Peter Brawand, CFO Mobiliar, im Interview

Peter Brawand, CFO Mobiliar, im Interview
Peter Brawand, CFO Mobiliar. (Foto: Mobiliar)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Brawand, die Mobiliar ist im 1. Halbjahr 2016 weiter gewachsen. Das Prämienvolumen stieg um 3,1%, der konsolidierte Gewinn erreichte ein Plus von 22% auf 228,9 Mio Franken. Im Nichtleben-Geschäft erreichte die Mobiliar ein Wachstum von 3,4% und übertraf damit das Marktwachstum deutlich. Welche Geschäftsfelder entwickelten sich besonders positiv?

Peter Brawand: Wir dürfen einmal mehr feststellen, dass wir ein sehr breit abgestütztes Wachstum erreichen konnten. Im Nicht-Lebengeschäft kommt der betragsmässig grösste Anteil unverändert aus der Motorfahrzeugversicherung, aber auch in einem Geschäftsfeld mit relativ tiefen Stückprämien wie der Haushaltversicherung erreichten wir ein hohes Wachstum von 3.1%. Im Lebengeschäft waren die Jahresprämien der privaten Vorsorge der Wachstumsmotor.

Was hat das Lebengeschäft im ersten Semester geprägt?

Unsere führende Stellung im Risiko-Lebengeschäft konnten wir verteidigen und dabei bei den Jahresprämien in der privaten Vorsorge ein weiteres Wachstum von knapp 1% erreichen. Die Rahmenbedingungen für das Sparversicherungsgeschäft sind angesichts des nochmals verschärften Tiefzinsumfelds anhaltend herausfordernd: Klassische Garantieprodukte erfolgreich anzubieten ist schwierig, fondsgebundene Versicherungen ohne Garantie lassen sich kaum verkaufen. Wir sind froh, rechtzeitig moderne Sparprodukte lanciert zu haben.

Wie hat sich denn das Geschäft mit den im vergangenen Jahr eingeführten Sparversicherungen entwickelt?

Sehr erfreulich. Dank unserer Sparversicherung mit transparenter Erfolgsbeteiligung konnten wir ein hohes Wachstum bei den Jahresprämien der privaten Vorsorge realisieren: Unser Marktanteil im Neugeschäft des ersten Semesters beträgt 12%, was doppelt so hoch ist wie unser aktueller Marktanteil im Bestand.

«Klassische Garantieprodukte erfolgreich anzubieten ist schwierig, fondsgebundene Versicherungen ohne Garantie lassen sich kaum verkaufen. Wir sind froh, rechtzeitig moderne Sparprodukte lanciert zu haben.»
Peter Brawand, CFO Mobiliar

Auffallend ist das markant höhere Anlageergebnis. Wie haben Sie dies im turbulenten Umfeld geschafft?

Den Ertragsrückgängen bei festverzinslichen Anlagen und dem stabilen Beitrag der Anlageliegenschaften stehen bessere Ergebnisse bei den Aktien, alternativen Anlagen und insbesondere beim Gold (wir halten 16 Tonnen) gegenüber: Der Goldpreis in Schweizer Franken ist um 21% gestiegen.

Die Nationalbank hat ihre Negativzins-Politik einmal mehr bekräftigt. Welche Kosten verursacht diese der Mobiliar?

Die Kosten in Form von Negativzinsen sind verkraftbar, aktuell sind knapp 2 Millionen Franken aufgelaufen. Viel schwerer wiegen die indirekten Kosten in Form der kaum noch wahrnehmbaren Verzinsung festverzinslicher Anlagen und die (insbesondere künftigen) Auswirkungen auf die Sachwertanlagen.

Die Mobiliar investiert viel in Beteiligungen an Unternehmen, die erst auf den zweiten Blick etwas mit Versicherung zu tun haben. Sie ist beteiligt an der Car-Sharing-Plattform Sharoo, hat 50% an der Scout-Gruppe erworben, besitzt 20% am ETH Spin-off Amphiro oder hat zuletzt den Mietkautionsversicherer SwissCaution übernommen. Was ist der Hintergrund dieser Übernahmen und Beteiligungen?

Als eine genossenschaftlich verankerte Versicherungsgruppe verfolgen wir eine langfristige Orientierung. Im aktuellen Tiefzinsumfeld ist es schwierig, mit klassischen Kapitalanlagen wie Bonds angemessene Erträge zu erwirtschaften. Mit der Beteiligung an oder dem Zukauf von Unternehmen investieren wir unser Geld gezielt in Unternehmen, die bereits heute attraktive Erträge mit einem zukunftsträchtigen digitalen Geschäftsmodell erwirtschaften.

Nach welchen Kriterien werden mögliche Übernahmen geplant?

Wir interessieren uns für Firmen, die in unserem Kerngeschäft oder nahe daran tätig sind. Wir ergänzen und erweitern also unser Geschäft und erhalten so Zugang zu neuen Märkten und Kunden. Es entstehen neue Ökosysteme, zum Beispiel zu den Themen Gebäude oder Auto. Ein Ökosystem offeriert dem Benutzer unkompliziert verschiedenste Dienstleistungen rund um ein Thema.

«Mit der Beteiligung an oder dem Zukauf von Unternehmen investieren wir unser Geld gezielt in Unternehmen, die bereits heute attraktive Erträge mit einem zukunftsträchtigen digitalen Geschäftsmodell erwirtschaften.»

Welche finanziellen Mittel stehen für die Akquisitionen zur Verfügung?

Im Rahmen unserer normalen Projektportfolio-Planung setzen wir jährlich rund 10 Millionen Franken ein für sogenannte Schnellboote in Form von Neuprojekten oder auch Beteiligungen an Start ups. Darüber hinaus lässt unsere heutige Risikokapitalausstattung und unsere Ertragskraft selbstverständlich auch Akquisitionen in ganz anderen Grössenordnungen zu.

Die Digitalisierung bringt einerseits gewaltige Herausforderungen mit sich. Wo sehen Sie andererseits generell die grössten Chancen für Versicherungen?

Die Digitalisierung ermöglicht zum Beispiel ganz neue Möglichkeiten in der Datenanalyse. Stichwort: Big Data. Mit neuen Methoden können die vorhandenen digitalen Informationen besser analysiert und mit externen Daten angereichert werden. Ergebnisse daraus sind in der Produktgestaltung, dem Serviceangebot, der Risikobeurteilung sowie für die Schadenprävention einsetzbar. Die Digitalisierung ermöglicht aber auch schnellere und schlankere Prozesse. Für die digitale Transformation setzt die Mobiliar jährlich etwa 100 Millionen Franken ein. Der Grossteil dafür, bestehende Betriebsabläufe durch schnellere elektronische Abwicklungen zu ersetzen.

Für den Abschluss einer Reiseversicherung oder einer Hausratversicherung brauchen die Kunden vielleicht keine Beratung. Anders sieht es bei der zum Beispiel bei der beruflichen Vorsorge aus. Wie will die Mobiliar diesen Spagat bewerkstelligen?

Indem wir den Kunden das dort anbieten, wo er es nachfragt. Unsere Generalagenturen sind wichtige Flagship-Stores, welche nicht nur die Beratung beim Verkauf abdecken, sondern auch den Schadenfall regulieren. Wir brauchen weiterhin Berater, die persönlich auf unsere Kundinnen und Kunden zugehen und auch bei Schadenfällen ist der persönliche Kontakt unverzichtbar. Gleichzeitig erwarten die Kunden zurecht, von der Mobiliar auch in der digitalen Welt begleitet zu werden. Die Mobiliar ist also digital und persönlich zugleich.

Wie hat die Digitalisierung die Arbeitswelt bei der Mobiliar selbst bereits verändert?

Bei der Mobiliar ist flexibles und digitales Arbeiten je länger je mehr eine Selbstverständlichkeit. Gearbeitet wird überall: Zuhause, im Zug, im Büro. Digitalisierung ist ein unumkehrbarer Prozess. Die Mobiliar hat sich entschieden, diesen Prozess bewusst zu gestalten. Wir schaffen ein Arbeitsumfeld, das zur Digitalisierung passt. Eine grosse Fläche des Hauptsitzes in Bern ist heute als Multispace-Bürolandschaft konzipiert.

Herr Brawand, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Peter Brawand (51), lic. oec. HSG, dipl. Wirtschaftsprüfer, war ab 1989 bei der Revisuisse Price Waterhouse AG tätig, zuletzt als Mandatsleiter Wirtschaftsprüfung und -beratung. Von 1994 bis 1996 war er in der Geschäftsleitung der Coop Versicherungs-Gesellschaft für Finanzen und Administration verantwortlich. Ab 1997 war er bei der Basler Versicherung tätig, zuletzt als Leiter Rechnungswesen und Controlling und Mitglied der Geschäftsleitung Schweiz (ab 1998). Seit dem 1. Juni 2004 ist Peter Brawand Leiter Finanzen der Gruppe Mobiliar (CFO) und Mitglied der Geschäftsleitung.

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