Olivier Chuard, VRP Livesystems
Olivier Chuard, VRP Livesystems.
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Chuard, die Livesystems AG ist mit dem Swiss Economic Award ausgezeichnet worden. Herzliche Gratulation dazu. Was bedeutet diese Auszeichnung Ihnen persönlich und was für das Unternehmen?
Olivier Chuard: Sowohl persönlich wie auch für das Unternehmen bedeutet diese Auszeichnung sehr viel. Der gesamte Selektionsprozess des Swiss Economic Awards hat uns erlaubt, unser Produkt und das Geschäftsmodell einer kritischen Expertenjury vorzustellen und so auch knallhart analysieren zu lassen. Als wir uns dann gegen rund 150 Teilnehmer durchsetzen konnten, hat uns das gezeigt, dass wir vieles richtig gemacht haben.
Ausgezeichnet wurde das Unternehmen für ihr erfolgreiches Produkt Passengertv. Was genau ist Passengertv?
Passengertv erlaubt eine effiziente, präzise und sekundenschnelle Information der Fahrgäste während der Fahrt über installierte Bildschirme in den Fahrzeugen. Passengertv ist von der bestehenden Fahrzeuginfrastruktur losgelöst und funktioniert komplett unabhängig. Die Verkehrsbetriebe erhalten sozusagen ein “Sorgenlos-Paket”, welches innert sehr kurzer Zeit produktiv sein kann, ohne bestehende Systeme ersetzen zu müssen. In den Fahrzeugen der Verkehrsbetriebe werden Doppelbildschirme verbaut. Einer, der den Linienverlauf darstellt und ein zweiter, der Echtzeitdaten, wie zum Beispiel Anschlussinformationen oder aktuelle betriebliche Meldungen wiedergibt. Auch wenn keine Störungen vorliegen, werden im Sekundentakt brandaktuelle Nachrichten aus der Region, Eigenwerbungen des Verkehrsbetriebes, Kulturelles, Liveinhalte wie auch Werbungen angezeigt. Dies garantiert die Aufmerksamkeit und die Attraktivität der Fahrgäste für den zweiten Bildschirm.
«Passengertv steht für Echtzeitinformation in den Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs.»
Olivier Chuard, VRP Livesystems AG
Und wie funktioniert das System?
Passengertv steht für Echtzeitinformation in den Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs. Die zentralisierte Infrastruktur und Datenübertragung über das Mobilfunknetz erlaubt eine sekundenschnelle Distribution von Inhalten in alle Fahrzeuge. Inhalte können sowohl automatisiert generiert und an ihr Ziel übermittelt werden als auch manuell mit Hilfe der online Plattform von passengertv direkt gebucht werden.
Wie hoch ist der Beachtungsgrad?
Sehr hoch, denn man kann nicht Wegzappen oder einfach Umblättern. Dank einem attraktiven Inhaltsmix können wir die volle Aufmerksamkeit der Fahrgäste stets garantieren.
Wie setzt sich der Inhalte-Mix zusammen?
Wir legen grossen Wert darauf, dass ein Grossteil der Inhalte keinen werbenden Charakter hat. Daher limitieren wir die Sendezeit für Werbeinhalte auf maximal 25%. Die restliche Sendezeit besteht einerseits aus wichtigen Informationen der Verkehrsbetriebe und andererseits aus Unterhaltungsinhalten wie aktuelle Headlines, Kulturtipps, Badetemperaturen, Wetterprognosen, etc. Wir versuchen einen möglichst attraktiven Inhaltsmix auszustrahlen, damit sich die Aufmerksamkeit der Fahrgäste auf die Bildschirme richtet.
Maximum 25 % des Mediums stehen also für Werbeinhalte zur Verfügung, Werbung, mit der Livesystems auch Geld verdient. Wie genau lässt sich diese auf die jeweilige Zielgruppe ausrichten?
Sehr gezielt! Dank passengertv können heute Werbungen im öffentlichen Verkehr mit minimalen Streuverlusten platziert werden. Passengertv erlaubt es Werbungen zu einer bestimmten Tageszeit und/oder in gewissen Stadtteilen auszustrahlen. Will man zum Beispiel für Luxus Uhr werben, könnte die Werbung über passengertv gezielt in der Umgebung der Zürcher Bahnhofstrasse ausgestrahlt werden und dies nur am Morgen, wenn Banker zur Arbeit gehen.
«Unser grösster Kunde ist die Postauto Schweiz AG mit einer Fahrzeugflotte von über 2‘000 Fahrzeugen.»
In wie vielen Verkehrsmitteln läuft Passengertv heute, wer sind Ihre grössten Kunden?
Mit passengertv kann man heute rund 560‘000 Fahrgäste pro Tag auf 1‘420 Bildschirmen in 22 Kantonen und 25 Verkehrsbetrieben erreichen. Unser grösster Kunde ist die Postauto Schweiz AG mit einer Fahrzeugflotte von über 2‘000 Fahrzeugen. Davon werden jeden Tag mehrere Fahrzeuge mit passengertv ausgerüstet.
«Die mobilen Endgeräte sind die perfekte Ergänzung zu passengertv.»
Ihr Unternehmen bietet Verkehrsanbietern auch einen Wireless-Zugang ins Internet an. Konkurrenziert die heute schon starke Nutzung der mobilen Endgeräte gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln Passengertv nicht?
Nein im Gegenteil! Die mobilen Endgeräte sind die perfekte Ergänzung zu passengertv. Dank der immer grösseren Verbreitung von Tablets und Smartphones können interessante Brücken zwischen den Inhalten auf passengertv und Internetplattformen wie Webseiten und Social Media Seiten geschlagen werden. Wir Entwicklern zurzeit Apps, die es Fahrgästen erlauben, ihr mobiles Gerät auf die Bildschirme zu richten und so direkt zu der entsprechenden Internetseite oder Social Media Plattform zu gelangen, welche die weiterführenden Informationen enthält.
Die mobile Netzabdeckung in der Schweiz ist gut. Gerade in Zügen ist der Internetzugang aber nach wie vor mühsam und teuer. Wieso hinkt die Schweiz in diesem Bereich vielen ausländischen Staaten hinterher?
Diese Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Die Schweiz mag in diesem Bereich anderen Ländern hinter her hinken, man sollte allerdings beachten, dass die Schweiz ein unvergleichbar gutes öV-Angebot hat. Dafür sollte man dankbar sein. Zusatzdienste sind ein „nice to have“ viel wichtiger ist es, dass die Schweizer Verkehrsbetriebe ihr Kerngeschäft, im Vergleich zu vielen Ländern im Ausland, im Griff haben.
Bei welchen Verkehrsanbietern ist ihre WLAN-Lösung bereits im Einsatz?
Wir haben im Februar mit den Trams in Basel bei der BLT begonnen und haben mittlerweile auch in Zug mit der Ausstattung beginnen können. Zudem laufen zurzeit fast in jeder Region der Schweiz Pilotprojekte, wo voraussichtlich in Kürze diverse Rollouts stattfinden werden.
«Die Startfinanzierung war, wie für viele Jungunternehmen in der Schweiz, die grösste Hürde.»
Welches waren die Entwicklungsschritte des Unternehmens und wie konnten Sie diese finanzieren?
Auch wir haben die klassischen Schritte eines Start-up Unternehmens, von der Seed Phase bis nun zur Wachstumsphase, hinter uns. Wir mussten mit sehr kleinen Projekten beginnen und uns schrittweise hocharbeiten. Die Startfinanzierung war, wie für viele Jungunternehmen in der Schweiz, die grösste Hürde. Ein Grossteil der des Startkapitals wurde aus der eigenen Tasche und der Hilfe von Familie und Freunden finanziert. Den Rest konnten wir mit Private Equity realisieren.
Welches sind die weiteren geplanten Ausbauschritte?
Wir werden die Präsenz von passengertv in der Schweiz weiter verstärken. Die schon heute laufenden Auslandlandaktivitäten werden wir Ende 2012 in eine kohärente Strategie eingebettet haben und im Ausland noch aktiver werden.
Wo sehen Sie das Unternehmen in 10 Jahren?
Wir werden im In- und Ausland als der kompetenteste Partner für die Vermarktung und den Betrieb digitaler Werbe- und Informationsträger im Umfeld des öffentlichen Verkehrs bekannt sein. passengertv wird sich nicht nur in der Schweiz klar als Lead Werbe- und Kommunikationsmedium etabliert haben.
Herr Chuard, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Olivier Chuard
Geboren 1976, Master of Science in Informatics an der Universität Freiburg. Während des Studiums Initiant und Betreiber eines Internetcafés in Bern. Die Geschäftsidee von Livesystems basiert auf seiner Masterarbeit „Context-Aware Advertising“, die er intensiv mit Yves Kilchenmann besprach und die sie mit Livesystems zur Marktreife brachten. Verwaltungsratspräsident bei der Livesystems AG und zuständig für Business Development.