von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Schär, im März 2024 hat Selma Finance die KI-Finanzberatung «Selma AI» der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wie ist Ihre Jahresbilanz?
Patrik Schär: Wir sind sehr zufrieden mit dem Start von Selma AI. Innerhalb eines Jahres wurden über 60’000 individuelle Beratungsgespräche über das System geführt – eine Zahl, die mit einem rein menschlichen Team für uns nicht realisierbar wäre. Die Resonanz ist überwältigend positiv: Über 85% der Nutzenden geben an, dass ihnen die Beratung bei der Entscheidungsfindung hilft. Für uns ein klarer Beweis, dass Technologie nicht nur skaliert, sondern echten Mehrwert für unsere Kunden und Kundinnen schafft.
Können Sie beurteilen, wie sich das Anlageverhalten der Selma-Nutzerinnen und Nutzer nach einer Finanzberatung durch Selma AI entwickelt hat, also welche Entscheidungen getroffen wurden?
Ja, wir sehen deutlich, dass sich viele Nutzende nach einer AI-gestützten Beratung aktiver mit ihren Finanzen beschäftigen. Rund ein Drittel passt ihr Anlageverhalten nach einer Analyse mit Selma AI an – etwa durch Erhöhung der Sparbeträge oder durch das Ausschöpfen des empfohlenen Anlagepotenzials. Bei über 10% der Nutzenden lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der AI-Beratung und einer zusätzlichen Investition erkennen.
«Wir sehen deutlich, dass sich viele Nutzende nach einer AI-gestützten Beratung aktiver mit ihren Finanzen beschäftigen. Rund ein Drittel passt ihr Anlageverhalten nach einer Analyse mit Selma AI an.»
Patrik Schär, Gründer und CEO Selma Finance
Anhand welcher KPIs messen Sie den Erfolg der KI-gestützten Anlagestrategien?
Wir legen wie schon seit Beginn bei Selma viel Wert auf Nutzerfeedback: Hier fragen wir nach der Zufriedenheit, der Verständlichkeit und dem Nutzen der Beratung. Wichtig ist natürlich für uns auch das Verhalten. Verhalten verrät oft am «ehrlichsten», was Nutzende denken: Hier messen wir Änderungen beim Investitionsverhalten nach einer Beratung. Wichtig für unseren Business Case ist auch die Effizienz: Die Anzahl der Beratungen pro Tag / Woche und was unsere Kunden dadurch einsparen. Bei Neukunden hingegen messen wir die Conversion Rate: Dies bedeutet der Weg von der AI-Interaktionen zu Geldeinzahlung und Anlage. Nur wenn die Beratung überzeugt, entscheiden sich neue Kundinnen und Kunden auch mit uns anzulegen.
Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen der Finanzberatung mit Selma AI gegenüber herkömmlichen Methoden?
Selma AI kombiniert das Beste aus beiden Welten: Hochgradige Personalisierung und konstante Verfügbarkeit – ohne Verkaufsdruck. Die Beratung basiert nicht nur auf ein paar Standardfragen, sondern auf der individuellen finanziellen Situation, dem Gesamtvermögen und den Zielen der Nutzer. Klassische Beratung bleibt oft an der Oberfläche oder zielt auf den Produktverkauf – unsere AI hilft, Zusammenhänge zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Und in Bezug auf Kosten und Zeitaufwand?
Im Vergleich zur klassischen Beratung spart Selma AI sowohl Kosten als auch Zeit – für alle Beteiligten. Während bei Banken oft hohe Einstiegssummen und Terminpflicht gelten, bekommen unsere Nutzerinnen sofort eine fundierte Analyse. Die zusätzliche Beratung ist in unseren Servicegebühren bereits enthalten – ohne Zusatzkosten.
«Im Vergleich zur klassischen Beratung spart Selma AI sowohl Kosten als auch Zeit – für alle Beteiligten.»
Wie geht die KI individuell auf die unterschiedlichen Risikoprofile und Anlageziele der Kundinnen und Kunden ein?
Das Risikoprofil basiert nicht nur auf standardisierten Fragebögen, sondern wird im Kontext des Gesamtvermögens, der finanziellen Ziele und der Lebenssituation beurteilt. Unsere AI erkennt etwa, ob jemand jung ist und ein hohes Humankapital hat – und empfiehlt entsprechend eine langfristig ausgerichtete Strategie. Gleichzeitig kann sie auch konservativ beraten, wenn jemand bald auf sein Erspartes zugreifen muss, beispielsweise wenn jemand vor der Pensionierung steht oder Vorsorgekapital mit uns anlegt.
Welches sind denn die am stärksten nachgefragten Beratungsthemen?
Am häufigsten wollen unsere Nutzenden wissen: «Was bedeuten momentane Marktereignisse für mich?», «Wie viel könnte ich noch investieren?» und «Passt mein Portfolio zu meiner Situation?».
Auch Fragen zur Diversifikation, zur Säule 3a oder zur Rolle von Cash im Portfolio kommen oft. Besonders spannend: Viele Nutzerinnen und Nutzer realisieren durch die Beratung erstmals, dass sie zu viel Cash halten, welches ungenutzt herumliegt.
Welche Themen kann Selma AI abdecken, und welche noch nicht?
Selma AI deckt bereits die Kernfragen der Anlageberatung ab – vom Portfolio-Check über Sparpotenzial bis zur Risikoanalyse. Noch nicht vollständig integriert sind Themen wie Vorsorgelücken, Hypothekenplanung oder Versicherungsbedarf. Hier investieren wir aktuell in der Weiterentwicklung, damit auch diese Themen, die zu einer holistischen Finanzberatung gehören, bald abgedeckt sind. Dies alles ohne zusätzliche Kosten für unsere Kunden.
Wie bauen Sie die Selma-KI aus, um die Finanzplanung weiter zu verbessern?
Unser Ziel ist eine digitale Beratung, die einer Privatbank oder einem Family Office in nichts nachsteht. Wir entwickeln Selma AI laufend weiter – insbesondere mit Blick auf die Pensionsplanung, komplexe finanzielle Situationen und interaktive Simulationen für Vermögensaufbau oder Vermögensverzehr. Die nächsten Schritte beinhalten u.a. die Integration von Pensionskassen-Daten, smartere Analysen zur Vorsorge und ein noch breiteres Themenspektrum rund ums individuelle Finanzleben.
«Unser Ziel ist eine digitale Beratung, die einer Privatbank oder einem Family Office in nichts nachsteht.»
Vor einem Jahr betreute rund 13’000 Kunden mit einem Vermögen von mehr als einer Viertelmilliarde Franken. Wie sieht es aktuell aus?
Wir können auf ein erfolgreiches letztes Jahr zurückblicken – sowohl die Anzahl unserer Kund:innen als auch das verwaltete Vermögen sind deutlich gestiegen. Dank neuer Produktinnovationen, wie zum Beispiel unserer Beratungstechnologie, konnten wir so unser verwaltetes Vermögen um fast 40 % steigern.