Patrick Baumberger, Vizepräsident Swiss Fintech Innovations, im Interview
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Baumberger, der Branchenverband Swiss Fintech Innovations (SFTI) hat seit seiner Gründung im März 2016 schon zahlreiche Mitglieder aus dem Finanzbereich und Partner wie die Universität Zürich gewonnen. Was sind Ihre wichtigsten Initiativen und Anliegen?
Patrick Baumberger: Grundsätzlich gilt unser Hauptanliegen natürlich dem Finanzstandort Schweiz in der Digitalisierung voran zu bringen und die Schweiz zu einem Hub für Fintech zu machen. Unsere wichtigsten Initiativen sind zurzeit sicherlich das Voranbringen einer abgestimmten Lösung oder auch Meinung für die Schweizer eID, die der Bundesrat bis 2019 umgesetzt haben möchte.
«Unsere Mission ist es vor allem, Brücken zu schlagen zwischen den verschiedensten Parteien und Organisationen.» Patrick Baumberger, Vizepräsident Swiss Fintech Innovations
Auch unsere Initiative, eine abgestimmte Lösung für eine Bankenschnittstelle, eine Common API, zu erarbeiten liegt bei uns in diesem Jahr sehr im Fokus. Wir setzen uns für die richtig relevanten Themen ein und sind der Überzeugung im kooperativen Ansatz diese in der Lösungsfindung und Wettbewerbsentwicklung zu beschleunigen. Unsere Mission ist es vor allem, Brücken zu schlagen zwischen den verschiedensten Parteien und Organisationen. Dabei müssen wir nicht zwingend selbst Lösungen realisieren, sondern vielmehr Doing – Antizipieren, in die Initiative gehen, Überblick verschaffen, aufklären, koordinieren, Experimentieren, Empfehlungen/Expertisen abgeben und konkrete Lösungswege aufzeigen!
Welche technologischen Entwicklungen stehen im Fokus bei SFTI, wo wollen Sie möglichst konkrete Unterstützung für Ihre Mitglieder bieten?
Jede Technische Entwicklung, die zukunftsweisend und relevant für die Finanzbranche ist, steht im Fokus. Wir sind ständig dabei, neue Projekte und neue spannende Arbeitsfelder zu prüfen. Unterstützung bieten wir unseren Mitgliedern bei vielerlei Dingen, aber zum grössten Teil natürlich in den Projekten, wo die verschiedenen Mitglieder zusammenarbeiten und sich koordinieren müssen, da gibt es sicherlich den grössten Bedarf, aber auch das grösste Potenzial viel zu erreichen.
Swiss Fintech Innovations hat im September mit seinem Vorschlag zur Rolle von Banken als Herausgeber (Identity Provider) einer vom Bund überwachten, aber eben nicht selbst vergebenen digitalen Identität, für einiges Aufsehen gesorgt. Was waren die hauptsächlichen Reaktionen, auch auf politischer Ebene?
Die Reaktionen waren sehr positiv. Es wurde allgemein sehr geschätzt, dass wir uns dafür engagiert haben, alle bereits bestehenden Player an einen Tisch zu holen und uns für ein konsolidiertes Vorgehen einzusetzen. Die Studie, die wir dann in Auftrag gegeben haben, welche die Schweizer Bevölkerung abholt und zu der Nutzung und dem Vertrauen gegenüber einer eID abfragt, ist auf sehr hohes Interesse gestossen. Das war ein Vorgehen genau nach unserer Mission und es hat sich sehr erfreulich gezeigt, dass es diese Rolle im Markt braucht. Das gibt uns Ansporn für künftige Themen, auch wenn diese Aufgaben sehr herausfordernd sind.
«Unsere Studie hat ergeben, dass das Vertrauen der Bürger nicht nur beim Staat liegt, sondern auch bei Banken, gerade was den Umgang mit privaten Daten anbelangt.»
In der Schweiz, aber auch in Staaten, in denen die digitale Identität schon weiter entwickelt ist, ist die Vergabe und Verwaltung der Identität der Bürger eine Kernaufgabe des Staates. Wieso sollen jetzt Finanzinstitute, Retailer oder Telekommunikationsfirmen in diesem für die Bürger wichtigen und sensiblen Bereich als Anbieter auftreten können?
Ich denke, die Lösung liegt in der Mitte. Unsere Studie hat ergeben, dass das Vertrauen der Bürger nicht nur beim Staat liegt, sondern auch bei Banken, gerade was den Umgang mit privaten Daten anbelangt. Zudem muss eine eID-Lösung für verschiedene Institutionen und Wirtschaft gleichermassen funktionieren, damit für den Bürger ein Nutzen entsteht und auch eine gewisse Zugkraft, damit sich die Lösung durchsetzt. Daher haben wir uns dafür stark gemacht, dass die eID nicht nur von Banken oder dem Staat, sondern auch von Startups, SBB, Post und anderen Firmen getragen wird. Wir sind auch überzeugt, dass die Operationalisierung einer eID privatwirtschaftlich sicher kostengünstiger und leaner organisiert werden kann. Der Staat ist aber im Zusammenspiel unabdingbar.
Gerade die Grossbanken haben unter politischem Druck, zum Beispiel aus den USA, eine nicht besonders rühmliche Rolle gespielt und sowohl Kunden- als auch Mitarbeiterdaten trotz Bankkundengeheimnis und Datenschutz relativ schnell preisgegeben. Eine gute Basis, um jetzt den Finanzinstituten die Vergabe der digitalen Identität zu überantworten?
Der Datenschutz hat in der Schweiz grundsätzlich einen anderen, viel höheren Stellenwert als in den USA. Zudem ist eine gemeinsame Entwicklung mit anderen Branchen und der Politik ein weiterer Schutz vor Missbrauch.
Alle Unternehmen, welche als Identity Provider agieren würden, würden dies aus rein wirtschaftlichen Gründen tun, im Gegensatz zum Staat, der ganz andere Aufgaben hat (Schutz der Freiheit und der Rechte der Bürger, Unabhängigkeit und Sicherheit des Landes). Das heisst für ein Unternehmen wird entweder direkt über die Bezahlung der Leistung oder aber über den Mehrgewinn an Informationen über seine Kunden einen Profit erzielen wollen. Weshalb wollen Sie aus dem Grundrecht eines Bürgers (Anspruch gemäss Ausweisgesetz) ein Geschäftsfeld für Unternehmen machen?
Es sind nicht die Informationen über den Kunden, mit denen der Profit gemacht werden würde, sondern die technische Anbindung an das System. Dabei geht es also nicht um den Austausch oder Verkauf von Kundendaten. Früher oder später wird der Druck für eine eID stärker werden, weil die Kunden es wollen, weil die internationale Staatengemeinschaft es fordert oder weil die Digitalisierung sonst schnell an ihre Grenzen geraten wird und die eID vieles vereinfachen würde. Besser wir schaffen jetzt für eine vernünftige Umsetzung, als später hinterher zu laufen und eine weniger Durchdachte Lösung zu haben.
«Die eID ist kein Business Case. Aber eine unbedingt notwendige digitale Entwicklung für sämtliche darauf basierenden Innovationen und natürlich Erlösmodelle.»
Schliesslich noch kurz zur Frage der Finanzierung: Auch von staatlicher Seite ist vorgesehen, die eID-Services kostendeckend anzubieten. Bei einer Lösung, die vollständig vom Bund bereitgestellt werden würde ist daher anzunehmen, dass die entstehenden Kosten ebenfalls von den Bürgern zu tragen sind. Die eID ist kein Business Case. Aber eine unbedingt notwendige digitale Entwicklung für sämtliche darauf basierenden Innovationen und natürlich Erlösmodelle.
Nebst den kommerziellen Aspekten spielen bei der digitalen Identität vor allem auch Sicherheitsaspekte eine zentrale Rolle. Der Pass wird deshalb bis anhin mit grossem technischen Aufwand auch nur vom Staat ausgestellt und nicht vom Lädeli um die Ecke. Wie soll das bei einer Vielzahl von Identity Provider aussehen, die dann auch ein Mehrfaches an Hacker-Angriffszielen bilden?
Sicherheit ist ein sehr zentrales Thema und einer der wichtigsten Punkte in der ganzen Diskussion. Sicherheit ist aber nicht höher, wenn der Staat alleine Provider ist als wenn es mehrere Anbieter sind. Die Sicherheit ist immer so gut, wie das Können und der Wille von Hackern, etwas zu erreichen. Das heisst, so oder so, muss die Sicherheit einer eID immer nachgerüstet werden, so ist das ja bei Ihrem Online-Banking auch, wir stehen da heute an ganz anderen Punkten als noch vor 10 Jahren.
Eng verbunden mit der digitalen Identität ist die digitale Signatur. Obschon hier der freie Markt spielt, gibt es in der Schweiz noch keine einfach einsetzbare, verbreitete Lösung. Ein Thema für Swiss Fintech Innovations?
Nein. Unser Ziel ist es nicht, Konkurrenz zu bereits bestehenden und etablierten Lösungen aufzubauen, wir arbeiten ja auch nicht profitorientiert. Aber wir möchten natürlich, dass digitale Signaturenlösungen mit der zukünftigen eID technisch zusammengeführt werden können.
In einer der Arbeitsgruppen von SFTI hat die Schweizer Börse SIX ein erstes, auf der Blockchain Technologie basierendes, Produkt als Zusatzkomponente für seine Trading Plattform XBRT erstellt. Im November soll dieses mit dem Entwicklungspartner NASDAQ getestet werden. Ein Modell auch für andere Banken, die zusammen mit SFTI ihr Geschäft digitalisieren möchten?
Wir sind wahnsinnig stolz auf dieses MVP (Minimal Viable Product) und was die Arbeitsgruppe alles erreicht hat und danken der SIX ganz besonders für ihr starkes Engagement in der Sache. Alle Ergebnisse der Arbeitsgruppen stehen ja allen Mitgliedern zur Verfügung und für neue Projekte sind wir auch immer offen, daher auf jeden Fall «Ja».
Wo sehen Sie die nächsten schnell einsetzbaren Anwendungen für die Blockchain Technologie?
Schnell ist hier eher relativ zu verstehen. Aber die Bereiche Real Estate, Hypotheken und ähnliche Assets könnten spannend sein. Automatisierung ist grundsätzlich ein grosses Thema, das für den Einsatz der Blockchain Technologie spricht.
Ein weiteres Anliegen von SFTI, die Schweizer Kernbankensysteme über standardisierte Schnittstellen einfacher zugänglich und schneller anpassbar zu machen, sind Sie mit der Entwicklung einer offenen Schnittstelle (Swiss Open Finance API) angegangen. Wie weit ist diese Initiative und wer wird sie unterstützen?
Die SFTI-Arbeitsgruppe zum Thema «common API for finance» adressiert sowohl Banken wie auch Versicherer. Das primäre Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es, eine branchenweit vereinheitlichte API-Spezifikation zu erarbeiten. Diese Spezifikation soll dann frei und kostenlos verfügbar sein. Die Monetarisierung der resultierenden Services wird jedoch jeder Bank bzw. jedem Versicherer selbst obliegen. Jedes Unternehmen entscheidet also selbst, ob es die entsprechenden API-Services bepreist oder kostenlos anbieten will.
«Wir sind inzwischen in der positiven Situation, die führenden Schweizer Anbieter für Kernbankensysteme an Bord zu haben.»
Im Hinblick auf die Frage der Unterstützung sind wir inzwischen in der positiven Situation, die führenden Schweizer Anbieter für Kernbankensysteme an Bord zu haben. Gemeinsam werden damit bereits ca. 3/4 der Schweizer Banken abgedeckt. Zudem verfolgen wir natürlich auch die Zusammenarbeit mit jenen Banken, die selbstentwickelte Kernbankensysteme betreiben, um eine möglichst vollständige Marktabdeckung zu erreichen.
Was die Versicherungen in unserem Fachverband angeht, so werden wir deren API-Services adressieren, sobald die Grundlagen auf Seiten der Banken geklärt sind. Dann wird geprüft, welche Services den gemeinsamen Kern bilden, und auf dieser Basis wird der versicherungsspezifische Teil ausdetailliert.
Was sind Ihre nächsten wichtigsten Ziele mit SFTI, die Sie erreichen möchten?
Aufbauend auf dem erreichten Erfolg, klar der Ausbau unseres Netzwerkes und noch mutigeres Vorantreiben der relevanten Digitalisierungsthemen in der Finanzbranche und der Schweiz.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Mehr Offenheit in der Finanzbranche zu kooperativen Ansätzen. Mehr Mut und etwas «Frechheit» in der Schweiz bei der Wettbewerbsentwicklung!