Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Fritz, in einem Interview, das wir im 2013 mit Ihnen führen durften, orteten Sie damals bei vorhandenen 17 Geschäftsstellen noch Platz für 15 weitere. Heute sind es ebenfalls 17 Geschäftsstellen. Ist der Bedarf gesättigt, oder woran liegt die zögerliche Weiterentwicklung?
Paul Fritz: Unseren Fokus in den vergangenen Jahren haben wir sehr stark und sehr erfolgreich auf ein qualitatives Wachstum ausgerichtet. Gleichzeitig haben bestehende Geschäftsstellen die Bearbeitung zusätzlicher Gebiete übernommen und so weiter expandiert.
«90 % der Seniorinnen und Senioren wünschen sich ihren Lebensabend in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Selbstverständlich sind auch die Kosten für die öffentliche Hand und Krankenkassen tiefer, wenn Menschen zu Hause bleiben können.» Paul Fritz, Gründer und CEO der Home Instead Schweiz AG
Die Krankenkassenprämien steigen ungebremst weiter, während sich die Aussichten für die Vorsorge durch die Null- oder Negativzins-Politik eintrüben. Welche wirtschaftliche Bedeutung hat in diesem Umfeld das Altern in den eigenen vier Wänden?
Kosten sind ein Faktor, der Wunsch der Menschen geht dabei aber oft unter. 90 % der Seniorinnen und Senioren wünschen sich ihren Lebensabend in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Selbstverständlich sind auch die Kosten für die öffentliche Hand und Krankenkassen tiefer, wenn Menschen zu Hause bleiben können. Zu berücksichtigen ist dabei der Gesundheitszustand der betroffenen Personen. Bei grösserem Pflegebedarf kann ein Heimeintritt richtig und sinnvoll sein.
Japan hat weltweit die älteste Bevölkerung und den geringsten Anteil an unter 15-Jährigen und sieht eine Lösung bei der Betreuung im Einsatz von Robotern. Welche Rolle spielt die Digitalisierung und Robotik in Ihrer Strategie?
Die digitale Zukunft ist in der Seniorenbetreuung bereits angekommen. Es gibt schon heute viele Hilfsmittel, die ein selbstbestimmtes Leben unterstützen. Zurzeit ist es noch schwer vorstellbar, dass Roboter unsere Mitarbeitenden ersetzen. Für viele unserer Kundinnen und Kunden ist gerade der zwischenmenschliche Kontakt von ganz grosser Bedeutung. Gemeinsam mit Partnern aus der Welt der Technologie forscht und entwickelt Home Instead jedoch bereits in vielen Teilen der Welt im Hinblick auf sinnvolle Produkte. In den USA haben wir eine eigene Abteilung, die die Bemühungen koordiniert und uns vor Ort unterstützt.
Bei der Altersvorsorge 2020 diskutieren die Politiker aktuell das Rentenalter 65 für Frauen. Sind wir als Gesellschaft, die bei immer besserer Gesundheit immer älter wird, nicht schon lange gezwungen, uns über das Rentenalter 70 unterhalten zu müssen?
Indem das Rentenalter flexibilisiert wird, hat die Politik mit der Rentenreform eine sehr gute Entscheidung getroffen. Zukünftig können wir bei der Rente wählen, ob wir diese bereits mit 62 oder erst mit 70 antreten wollen – natürlich mit Auswirkung auf das Rentenniveau. Bei Home Instead beträgt das durchschnittliche Alter unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 54 Jahre, viele sind schon über 65.
«Für Kinder, die heute geboren werden, ist eine Lebenserwartung von 100 Jahren Standard – selbstverständlich wird das Anpassungen beim Rentenalter bringen.»
Für mich ist es nicht die Frage ob, sondern wann wir das Rentenalter erhöhen. Für Kinder, die heute geboren werden, ist eine Lebenserwartung von 100 Jahren Standard – selbstverständlich wird das Anpassungen beim Rentenalter bringen.
Nachdem die Immobilien immer energieeffizienter geworden sind, wird ihnen jetzt zusätzlich mehr Intelligenz verpasst. “Smart Homes” und “Connected Buildings” sorgen für Aufsehen. Inwieweit können Gebäude bei der Betreuung für Erleichterung sorgen und gibt es hier schon Siedlungen, die Vorbildcharakter haben?
Ja, es gibt eine Vielzahl von Projekten. Unter anderem ein grosses, gemeinsames Projekt von Phillips, der Trinity Universität in Irland und Home Instead, das von der EU gefördert wird. Gerade in der Überwachung von zum Beispiel an Alzheimer erkrankten Menschen werden Hilfsmittel entwickelt, die sehr sinnvoll sind. Leider stellen wir aber auch fest, dass viele Entwicklungen sich zu sehr am Produkt und zu wenig am Mehrwert der Betroffenen orientieren. Für mich ist noch immer kaum nachvollziehbar, warum ein 85-Jähriger eine Smartphone App zum Bestellen von Pizzas braucht.
Auch Home Instead muss für seine Angestellten als Arbeitgeber attraktiv sein. Die Betreuungskosten liegen zwischen 44 und 53.50 Franken pro Stunde. Die CAREGiver müssen davon wohl noch Sozialleistungen und Abgaben an den Lizenznehmer in Abzug bringen. Finden Sie mit diesem Ansatz genügend motivierte und gut ausgebildete Mitarbeitende?
Ja, wir finden dank dem flexiblen Beschäftigungsmodell gut Mitarbeitende. Wir sind dem Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih unterstellt und entlohnen gemäss diesen Vorgaben. Unsere Mitarbeitenden erhalten einen 13. Monatslohn und sind alle auf Stundenlohnbasis in der BVG versichert. Die Ausbildungen führen wir in einer anerkannten Akademie durch, die von Home Instead bezahlt wird. Leider gibt es in der Schweiz für die Kunden kaum staatliche Unterstützung für die erbrachten Dienstleistungen. Deshalb müssen wir einen Mittelweg zwischen Kosten für den Kunden und Löhnen für Mitarbeitende finden.
Home Instead arbeitet mit einem Franchising-Modell. Welche Qualifikationen muss ein Lizenznehmer vorweisen, wie viel muss er investieren und was bekommt er dafür?
Wir sind von einem Franchising Modell zu einem Beteiligungspartner Modell gewechselt. Wir gründen mit unseren Partnern gemeinsam eine Firma, die dann im vereinbarten Gebiet tätig wird. Wir statten die Firma gemeinsam mit dem nötigen Kapital aus, die Kosten für den Beteiligungspartner hängen von der Anzahl seiner Aktien ab, liegen aber in der Regel bei ca. 80‘000.- Franken.
«Ich bin überzeugt, dass es nur wenige Berufe gibt, wo sich enorm grosse Dankbarkeit seitens der Kunden und vernünftiger, wirtschaftlicher Erfolg derart gut kombinieren lassen.»
Gesucht sind Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereits erfolgreich im KMU-Bereich tätig waren und nun eine selbstständige und sinnstiftende Arbeit suchen. Ich bin überzeugt, dass es nur wenige Berufe gibt, wo sich enorm grosse Dankbarkeit seitens der Kunden und vernünftiger, wirtschaftlicher Erfolg derart gut kombinieren lassen.
Gerade bei zeitlich und fachlich anspruchsvoller Betreuung kommen Betreute und ihr Umfeld schnell an die finanziellen Grenzen. Welche Modelle könnten hier in Zukunft greifen, damit die Betreuung nicht zu einem Privileg der Vermögenden wird?
Zwei wichtige Entscheidungen stehen für die Zukunft an: Der Wechsel vom objekt- auf ein subjektbezogenes Finanzierungsmodell. Nicht eine Organisation soll für die Tätigkeit bezahlt werden, sondern der Kunde soll aufgrund eines Pflegestufenmodelles das Geld zur Verfügung haben und selbst entscheiden, wer die Dienstleistung erbringt. Australien hat am 1. März dieses Jahres auf dieses Modell gewechselt, Irland wird am 1. September 2018 folgen. Deutschland und Österreich setzen dies schon länger erfolgreich um und sparen damit gegenüber einem staatlich subventionierten Monopolisten nachweislich massiv an Kosten.
«Nicht eine Organisation soll für die Tätigkeit bezahlt werden, sondern der Kunde soll aufgrund eines Pflegestufenmodelles das Geld zur Verfügung haben und selbst entscheiden, wer die Dienstleistung erbringt.»
Die zweite Entscheidung steht in Richtung einer Pflegeversicherung an. Heute werden viele Leistungen aus dem Topf der Ergänzungsleistungen finanziert, das wird aber keinesfalls reichen.
Welche Entwicklungen bereiten Ihnen im Moment die grössten Sorgen, welche die grössten Freuden?
Sorge bereitet weiterhin der Schwarzmarkt im Betreuungsbereich. Es braucht zwingend Vorgaben für alle Marktteilnehmer, auch private Arbeitgeber/Haushaltungen müssen berücksichtigt werden.
Freude bereitet mir jeden Tag das Glück der Menschen, die dank Betreuungsleistungen ihren Lebensabend zu Hause verbringen können. Freude bereitet auch der Fortschritt in der Branche, vorerst im Bereich von Mindestlöhnen, zukünftig hoffentlich auch im Rahmen einer Qualitätszertifizierung, die den Menschen mehr Sicherheit bieten wird.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Dass es den heute und zukünftig geborenen Kindern gelingen möge, das prognostizierte Lebensalter von 100 Jahren zu erreichen und dass wir der zukünftigen Sandwichgeneration das Leben erleichtern, indem wir weise Entscheidungen und eine gute Vorsorge für unser eigenes Altern treffen.
Der Gesprächspartner:
Paul Fritz ist Gründer und CEO der Home Instead Schweiz AG. Innert 10 Jahren hat sich das Unternehmen mit 17 Geschäftsstellen und über 2’000 Mitarbeitenden in der Schweiz zum führenden Anbieter für die Betreuung und Begleitung von Senioren entwickelt. Paul Fritz startete seine Karriere im Tourismus, war in den USA tätig und wechselte nach seiner Rückkehr nach Europa für 15 Jahre in die Lebensmittelbranche, bevor er 2007 beschloss, seine Erfahrungen für den sozialen Bereich zu nutzen.
Das Unternehmen:
Home Instead Seniorenbetreuung hat das Ziel, durch zuverlässige und fürsorgliche Betreuung betagten Menschen so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben im vertrauten Zuhause zu ermöglichen. Home Instead ist ein privates Unternehmen der Seniorenbetreuung mit selbstständig geführten Geschäftsstellen in der gesamten Schweiz. Die Kunden werden direkt durch die regional am nächsten gelegene Geschäftsstelle betreut.
Mit den Betreuenden – den sogenannten CAREGivern – kann Home Instead ein breites Dienstleistungsangebot im Bereich der Alltagsbegleitung und -betreuung anbieten. Durch die flexibel nutzbaren Dienstleistungen wird es Senioren möglich gemacht, ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben im eigenen Zuhause zu führen.
Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit Lifefair. Am Anlass «Generation Sandwich:
Mid-Agers – Eingeklemmt zwischen Kindererziehung und Elternpflege» vom 3. April 2017 hält Paul Fritz das Keynote-Referat. Weitere Informationen zum Anlass und Anmeldung…