Peter Biedermann, Geschäftsführer Swiss Medtech, im Interview

Peter Biedermann

Peter Biedermann, Geschäftsführer Swiss Medtech. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Biedermann, nach einem Jahr der Vorbereitung haben sich die beiden Branchenverbände Fasmed und Medical Cluster Mitte Juni zu Swiss Medtech zusammengeschlossen. Wofür wird sich Swiss Medtech besonders engagieren?

Peter Biedermann: Für die Förderung des Werk- und Forschungsplatzes Schweiz engagiert sich Swiss Medtech mit gezielten Aus- und Weiterbildungsangeboten, Fachtagungen, exportfördernden Dienstleistungen und unterstützenden Massnahmen für das Unternehmertum. Auch macht sich der Verband für ein qualitätsorientiertes Gesundheitswesen mit fairen Vergütungstarifen und fortschrittlicher Innovationsfinanzierung zu Gunsten der Patienten stark. Mit seiner Mitarbeit in Fachgremien im In- und Ausland setzt sich Swiss Medtech für attraktive Rahmenbedingungen, für den Abbau innovationshemmender Regulierungen und die Sicherstellung des internationalen Handels und Forschungsaustauschs ein und bezieht dazu aktiv Position.

Künftig konzentriert sich der neue Verband auf die vier Haupttätigkeitsfelder «Legal, Compliance und Vergütung», «Kommunikation und Interessenvertretung», «Innovation» sowie «Aus- und Weiterbildung». Ein Schlüsselvorhaben ist in den nächsten Jahren die Einführung der beiden neuen EU-Regulierungen MDR und IVDR und die damit verbundene enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Bundesbehörden.

Was kann Swiss Medtech tun, was Fasmed und Medical Cluster nicht getan haben? Welches sind die Ziele des neuen Verbands?

Indem wir unsere Aktivitäten zusammenlegen und unsere Kräfte bündeln, bilden wir nun eine kompetente und schlagkräftige Branchenorganisation, die mit einer Stimme auftritt und der Interessensvertretung entsprechend grösseres Gewicht verleiht. Dazu wollen wir bevorzugter Partner für Tarifpartner, Behörden, Politik, Partnerverbände, Industrie, Bildungsinstitutionen und Wissenschaft sein und unsere Einflussnahme in Bern und Brüssel verstärken – sei dies direkt auf Entscheidungsträger, sei dies indirekt über Mitgliedschaften wie bei MedTech Europe. Dabei werden wir die Medizintechnik als wertvolle, sympathische und innovative Branche breiter bekannt machen und aufzeigen, welch grosse Bedeutung sie für die Schweizer Gesundheitsversorgung und Volkswirtschaft hat.

«Indem wir unsere Aktivitäten zusammenlegen und unsere Kräfte bündeln, bilden wir nun eine kompetente und schlagkräftige Branchenorganisation, die mit einer Stimme auftritt und der Interessensvertretung entsprechend grösseres Gewicht verleiht.»
Peter Biedermann, Geschäftsführer Swiss Medtech

Wie ist Swiss Medtech organisiert?

Die Basis bildet (weiterhin) das Milizsystem. Von den Mitgliedsfirmen freigestellte Experten erarbeiten innerhalb von 20 Fachgruppen Strategien, Lösungen und Stellungnahmen zu relevanten Branchenthemen. Sie gehen aus den ehemaligen Kommissionen, Sektionen, Arbeits-, Projekt- und Fachgruppen des FASMED und Medical Cluster hervor und werden künftig von der Geschäftsstelle effizient mit Services unterstützt. Im achtköpfigen Vorstand erbringen neben den beiden Co-Präsidenten, Urs Gasche und Rubino Mordasini, hochkarätige Vertreter aus Industrie, Medizin und Wissenschaft ihren fachlichen Input.

Der Branche in der Schweiz geht es ja blendend. Welches sind die Erfolgsfaktoren, was macht den hiesigen Standort so attraktiv?

Die hiesigen Standortvorteile sind nach wie vor gross. So brilliert die Schweiz vor allem mit ihren Technologien, einem (noch) guten Zugang zu hochqualifizierten Fachkräften, mit erstklassigen Hochschulen und Forschungsinstitutionen, einem innovationsstarken Umfeld und einer relativ tiefen Unternehmenssteuer. Attraktiv macht das Land auch für internationale Medtech-Firmen die wirtschaftliche und politische Stabilität sowie der hohe Lebensstandard, wie Serge Bernasconi, CEO des europäischen Dachverbands, MedTech Europe, neulich am Swiss Medtech Day hervorhob.

Woher denn der Bedarf nach einer Konzentration der Kräfte zum jetzigen Zeitpunkt?

Der Preis-, Kosten- und Regulierungsdruck auf die Branche steigt, das Umfeld wird komplexer, die Margen sinken. Neben den weltweiten Herausforderungen haben die Schweizer Medtech-Firmen daheim mit einem schwierigen wirtschaftspolitischen Umfeld zu kämpfen: Neben der Frankenstärke sind die Verzögerungen bei der Unternehmenssteuerreform, der sich verschärfende Fachkräftemangel und die notwendigen Anpassungen der bilateralen Verträge mit der EU belasten zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten Industrie. Die fristgerechte Übernahme der beiden neuen EU-Regulierungen in die Schweizer Gesetzgebung ist dabei eine wichtige Voraussetzung für den weiterhin freien Warenverkehr mit Europa.

Welche Herausforderungen bringt die Einführung der von Ihnen angesprochenen neuen EU-Regulierungen für Medizinprodukte (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR) mit sich?

Die Umsetzung der neuen umfangreichen EU-Regulierungen mit einer grundsätzlichen Übergangsfrist von 3 Jahren für Medizinprodukte und 5 Jahren für In-vitro-Diagnostika ist für die Medtech-Unternehmen mit erheblichem Aufwand verbunden, was vor allem für die kleineren KMU schwierig zu bewältigen sein wird. MDR und IVDR bringen zusätzliche und verschärfte Anforderungen für die gesamte Medizintechnik mit sich – vom Hersteller über den Händler bis zu den Ärzten und Spitälern. Eingeführt werden unter anderem Höherklassifizierungen von bestimmten Produkten und damit zusätzliche Auflagen; ein erschwerter Marktzugangsprozess für neue Implantate; detailliertere Anforderungen an die klinische Evidenz; eine Verbesserung der Markt- und Produkttransparenz durch die europaweite Datenbank Eudamed, die Einführung der Unique Device Identification, UDI, zwecks besserer Rückverfolgbarkeit; neue Risikoklassen für In-vitro-Diagnostika etc.

Hier ist es äusserst wichtig, dass sich Medtech-Unternehmen regelmässig orientieren, bei Unsicherheiten nachfragen und bei neuen Erkenntnissen möglichst früh handeln bzw. sich rechtzeitig auf neue Aufgaben und Arbeitsmethoden einstellen. Um die Swiss Medtech-Mitglieder und Firmen bei der Umsetzung der komplexen neuen EU-Regulierungen zu unterstützen und zu begleiten, sind wir dabei, eine «MDR-/IVD-Swiss-Implementation-Taskforce» aufzubauen. Diese bietet u.a. Beratungs- und Informations-Services, Seminare, Workshops und Fachkonferenzen. Sie wird geleitet von Peter Studer, Senior Expert Regulation, der früher bei Swissmedic tätig war.

«MDR und IVDR bringen zusätzliche und verschärfte Anforderungen für die gesamte Medizintechnik mit sich.» 

Wie gross sind die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der nach wie vor ungeklärten Situation mit den Bilateralen zwischen der Schweiz und der EU?

Für die Umsetzung von MDR/IVDR in der Schweiz plant das BAG eine erste Teilrevision der Medizinprodukteverordnung (MepV) im vierten Quartal 2017 sowie bis 2020 deren Totalrevision und eine Anpassung des Heilmittelgesetzes. Äusserst wichtig ist dabei die fristgerechte Angleichung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement, MRA) mit der EU. Bis heute gelten für die Schweiz und EU dieselben Anforderungen an den Marktzutritt und die Überwachung von Medizinprodukten. Das MRA ist Teil der Bilateralen I und Voraussetzung für den weiterhin freien Warenverkehr. Für die Schweiz ist die EU mit einem Export von Medizinprodukten in der Höhe von 5,8 Mrd. CHF (im Vergleich zu insgesamt 11 Mrd. CHF weltweit) der grösste Handelspartner der einschlägigen Branche. Entsprechend setzen sich Swissmedic, SECO und BAG gemeinsam mit Swiss Medtech für einen weiterhin unbeschränkten Zugang der Schweizer Produzenten, Exporteure und Konformitätsbewertungsstellen zum europäischen Binnenmarkt ein.

Bis zur Einführung neuer Produkte und Therapien vergehen mitunter viele Jahre. Wie versucht Swiss Medtech, die Prozesse zu beschleunigen?

Heute dauert die Entwicklung und Marktzulassung eines neuen Produkts bis zu zehn Jahre und es vergehen weitere fünf Jahre, bis eine Innovation im Spital-Fallpauschalen-System Swiss DRG abgebildet bzw. von den Krankenkassen vergütet wird. In der Swiss Medtech-Fachgruppe Handel engagieren sich Vertreter führender Medtech-Unternehmen (unter der Leitung von Beat Egli, Zimmer Biomet) für eine zeitnahe Finanzierung von Innovationen. Damit soll eine Beschleunigung des Zugangs von Patienten zu neuen, oft lebenswichtigen Produkten sowie Therapien gewährleistet werden. So fordert die Fachgruppe in Positionspapieren u.a. die zeitnahe Abbildung von Medtech-Neuerungen mit hoher Evidenz in DRG und anderen Tarifstrukturen wie Tarmed (für die ambulante Spitalbehandlung), die Beibehaltung des Vertrauensprinzips bei der Vergütung und schlanke sowie transparente Prozesse.

Die Innovationskraft und auch die Innovationskadenz der Schweizer Medtech-Branche ist beeindruckend. Welche Innovationsquellen werden am häufigsten genutzt?

Neue Produkte entstehen hauptsächlich durch interne Entwicklungen sowie Kooperationen, insbesondere mit Universitäten. Grosse Firmen ergänzen die Eigenentwicklung mit dem Zukauf von Ideen, Prototypen und fertigen Produkten.

«In der Swiss Medtech-Fachgruppe Handel engagieren sich Vertreter führender Medtech-Unternehmen für eine zeitnahe Finanzierung von Innovationen.»

Die Unternehmen haben einen guten Zugang zu hochqualifizierten Fachkräften. In welchen Bereichen gibt es dennoch Schwierigkeiten bei der Rekrutierung?

Gerade in den Medtech-spezifischen Funktionen Forschung und Entwicklung, Regulierungen und Zulassungen sowie Qualität haben die Medtech-Firmen Probleme, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Hauptsächlich hier hat die Branche in den letzten Jahren Personal aufgestockt, wobei diese Spezialisten auch im Ausland rekrutiert werden mussten. In der Schweizer Medizintechnik-Industrie 2016 – Branchenstudie (SMTI) bezeichneten die Befragten die Rekrutierung von qualifizierten Spezialisten für Marketing und Vertrieb als sehr anspruchsvoll.

Wie wird die Digitalisierung die heutigen Geschäftsmodelle der Swiss Medtech-Mitgliedsfirmen in den nächsten Jahren beeinflussen?

Die Schweizer Medtech-Branche schätzt die Digitalisierung als bedeutenden Treiber für Produktinnovationen ein. Laut SMTI-Umfrage 2016 nehmen sie neun von zehn Firmen als grosse Chance wahr, knapp die Hälfte der Befragten räumt ihr grossen Einfluss auf die heutigen Geschäftsmodelle ein. So sollten heute innovative Geschäftsmodelle sämtliche Aspekte der Digitalisierung durch die gesamte Wertschöpfungskette hindurch beinhalten. Dank Automatisation und E-Commerce können Produkte auf dem einfachsten, schnellsten und profitabelsten Weg auf den Markt kommen und lassen sich Vertriebskosten sparen. Doch neben Umstellungen der Produktion, Prozesse und Infrastruktur muss sich auch der Betrieb mit seinen Mitarbeitern auf die (Folgen der) Digitalisierung einstellen. Hier ist ein Umdenken und kultureller Wandel, verbunden mit viel Ausbildung und Erziehungsarbeit, mit erfolgsentscheidend.

Zur Person:
Peter Biedermann, 52 jährig, hat in den letzten 15 Jahren massgeblich beim Aufbau des Medical Clusters zur nationalen Industrieplattform mitgewirkt. Seit dem 1. Juli ist er neu Geschäftsführer von Swiss Medtech. Peter Biedermann hat in Burgdorf Chemie studiert und in verschiedenen Branchen gearbeitet, bevor er in die Medizintechnikindustrie wechselte.

Zu SWISS MEDTECH:
SWISS MEDTECH ist am 12. Juni 2017 aus dem Zusammenschluss der beiden nationalen Medtech-Organisationen FASMED und Medical Cluster entstanden. Der Verband vertritt die Interessen der Branche mit rund 1’350 Unternehmen und 54’500 Mitarbeitenden. Er setzt sich ein für einen schnellen Patienten-Zugang zu Innovationen und für hohe Qualitäts-Standards. Weiter lanciert SWISS MEDTECH spezifische Ausbildungsangebote, kämpft gegen die wachsende Regulierungsdichte, für den freien Handel und für faire Tarife. Mit seinen Fachgruppen und Partnern engagiert sich der Verband für günstige Rahmenbedingungen und für einen weiterhin attraktiven Werk- und Forschungsplatz Schweiz. 

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