von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Schär, gemäss dem EY-Bankenbarometer zu Jahresbeginn wollen nur 20 Prozent der Banken in der Schweiz KI in der Kunden- und Anlageberatung benutzen. Wo sehen Sie die Gründe für diesen bescheidenen Anteil?
Patrik Schär: Viele Banken sind meines Erachtens weitgehend mit sich selbst beschäftigt und haben nur wenig Kapazitäten um sich neuen, innovativen Technologien zu widmen. Zudem ist durch AI die Finanzberatung zu viel tieferen Kosten möglich, wodurch man sich gewissermassen ins eigene Fleisch schneiden würde.
Sie werden in einer Medienmitteilung mit den Worten «Man hat uns immer gesagt, dass man ohne menschliche Interaktion keine echte Finanzberatung anbieten kann. Mit Selma AI haben wir nun genau das möglich gemacht» zitiert. Stellt sich die Frage: Wie?
Früher scheiterte dies an der Komplexität der Finanzfragen und am Mangel der Algorithmen, verschiedene Daten zu vernetzen und in den richtigen Kontext zu setzen. Es ist sehr beeindruckend, welche Möglichkeiten hier durch AI eröffnet wurden. Um zu sehen, was aktuell möglich ist, kann man Selma AI, die wir jüngst lanciert haben, kostenlos ausprobieren.
Selma nutzt das Large Language Model von OpenAI, dem Erfinder von ChatGPT. Welche speziellen Anpassungen oder Standardisierungen waren notwendig?
Ja, Selma arbeitet zusätzlich zur AI mit eigenen, proprietären Finanzberatungs-Algorithmen, welche die Basis der Finanzanalyse erstellen und für die Genauigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Ratschläge verantwortlich sind.
«Selma AI kann derzeit die holistische Gesamtvermögenssituation analysieren und bewerten, sie kann sich zu den Anlagen äussern, die Cash-Situation beurteilen und konkrete Verbesserungsvorschläge machen.»
Patrik Schär, Gründer und CEO Selma Finance
Lässt sich sagen, wie komplex die Fragen an Selma AI sein können?
Selma AI kann derzeit die holistische Gesamtvermögenssituation analysieren und bewerten, sie kann sich zu den Anlagen äussern, die Cash-Situation beurteilen und konkrete Verbesserungsvorschläge machen. Dies erfolgt alles individuell auf den Kunden zugeschnitten. Die Selma AI berät somit aktuell schon so gut und persönlich wie ein Private Banking-Berater, zu einem Bruchteil der Kosten und für alle.
Aufgrund welcher Daten der Userinnen und User erstellt Selma AI ihre Analysen?
Die AI nutzt dazu Daten, die Kunden in ihrem Anlegerprofil bereitstellen. Dazu gehören beispielsweise die Vermögenssituation, das Risikobewusstsein, die Anlagedauer und die Struktur der Selma-Anlagen. Zukünftig soll es für den Kunden auch Möglichkeiten geben, weitere Daten zu erfassen, um die Beratung noch weiter zu personalisieren.
OpenAI kann dabei aber keine Rückschlüsse auf die potenziellen Anlegerinnen und Anleger ziehen?
Genau. Die Identität der Kunden ist nicht mit den Daten verknüpft, die über AI analysiert werden.
Künstliche Intelligenz kann dazulernen und ihre Leistung verbessern. Wie wird das die Weiterentwicklung von Selma AI beeinflussen?
Die künstliche Intelligenz kann zukünftig auch in weitere Felder wie Hypothekenberatung, Versicherungsberatung und Pensionierungsplanung weiterentwickelt werden.
Sie haben ein 30köpfiges Team bei Selma und persönliche Beratung ist Ihnen wichtig. Wie bringen Sie das mit KI unter einen Hut?
Kollegen im Customer Support – total 4 Personen – stehen unseren Kunden weiterhin zur Verfügung, wenn sie mit einem Menschen sprechen wollen. Sie helfen uns zusätzlich mit ihrem Know-how und anhand der Themen, die sie mit unseren Kunden besprechen, die AI zu verbessern und weiterzuentwickeln.
«Kollegen im Customer Support, stehen unseren Kunden weiterhin zur Verfügung, wenn sie mit einem Menschen sprechen wollen.
Wie viele Kunden betreut Selma Finance aktuell und wie hoch ist das verwaltete Vermögen?
Selma betreut rund 13’000 Kunden mit einem Vermögen von mehr als einer Viertelmilliarde Franken.
Vor drei Jahren hat die Migros über ihr Venture-Capital-Vehikel Sparrow in Selma investiert. Dieses ist mittlerweile aufgelöst worden. Welche Folgen hat das für Selma Finance?
Dies hat keine unmittelbaren Folgen für Selma, die Beteiligung an Selma bleibt über den Migros Genossenschafts Bund weiterhin bestehen.