ihre digitalen Education-Lösungen ausgewirkt?
Ja. Zu Beginn der Pandemie erhielten wir vermehrt Anfragen von Unternehmen für den Einsatz unserer Corporate-Lösung. Wurde zuvor digitales Lernen vorwiegend aus Kostengründen eingesetzt, so ist es in der Zwischenzeit zur wichtigsten Schulungsform geworden. Zu Beginn der Pandemie haben wir ein digitales Trainingsprogramm zum Thema «Arbeiten vom HomeOffice» entwickelt und allen unseren Kunden zur Verfügung gestellt. Die Nachfrage war sehr gross, und das Training wurde von Tausenden von betroffenen Mitarbeitenden erfolgreich absolviert.
Im vorletzten Geschäftsjahr konnte die 100 Millionen-Umsatzgrenze geknackt werden. Allerdings rutschte Crealogix damals in die Verlustzone. Gibt es jetzt ein gemächlicheres Wachstumstempo?
Wir erzielten im abgelaufenen Geschäftsjahr einen neuen Umsatzrekord und konnten unser Betriebsergebnis auf vergleichbarer Basis verbessern. Wir haben im Zusammenhang mit der laufenden Transformation hin zum SaaS-Modell und damit zu nachhaltigerem Wachstum kommuniziert, dass die Umstellung kurzfristig auf das Umsatzwachstum und die Profitabilität drückt. Im Klartext: wir wachsen beim Umsatz und Ergebnis stärker, aber mit steigendem SaaS-Anteil am Gesamtumsatz werden diese Anteile über einen längeren Zeitraum ausgewiesen. Der Erfolg der Transformation lässt sich an den erhöhten wiederkehrenden Umsätzen und einer verbesserten Profitabilität messen. Wir erwarten für das Geschäftsjahr 2020/2021 einen höheren Anteil beim wiederkehrenden Umsatz und eine Profitabilität auf EBITDA-Ebene, die höher ist als die bereinigte EBITDA-Marge im letzten Geschäftsjahr.
«Wir erwarten für das Geschäftsjahr 2020/2021 einen grösseren Anteil beim wiederkehrenden Umsatz und eine Profitabilität auf EBITDA-Ebene, die höher ist als die bereinigte EBITDA-Marge im letzten Geschäftsjahr.»
Wealth Management – Lösungen dürften in den nächsten Jahren eine glänzende Zukunft haben, da sie weit über das Programmieren von Transaktionen hinausgehen, richtig?
Die Corona-Krise hat diese Entwicklung noch einmal beschleunigt. Für Bank- und Beratungsgeschäfte muss niemand mehr eine Bankfiliale aufsuchen. Der digitale Kanal für die Interaktion mit Kunden wird immer wichtiger, und Kunden fordern mehr personalisierte Dienstleistungen und Ansprachen. Dazu müssen Banken ihre Kunden und deren Präferenzen kennen. Vernachlässigen Banken dies, riskieren Sie, Kunden zu verlieren. Unser Beitrag dazu leisten wir mit dem neuen Angebot Conversational Banking. Zentral dabei sind Dialogfunktionen wie Chat, die sicher und regelkonform sind und mit einem Robo-Advisor ergänzt werden können. Dank dem Einsatz moderner Technologie verändert sich die gesamte Kundenbeziehung. Bankgeschäfte können so überall, jederzeit und sehr personalisiert abgewickelt werden. Damit erreichen Banken das, was unter dem Stichwort Open Banking in der Vergangenheit angekündigt wurde. Ganz konkret: Ein offenes Ökosystem, damit neue digitale Dienstleistungen schnell integriert werden können und einfache Dialogformen mit den Kunden, damit sie die neuen Kanäle nutzen können. Gerade die jüngere, ebenfalls schon vermögende Generation oder die sehr digital-affine Kundschaft in Asien fragen dies nach.
«Zentral sind Dialogfunktionen wie Chat, die sicher und regelkonform sind und mit einem Robo-Advisor ergänzt werden können.»
Ihr Software-als-Service-Vertriebsmodell wuchs von 14 auf 18 Prozent Umsatzanteil im gerade abgeschlossenen Geschäftsjahr. Was ist da die endgültige Zielgrösse?
Unser Ziel ist natürlich, dass die Umsätze mit SaaS möglichst rasch wachsen und einen grossen Anteil am Gesamtumsatz ausmachen. Grundsätzlich ist uns aber der wiederkehrende Umsatz wichtig, den wir auch mit anderen Angeboten erreichen. Dieser Anteil liegt heute bei 44% und soll mittelfristig auf 60% steigen.
Spielt bei dieser geplanten Steigerung des „wiederkehrendes Umsatzes“ Ihr Cloud-Partner IBM eine Schlüsselrolle?
Wir legen den Fokus auf ein nachhaltig hohes EBITDA im zweistelligen Bereich. Dies wollen wir durch drei Massnahmen erreichen: Gestrafftes und besser skalierbares Angebot, Ausbau des direkten Vertriebs und stärkerer lokaler Präsenz sowie Ausbau der internationalen Partnerschaften wie derjenigen mit IBM.
Im letzten Geschäftsjahr stiegen die Personalausgaben um zehn Prozent. In Zukunft sollen rund zehn Prozent der Stellen wegfallen. Hängt das zusammen?
Nein. Unsere Transformation ist weit fortgeschritten und umfasste den Ausbau gewisser Aufgaben wie beispielsweise bei der Entwicklung und dem Vertrieb. Gleichzeitig haben wir unsere Produktportfolio gestrafft und vereinfacht sowie unsere Organisation angepasst, was eine Reduktion von Stellen erlaubt. Dieser Prozess läuft immer noch und wird das Ergebnis des aktuellen Geschäftsjahres beeinflussen.
Trotz einer von 57 auf 40 Prozent gesunkenen Eigenkapitalquote hat Crealogix durch sehr tiefe Fremdkapitalzinsen grossen finanziellen Spielraum. Wie und wo werden sie diesen nutzen?
Wir investieren weiterhin rund 20% unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Gleichzeitig forcieren wir unser organisches Wachstum durch den Ausbau unserer lokalen Präsenzen. Wir haben im letzten Jahr in Asien unsere Mitarbeiterzahl verdoppelt, auch haben wir den internationalen Vertrieb ausgebaut. Selbstverständlich sind auch Akquisitionen weiterhin eine Option, wenn diese zu unserem Geschäftsmodell passen oder unser Angebot gezielt ergänzen.