Paul Zumbühl, CEO Interroll, im Interview

Paul Zumbühl, CEO Interroll, im Interview
Interroll-CEO Paul Zumbühl. (Foto: Interroll)

Paul Zumbühl, CEO Interroll. (Foto: Interroll)

von Robert Jakob

Moneycab.com: In China nahm der Umsatz fast um ein Drittel zu. Spüren Sie jetzt dort wie viele Unternehmen Bremsspuren oder bekommen Sie von all dem wenig mit, da Ihre Rollen und Lager ja eher in Flughäfen und Logistikzentren als am Bau zum Zuge kommen?

Paul Zumbühl: Wir sind mit der Umsatzsteigerung von 29 Prozent in China im ersten Halbjahr 2015 zufrieden und erwarten, dass sich die Bereiche E-Commerce und Lebensmittelverarbeitung weiter positiv entwickeln werden. Derzeit sehen wir in China noch keine negativen Anzeichen für unser Geschäft. Aber es ist zu früh zu beurteilen, wie sich die Lage mittelfristig entwickeln wird. Wir sind insgesamt in der Region Asien-Pazifik sehr gut aufgestellt. In China sind wir dabei, unser regionales Kompetenzzentrum in Suzhou auszubauen, um die die Sorter-Produktion effizienter zu machen und Lieferzeiten zu verkürzen.

Aber gibt es auch Neukunden?

Neben langjährigen Kunden wie der chinesischen Post und SF Express haben wir unsere Kundenbasis erfreulich ausgebaut und interessante Aufträge erhalten. So haben wir für die Nongshim Gruppe, ein in Asien führender koreanischer Hersteller im Lebensmittelbereich, einen Auftrag zur Lieferung von Pallet Flow-Modulen und entsprechendem Sicherheitsequipment für die neue Abfüllanlage für Mineralwasser in China erhalten. Auf der CeMAT in Shanghai im Oktober werden wir unsere modulare Förderer-Plattform offiziell in Asien vorstellen. Wir erwarten auch in der Region Asien-Pazifik reges Interesse an dieser innovativen Lösung.

Brasilien lief letztes Jahr noch sehr gut. Was wirkt sich die dortige scharfe Wirtschaftskrise jetzt aus?

Zurzeit ist der Auftragseingang in Brasilien gut. Aber wir sehen einige Anzeichen, dass sich die Konjunktur abkühlt. Wir haben ja bereits 2014 einen Rahmenvertrag mit einem amerikanischen Systemintegrator zur Lieferung von sechs Sortern für die brasilianische Post erhalten und anfangs 2015 einen Folgeauftrag zur Lieferung weiterer vier Sorter. Der erste Sorter soll dieses Jahr ausgeliefert werden, die weiteren Sorter folgen bis 2017. Dieses hat unseren Auftragseingang in dieser Region natürlich stark beeinflusst. Wir erwarten nicht, solche Grossaufträge kontinuierlich zu erhalten.

«Auf der CeMAT in Shanghai im Oktober werden wir unsere modulare Förderer-Plattform offiziell in Asien vorstellen.»
Paul Zumbühl, CEO Interroll

Wird 2015 das US-Geschäft ihr stärkster Wachstumstreiber sein?

Mit einem Umsatzwachstum von 22,4 Prozent in ersten Halbjahr 2015 konnten wir in der Region Amerika stark wachsen und erwarten, dass sich dieser Trend auch weiter fortsetzt.

Die Konsolidierung Ihrer Nordamerika-Aktivitäten bei der im 2013 für 40 Millionen Dollar übernommenen Portec scheint sich ja rasant auszuzahlen?….. Pardon, ich sollte sagen, dass bei  den  40 Millionen auch die Zusatzinvestitionen dabei sind…

Die Investition von USD 40 Millionen über den Zeitraum 2013 bis 2015 beinhaltet neben der Portec-Akquisition auch Neubau des regionalen Kompetenzzentrums in Atlanta, das im März 2014 offiziell eingeweiht wurde sowie Investitionen in den Portec-Standort in Canon City. Dieser wurde modernisiert, neue Computersystem wurden installiert und die betrieblichen Abläufe gestrafft und Kaizen-Prinzipien eingeführt, die weltweit für die Produktionsstandorte von Interroll gelten. In Atlanta haben wir dieses Jahr eine neue automatische Anlage zur Herstellung von Carton Flow-Leisten installiert, um zusätzliche Produktionskapazitäten zu schaffen und Lieferzeiten zu verkürzen.

Welche neuen Industrien schälen sich denn im Augenblick heraus, deren Betriebsabläufe Interroll mit seinen Logistiklösungen optimieren könnte?

Unsere Produkte sind grundsätzlich in allen Branchen, die Bedarf an intralogistischen Lösungen haben, gefragt. Kernindustrien sind für uns jedoch die Kurier-, Express- und Postdienste, Flughafenindustrie, Getränkeindustrie, Lebensmittelverarbeitung sowie Distribution. Auch e-Commerce spielt eine immer grössere Rolle. Aktuell sehen wir auch gute Möglichkeiten in der Reifenindustrie.

«Aktuell sehen wir auch gute Möglichkeiten in der Reifenindustrie.»

Interroll kann Palettenfliesslager herstellen, die allein durch die Schwerkraft bewegt werden. Welche Rolle spielt denn der Energieverbrauch für Ihre Produktevermarktung generell?

„Grüne Logistik“ steht nicht nur für verminderte Treibhausgasemissionen, sondern auch für Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit. Verschiedene Studien zeigen, dass sich schon mit der Optimierung der Antriebstechnik in der Intralogistik nahezu ein Drittel der Energie sparen lässt. Zu dem gleichen Ergebnis kommt übrigens auch die Studie des Instituts für Fördertechnik und Logistiksysteme IFL am Karlsruher Institut für Technologie KIT, die auf unserer Homepage zum Download bereit steht. Bei Betriebs- und Instandhaltungskosten kann ein direkter Zusammenhang zwischen Energiebedarf und Energiekosten identifiziert und die Instandhaltungskosten können durch den Einsatz der 24-Volt-Antriebstechnik reduziert werden. Unternehmen haben heute die Aufgabe, Produktionskosten zu optimieren und unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit auf eine bessere Nutzung von Ressourcen zu achten.

Kann man die Ersparnis auch in absoluten Zahlen ausdrücken?

Mit unseren Fliesslagern und dem breiten 24 Volt RollerDrive-Programm, das sich auch für Retrofit-Projekte besonders gut eignet, kommen wir dem Trend zu verstärkter Flexibilität und Energieeinsparung entgegen. Kundendaten belegen, dass neue Warenlager bis zu 50 % weniger Platz benötigen, Distributionszentren ihre Leistung um 55 % steigern können und der Energieverbrauch für Intralogistik um bis zu 50 % zurückgeht. Modernisierungsmassnahmen können ein Optimierungspotential von bis zu 30 % eröffnen. Werden bestehende Anlagen auf den neuesten technologischen Stand gebracht, können so zum Beispiel übergeordnete CO2-Reduktionsziele erreicht werden.

Und wie sieht es mit den Geräuschemissionen aus?

Geräuschemissionen spielen eine immer grössere Rolle. Wir bei Interroll arbeiten in unserem Forschung- und Entwicklungszentrum nicht nur daran, die Energieeffizienz unserer Produkte zu verbessern, sondern auch die Geräuschemissionen zu verringern. So haben wir speziell für sensible Arbeitsplätze unseren Interroll Synchron-Trommelmotor D-silent konzipiert und kürzlich auf den Markt gebracht, mit dem die Lärmbelastung um bis zu 13 dB(A) gesenkt werden kann. Die gesetzlichen Vorgaben zum Arbeitsschutz und Auflagen zur Ergonomie am Arbeitsplatz, zu der auch die Lärmbelastung zählt, nehmen je nach Land stetig zu. Daher stellt Geräuschreduktion eine permanente Herausforderung dar.

Unsere 24V-Antriebstechnik oder unsere Quergurtsorter können in Distributionszentren zu einer deutlichen Lärmreduktion beitragen. Dies haben schon viele Endkunden wie zum Beispiel Hermes Fulfilment oder hessnatur bestätigt. Bei der 24V-Antriebstechnik werden die entsprechenden Fördersegmente nur angetrieben, wenn sich Waren zum Fördern in den entsprechenden Zonen befinden. Dies verringert das Geräuschniveau, da alte vorhandene Anwendungen oft noch mit Hilfe von Druckluft getaktet werden.

Ihre neue, wirtschaftlich sehr erfolgreiche, modulare Förderer-Plattform wurde mit dem iF Design Award 2015 ausgezeichnet. Muss denn in Ihrem Business „Design“ überhaupt „sein“?

Der iF Design Award ist ein weltweit anerkanntes Gütesiegel für herausragendes Design. Wir legen grossen Wert auf hohe Qualität bei unseren Produkten und Dienstleistungen. Dies drückt sich auch ein einem attraktiven Industriedesign aus. Lassen Sie mich einen bekannten Slogan etwas abwandeln und in unserem Fall sagen: „Design for function“. Und auch unsere Kunden legen grossen Wert auf ein ansprechendes Design. Wir sehen hier einen Wandel gegenüber früher. Kunden wollen heute ihre Produktion, ihr Distributionszentrum und vieles mehr ihren eigenen Kunden präsentieren können. Ich möchte hier nur ein Beispiel anführen. Derzeit installiert ein Systemintegrator in Italien unsere modulare Förderer-Plattform bei einem Endkunden, der seinen eigenen Kunden den Verpackungsprozess zeigen möchte. Deshalb hat der Architekt geplant, dass jeder Kunde, der dies wünscht, die modulare Förderer-Plattform durch eine Glasscheibe in Aktion sehen kann.

«Die gesetzlichen Vorgaben zum Arbeitsschutz und Auflagen zur Ergonomie am Arbeitsplatz, zu der auch die Lärmbelastung zählt, nehmen je nach Land stetig zu.»

Sie sind  Advisory Board des  der EMBA-Ausbildung „Supply Chain Management“ der ETH Zürich. Wie weit treiben wir heutzutage die berufliche Spezialisierung?

Ich glaube, eine solide Grundausbildung ist wichtig und die Grundlage für eine weitere Spezialisierung. Das Executive Advisory Board setzt sich aus führenden Vertretern namhafter Schweizer Unternehmen zusammen und engagiert sich aktiv bei der Betreuung der Studenten und Alumni. Es ist heute sehr wichtig, dass die Studierenden ein möglichst anwendungsbezogenes Wissen vermittelt bekommen. Und anders als das vielleicht von der Öffentlichkeit angenommen wird, kommen rund 20 bis 25 Prozent der Teilnehmer nicht aus dem Bereich der Logistik oder Supply Chain, sondern aus der Dienstleistungsbranche wie Banken oder Versicherungen. Denn im heutigen Wirtschaftsleben wird es immer wichtiger, Zusammenhänge und die Wertschöpfung in Unternehmen genau zu verstehen.

Das Executive Advisory Board ist eine wichtige Säule, um die hervorragende akademische  Ausbildung an der ETH Zürich zu fördern, auch im Hinblick auf die sich ständig ändernden Anforderungen aus Industriesicht.

Ihr Kunde Amazon wirbt ja mit Drohnen für die Distribution. Das ist wohl nur ein Werbegag und nicht die Zukunft der Logistik, oder?

Die Amazon-Konzept zur Lieferung mit Drohnen gilt ja nur für die sogenannte letzte Meile und auch nur für kleine Pakete bis 2,5 Kilogramm. Ob die Lösung tragfähig ist, wird die Zukunft zeigen. Und inwieweit sie sich dann auch in verschiedenen Ländern mit verschiedenen regulatorischen Auflagen umsetzen lässt, bleibt abzuwarten.

Zur Person:
Im Jahr 2000 übergab Unternehmensgründer Dieter Specht die Konzernleitung von Interroll an den neuen CEO Paul Zumbühl. Er richtete die Unternehmensgruppe strategisch neu aus und veräusserte nicht zum Kerngeschäft gehörende Aktivitäten. In der Folge baute er Interroll  mit eigenen neuen Niederlassungen auf allen Kontinenten und gezielten Firmenübernamen zu einem globalen Markführer aus. Der 1957 geborene Paul Zumbühl ist studierter Diplom-Ingenieur und hat zusätzlich einen MBA absolviert. Er sitzt im Verwaltungsrat der Schlatter sowie der Looser Holding.

Zum Unternehmen:
Die Interroll Gruppe ist ein weltweit führender Hersteller von hochqualitativen Schlüsselprodukten und Dienstleistungen für die innerbetriebliche Logistik. Das Unternehmen beliefert rund 23.000 Kunden (Systemintegratoren und Anlagenbauer) weltweit mit einem breiten Sortiment in den vier Produktgruppen „Rollers“ (Förderrollen), „Drives“ (Motoren und Antriebe für Förderanlagen), „Conveyors & Sorters“ (Förderer & Sorter) sowie „Pallet & Carton Flow“ (Fliesslager). Kernindustrien sind Kurier-, Express- und Postdienste, Flughäfen und die Lebensmittelverarbeitung sowie Distribution. Interroll-Produkte sind unter anderem im Einsatz bei führenden Weltmarken wie Amazon, Bosch, Coca-Cola, Coop, DHL, FedEx, Peugeot, PepsiCo, Procter & Gamble, Siemens, Walmart oder Yamaha. Interroll engagiert sich in globalen Forschungsprojekten im Bereich der Logistikeffizienz und unterstützt Industrieverbände aktiv bei der Entwicklung von Normen. Mit Hauptsitz in Sant’Antonino, Schweiz, verfügt Interroll über ein weltweites Netzwerk von 31 Unternehmungen mit rund 1.800 Mitarbeitenden. Das Unternehmen wurde 1959 gegründet und ist seit 1997 an der SIX Swiss Exchange gelistet und im SPI Index vertreten.

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