Patrick Amstutz, CEO Molecular Partners, im Interview

Patrick Amstutz

Patrick Amstutz, CEO Molecular Partners. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Amstutz, seit 12. Mai sind Sie nicht mehr Interim-CEO, sondern ganz regulär vom Verwaltungsrat zum Nachfolger Ihres Co-Founder-Kollegen Christian Zahnd ernannt. Eigentlich ein logischer Schritt. Wieso gab es dennoch diese „Bedenkzeit“?

Patrick Amstutz: Die CEO-Position ist in jedem Unternehmen zentral. Ich habe es deshalb auch persönlich begrüsst, dass der Verwaltungsrat alle internen und externen Optionen für die Nachfolge sorgfältig geprüft hat. Umso mehr freut mich das mir gegenüber ausgesprochene Vertrauen.

Abicipar ist ihr Haupt-Projekt, ein Medikamentenkandidat gegen Erblindung. Wie stark hängt Molecular Partners‘ Erfolg kurzfristig von erfolgreichen klinischen Ergebnissen mit abicpar ab?

Abicipar ist in der Phase III – Zulassungsstudie am weitesten fortgeschritten und steht deshalb im Fokus. Wir haben aber in den letzten Jahren unsere Pipeline kontinuierlich ausgebaut und vielversprechende Moleküle in der Entwicklung, wie zum Beispiel MP0250, das soeben in der Phase II dem ersten Patienten mit Multiplem Myelom dosiert wurde und für das wir eine weitere Phase II-Studie bei einer Lungenkrebsindikation starten werden.

«Allergan hat die abicipar-Phase III – Studie sehr schnell voll rekrutiert, was ein gutes Zeichen für das Medikament ist.»
Patrick Amstutz, CEO Molecular Partners

Ophthotech, ein US-amerikanisches Biotech-Start-up, hat in seiner Phase III-Studie mit seinem Flagschiffprodukt Fovista komplett versagt. Das Medikament sollte wie abicipar bei Makula-Degeneration eingesetzt werden. Ist so etwas für Molecular Partners eher bad oder good news?

Als das Scheitern von Fovista bekannt wurde, haben die „reinen“ VEGF-inhibierenden Produkte, Lucentis und Eylea, direkt davon profitiert. Abicipar ist zwar noch nicht am Markt, ist aber auch ein „reiner“ VEGF-Inhibitor. Die bisherigen Resultate bei der Behandlung der feuchten Makula-Degeneration waren sehr ermutigend. Allergan hat die Abicipar-Phase III – Studie sehr schnell voll rekrutiert, was ein gutes Zeichen für das Medikament ist.

Einige Ihrer Venture-Kapitalgeber haben ihren Aktienanteil leicht reduziert. Können Freefloat-Aktionäre auch neben ihrem neuen, berühmten Ankeraktionär Hansjörg Wyss in Zukunft in die Bresche springen?

Es gibt in der Schweiz und international viele Investoren, die sich für Molecular Partners interessieren. Dies zeigt sich auch daran, dass neben Herrn Wyss noch etliche andere Biotech-Kenner namhafte Aktienpakete übernommen haben. Es ist aber auch beachtlich, dass die Venturekapitalgeber, welche sich ja oft nach maximal zehn Jahren ganz zurückziehen, immer noch investiert bleiben möchten. Keiner der Venturekapitalgeber, die im April ihre Anteile an Herrn Wyss und weitere Schweizer Investoren verkauft haben, hat alle Anteile verkauft, was darauf hindeutet , dass diese Investoren die nächsten werttreibenden Meilensteine – beispielsweise die Bekanntgabe der Phase III-Daten zu abicipar – abwarten wollen. Interessierte neue Investoren müssen ihre Aktien also über den Markt kaufen.

Ende des ersten Quartals 2017 besass Molecular Partners 169 Millionen Franken liquide Mittel. Das ist beruhigend, aber wohl nicht genug, um alle ambitionierten Projekte voranzutreiben…

Molecular Partners war von Beginn weg immer gut finanziert, nicht zuletzt wegen Meilenstein-Zahlungen aus zahlreichen Projekten mit unseren strategischen Partnern. Die heutigen Mittel reichen bis Ende 2019, also insbesondere bis die wichtigen Daten aus den Phase III-Studien von abicipar sowie erste Daten zu unseren eigenen Onkologie-Projekten vorliegen. Bis dahin können wir ohne Eile ergänzende Finanzierungsoptionen prüfen oder erwägen, für einzelne oder neue Projekte Partnerschaften einzugehen. Ein Entscheid ist nicht gefallen.

«Die heutigen Mittel reichen bis Ende 2019.»

Wie geht es dem von Janssen Biotech zurückgekauften Medikamentenkandidaten gegen Lungenkrankheiten?

Das Molekül gehört nun wieder vollständig uns und läuft bei uns unter dem Namen MP0230. Janssen hat notabene einen zweistelligen Millionenbetrag in das Molekül investiert und wir prüfen nun, ob wir es intern weiter entwickeln wollen oder ob sich ein neuer Partner dafür interessiert. Es gibt interessante Anwendungsgebiete im Bereich der Entzündungen, wie zum Beispiel in der Atopischen Dermatitis.

Seit 40 Jahren gelten monoklonale Antikörper als top, wenn es darum geht, zielgenau auf molekularer Ebene im Körper Krankheiten zu attackieren. Weshalb meinen Sie, sind Molecular Partners‘ „DARPins“ besser?

DARPins sind nicht per se „besser“ als Antikörper, aber andersartig. Während Antikörper ideal sind, um ein einziges Target zu erkennen und in seltenen Fällen zwei, erlauben es DARPins mehr als sechs Targets gleichzeitig zu binden. Die einzelnen DARPins agieren dabei wie die einzelnen Spieler eines Teams, welche ihren Fähigkeiten entsprechend einzelne Aufgaben für das Team übernehmen. Dank diesen spezifischen Funktionen können DARPins daher multidimensional agieren, während Antikörper dies maximal in zwei Dimensionen können. Dies ermöglicht es, neuartige Wirkmechanismen zu erforschen, die für Antikörper nicht oder nur ungenügend machbar sind.

Gibt es vielleicht schon Interessenten für ein Licensing der DARPin-Technologie?

Die gibt es immer wieder, und wir haben in der Geschichte der Firma ja bereits über 200 Millionen Franken aus Partnerschaften eingenommen. Dies ist notabene mehr, als was wir seit der Gründung selber investiert haben. Der Fokus ist aber mehrheitlich auf unserer eigenen Pipeline. Wir sind überzeugt, dass wir so viel Wert schaffen und dem Patienten schnell helfen können. In gegebenen Fällen, wenn ein Partner spezifisches Wissen und/oder eine komplementäre Technologie mitbringt, machen Partnerschaften viel Sinn.

«Die einzelnen DARPins agieren dabei  wie die einzelnen Spieler eines Teams, welche ihren Fähigkeiten entsprechend einzelne Aufgaben für das Team übernehmen.»

Neben der Augenkrankheit Makula-Degeneration warten Medikamentenkandidaten gegen Krebs in Ihrer Entwicklungspipeline, allerdings in deutlich früheren klinischen Phasen. Wann könnte da der erste Kandidat reif sein?

Unsere Pipeline ist zeitlich gut gestaffelt. Neben den beiden Phase III-Studien für abicipar haben wir soeben eine Phase II Studie von MP250 in Kombination mit bortezomib (Velcade®) und dexamethasone zur Behandlung von Patienten mit einem multiplen Myelom (Knochenmark-Tumoren) gestartet. Wir rechnen derzeit mit ersten Verträglichkeitsdaten der Phase II in diesem Jahr und ersten Wirksamkeitsdaten in 2018. Zudem wird MP250 in einer zweiten Phase II-Studie zur Behandlung von Lungentumoren, sogenannten „EGFR mut NSCLC-Tumoren“, eingesetzt. Für ein weiteres multi-spezifisches DARPin MP274, werden wir die Phase I an Patienten mit HER2-positiven Tumoren auch noch dieses Jahr starten. Auch in der Immun-Onkologie macht unsere Pipeline wichtige Fortschritte.

Die Medikamentenkandidaten, die jetzt in frühen Phasen stecken, will Molecular Partners im Gegensatz zu abicipar, wo die Firma Allergan-Partner ist, allein zur Marktreife entwickeln. Wäre da nicht jetzt schon Geldsammeln ideal, wegen der günstigen Zinsen?

Als Biotechfirma gehört es immer zu unseren Aufgaben, Möglichkeiten zur Kapitalbeschaffung zu prüfen. Dies kann über neue Investoren oder Partnerschaften mit Pharmafirmen geschehen. Wir werden diese Möglichkeiten sorgfältig gegeneinander abwägen mit dem Ziel, stets eine hohe Liquidität für die Firma sicherzustellen.

Wo liegt überhaupt der Finanzierungssatz für Molecular Partners?

Molecular Partners ist komplett schuldenfrei. Eine mögliche Refinanzierung würde somit über die Einnahmen aus neuen Partnerschaften oder über neues Eigenkapital erfolgen.

Um wie viele Basispunkte hat Ihr seinerzeit so erfolgreiches IPO den Refinanzierungssatz gesenkt?

Wie gesagt, haben wir keinen direkten Refinanzierungsdruck. Da der Kurs beim IPO CHF 22.40 war und nun in der Gegend von rund CHF 30 ist, hätten sich die Refinanzierungskosten deutlich reduziert.

Zum Interviewpartner:
Patrick Amstutz, geb. 1975, ist seit November 2016 Chief Executive Officer von Molecular Partners. Von 2014 bis 2016 war er Chief Operating Officer und von 2006 bis 2014 Chief Business Officer. Er ist Mitbegründer von Molecular Partners und hat zahlreiche Kollaborationen und Lizenzvereinbarungen in die Wege geleitet. Dr. Amstutz hat einen Master of Science der ETH und einen Doktor der Molekularbiologie der Universität Zürich.

Zum Unternehmen:
Molecular Partners ist ein Biotech-Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Darpins, einer neuen Wirkstoffklasse, konzentriert. Darpins sind künstliche Proteine, die ähnliche Eigenschaften wie Antikörper haben, jedoch viel kleiner und auch einfacher und schneller zu entwickeln sind. Vor 12 Jahren erhielt das Unternehmen dafür den Swiss Technology Award. Molecular Partners ist seit Ende 2014 an der Schweizer Börse kotiert.

Molecular Partners
Firmeninformationen bei monetas

Exit mobile version