Peter Huber, Geschäftsführer Intergenerika (Bild: Intergenerika)
Von Helmuth Fuchs
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Moneycab: Herr Huber, die Gesundheitskosten steigen scheinbar unbeeinflusst von Krisen und anderen Preis-Entwicklungen kontinuierlich weiter. Die Medikamentenpreise sind einer der Faktoren für die Höhe der Kosten. Was haben die Generika hier in den letzten Jahren bewirkt?
Peter Huber: Es ist korrekt, dass die Gesundheitskosten in den letzten Jahren etwas stärker wachsen als das BIP, von einer Kostenexplosion kann man aber nicht sprechen. Es ist auch nicht so, dass die Medikamente als Kostentreiber für das unerwünschte Wachstum verantwortlich wären. Die Kosten zulasten der obligatorischen Krankenversicherung sind in den letzten Jahren praktisch konstant geblieben, der Anteil an den Gesamtkosten nimmt sogar kontinuierlich ab.
«Man schätzt, dass dank der Generikakonkurrenz direkt und indirekt jedes Jahr über eine Milliarde Franken gespart werden können.» Peter Huber, Geschäftsführer Intergenerika
Dies ist zu einem guten Teil den Generika zu verdanken. Sie bilden nach Patentablauf eine qualitativ hochwertige aber viel kostengünstigere Alternative. Man schätzt, dass dank der Generikakonkurrenz direkt und indirekt jedes Jahr über eine Milliarde Franken gespart werden können. Deshalb bleiben die Medikamentenkosten trotz des medizinischen Fortschritts und trotz der Veränderung der Altersstruktur in etwa gleich. Generika schaffen somit finanziellen Raum für Innovationen.
Die Tatsache, dass Schweizer Preise prinzipiell und unabhängig vom Herstellungsort massiv höher sind als im Ausland, hat zu heftiger Kritik des Preisüberwachers an den Generikapreisen geführt. Weshalb müssen Generika in der Schweiz so viel teurer sein als im Ausland, wo die Patienten auch keine signifikant schlechtere Versorgung haben?
Das sehen wir nicht so. Tatsächlich ist die Versorgung in Ländern mit Billigstprinzip deutlich schlechter als bei uns. In Holland zum Beispiel müssen die Patientinnen und Patienten immer wieder auf das billigste Produkt umgestellt werden, was gerade bei älteren Menschen, die gleichzeitig zahlreiche Medikamente einnehmen müssen, zu grossen Problemen führt. Das ist mit der Schweiz nicht vergleichbar. Hier haben Ärzte und Apotheker die Auswahl aus einem ganzen Strauss von Generika, die jeweils in einer vollständigen Palette von Packungsgrössen und Darreichungsformen angeboten werden. So kann die Fachperson vis-à-vis des Patienten das im jeweiligen Fall optimale Produkt auswählen. Und Wahlfreiheit ist in der Schweiz ein hochgeschätztes Gut.
«Wenn die Preise in der Schweiz wirklich zu hoch wären, dann würden sich Parallelimporte aus dem billigen Ausland lohnen.»
Man muss wirklich aufpassen, dass man Gleiches mit Gleichem vergleicht. Dass tut der Preisüberwacher nicht, wenn er nur die Preis anschaut, die Leistung, die man dafür erhält aber ausser Acht lässt. Wenn die Preise in der Schweiz wirklich zu hoch wären, dann würden sich Parallelimporte aus dem billigen Ausland lohnen. Das trifft nicht zu, was beweist, dass die hohen Preise in der Schweiz das Resultat von hohen inländischen Kosten sind und nicht von unverschämt hohen Margen.
Sie sorgen sich bei der Festlegung auf das billigste Medikament um die Wahlfreiheit der Patienten. Diese kann aber durch den Arzt gewährt werden, der ein bestimmtes Medikament verschreiben kann, falls es für die Gesundheit des Patienten angezeigt ist. Gibt es Zahlen, welcher Anteil der Patienten mit den günstigsten Medikamenten gut versorgt wäre?
Unseres Wissens liegen solche Zahlen nicht vor, aber es ist theoretisch schon so, dass unproblematische Patienten auch mit dem günstigsten Produkt zu Rande kämen. Die Realität sieht aber komplexer aus – Medikamente haben auch viel mit Emotionen zu tun. Das Vertrauen in ein Produkt, das man kennt und mit dem man gute Erfahrungen gemacht hat, ist enorm wichtig. Aufgezwungene Wechsel sind für die Therapietreue eine Katastrophe und die unerwünschten Effekte, die daraus resultieren können sind schnell teurer als die vermeintlichen Einsparungen. Schon heute werden jedes Jahr Medikamente im Wert von rund 600 Mio. Franken weggeworfen statt „eingeworfen“.
Wenn der Verschreiber dann für jede nötige Ausnahme noch eine schriftliche Begründung zuhanden des Krankenversicherers geben muss, entsteht schnell ein schlimmer administrativer Moloch, der in der Gesamtkostenbetrachtung berücksichtigt werden müsste. Wenn man schon vorher weiss, dass ein System zu vielen Ausnahmen und zusätzlicher Schreibarbeit führen wird, dann führt man es besser gar nicht ein.
Da Patienten meistens weder das Wissen noch die Informationen über verfügbare und wirksame Medikamente haben, was bringt Ihnen die Wahlfreiheit?
Für den Patienten direkt ist die Wahlfreiheit tatsächlich abstrakt. Wichtig für ihn ist aber, dass der Arzt oder der Apotheker diese Auswahl hat und dass der Patient die Gewissheit hat, dass er das für ihn optimale Präparat erhält. Der Therapieentscheid muss in der Praxis oder der Offizin im persönlichen Kontakt erfolgen und nicht anonym im Amt oder der Zentrale des Krankenversicherers. Nur so können die individuellen Bedürfnisse jedes Patienten berücksichtigt werden und nur so erhält man eine optimale Therapietreue und letztlich den bestmöglichen Behandlungserfolg. Wir sind keine Einheitspatienten und brauchen keine Einheitstherapie.
«Schon heute werden jedes Jahr Medikamente im Wert von rund 600 Mio. Franken weggeworfen statt „eingeworfen“.
Statt der Vorgabe eines Mindest-Preisabstandes zum Originalpräparat soll neu nach dem Vorschlag des Preisüberwachers für jeden Wirkstoff ein Höchstbetrag festgelegt werden, der sich am Durchschnitt des günstigsten Drittels orientiert. Ein Vorschlag, den Sie unterstützen?
Nein, wir glauben dass das bestehende System des differenzierten Selbstbehaltes eine gute Lösung ist, auf der man aufbauen kann. Es nimmt den Patienten moderat in die ökonomische Verantwortung, lässt aber auch Spielraum für individuelle Therapieplanung.
Viel wichtiger ist, dass man endlich den wirtschaftlichen Anreiz für den Fachhandel anpasst. Solange die Marge für teurere Produkte grösser ist, muss man sich nicht wundern, dass kein Preisdruck entsteht. Es ist höchste Zeit, dass der Apotheker oder der SD-Arzt bei der Generikaabgabe nicht mehr bestraft werden. Wenn er einmal weiss, dass er so oder so gleich viel verdient, wird er eher geneigt sein, das Produkt mit dem für den jeweiligen Patienten optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis abzugeben. So würden die Preise automatisch ins Rutschen kommen. Bei den patentfreien Medikamenten besteht ja Wettbewerb. Da muss man nur für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen und dann den Markt spielen lassen.
Welche alternativen Möglichkeiten sehen Sie, bei den Medikamenten- und Generikapreisen noch Einsparungen zu erzielen?
Im Segment der patentfreien Arzneimittel, von denen wir hier sprechen, wäre es aus der liberalen Perspektive wünschenswert, möglichst auf ständig wechselnde regulatorische Eingriffe zu verzichten. Es würde aus unserer Sicht genügen, die Vertriebsanteile so zu strukturieren, dass die Margen in Franken und Rappen für alle Produkte mit dem gleichen Wirkstoff gleich wären und den Apotheker zusätzlich abzugelten, wenn er einen Patienten vom teuren Original auf ein günstiges Generikum wechselt. Dann käme der Wettbewerb ins Laufen: Angebote mit tieferen Preisen hätten plötzlich mehr Markterfolg und daraus entstünde ein Preisdruck nach unten.
Ein griffiges Instrument zur Regulierung des Preises ist in anderen Bereichen der Parallelimport. Weshalb funktioniert das nicht bei den Generika?
Bei Medikamenten gilt das „Cassis de Dijon“-Prinzip nicht. Sie sind in der Schweiz erst marktfähig und kassenerstattet, nachdem sie aufwändige Zulassungsverfahren bei Swissmedic und dem BAG erfolgreich durchlaufen haben. Das steigert die Kosten. Die in der Schweiz anfallenden Aufwände dürfen nicht unterschätzt werden.
«Bei Medikamenten gilt das „Cassis de Dijon“-Prinzip nicht.»
Das ist auch für Parallelimporte ein Problem. Grundsätzlich wäre dieser ja nach der Erschöpfung des Patentschutzes möglich. Man kann also sehr günstige Generika z. B. in Holland oder Dänemark kaufen, sie importieren, in marktfähige Form bringen und dann vertreiben. Das Problem ist, dass der behördlich aufoktroyierte „Swiss-Finish“ und der Vertrieb in der Schweiz so teuer sind, dass die Preisunterschiede weggefressen werden und sich der Parallelimport nicht mehr lohnt, was wiederum beweist, dass die hohen Preise in der Schweiz das Resultat von hohen inländischen Kosten sind und nicht von unverschämten Margen.
Was bei den Nahrungsmitteln funktioniert, der Einkauf im günstigen Ausland, wird durch die Nichtvergütung der Krankenkassen bei den Medikamenten und Generika unterbunden. Wie würden Sie hier Änderungen beurteilen in dem Sinne, dass bei vorhandenem Rezept und prinzipieller Vergütung durch die Krankenkasse auch die Auslandeinkäufe vergütet würden?
Wenn man der Ansicht ist, dass die Schweiz ein eigenes Zulassungssystem und spezielle Anforderungen an die Kassenerstattung braucht, dann kann man diese Hürden nicht durch die Freigabe der Rückerstattung von ausländischen Medikamenten aushebeln. Entweder sind wir für die erhöhte Sicherheit durch eine nochmalige Kontrolle von Qualität und Wirksamkeit der Produkte durch Swissmedic und für die hohen Anforderungen an die Versorgungsqualität durch BAG und zahlen auch einen Mehrpreis dafür, oder wir verzichten völlig auf den Mehrwert unseres Systems und erlauben dann die Einfuhr. Eine Mischung beider Lösungen mit einer klaren Benachteiligung der inländisch vertriebenen Arzneimittel geht aber gar nicht. Im Übrigen zeigt die Erfahrung, dass die Schweizer Bevölkerung den „Swiss Finish“ sehr schätzt.
Die Digitalisierung pflügt aktuell ganze Industrien um. Welche Entwicklungen sehen Sie bei der Digitalisierung des Generikamarktes, die eventuell den Patienten mehr Freiheit und tiefere Preise bringen könnten?
Die Digitalisierung und das Internet bringen emanzipierte, informierte Patienten und optimale Markttransparenz. Beides spricht für einen funktionierenden Wettbewerb, dem sich die Generikaindustrie gerne stellt.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Einerseits wünschte ich mir, dass Politiker und Versicherer wieder vermehrt erkennen, wie viel Generika zu einer effiziente Gesundheitsversorgung beitragen können. Wichtig ist doch, dass Generika immer noch durchschnittlich 30% günstiger sind als die entsprechenden Originale und dass sie 1 Mia. Franken pro Jahr an Einsparungen auslösen und nicht, dass sie teurer sind als in Märkten, die man aufgrund unterschiedlicher Versorgungssysteme gar nicht vergleichen kann. Generika sind die „good guys“ und nicht, wie vom Preisüberwacher impliziert, die Bösen.
Andererseits wäre es schön, wenn man endlich aufhören würde, reflexartig nach behördlichen Massnahmen zu schreien, wenn die Preise zu hoch scheinen. In den letzten Jahren hat das Preisbildungssystem praktisch jährlich geändert. So erhält man keine Planungs- und Rechtssicherheit und begeht laufend ordnungspolitische Sündenfälle. Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft und sollten wo immer möglich den Wettbewerb spielen lassen. Das gilt auch für den Generikamarkt.
Der Gesprächspartner:
Peter Huber, 57, ist Geschäftsführer von Intergenerika, dem Verband der Hersteller und Vertriebsfirmen von Generika und Biosimilars in der Schweiz. Er ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Er ist Biochemiker und hat einen Doktortitel der ETH (Dr. sc. nat. ETH).
Das Unternehmen:
Intergenerika ist die Vereinigung der führenden Generikafirmen in der Schweiz, die ihrerseits über 90% des Generika-Volumens in der Schweiz repräsentieren. Intergenerika fördert die Akzeptanz von Generika durch Aufklärung von Medizinalpersonen, Fachverbänden, Krankenkassen und Patienten und fördert deren Verbreitung als qualitativ mindestens gleichwertige, jedoch preiswertere Arzneimittel. Im Weiteren plant und koordiniert der Verband die Kontakte zu Medien, Behörden und Vereinigungen im Bereiche von Medizinalpersonen und des Gesundheitswesens. Mit allen Massnahmen verfolgt Intergenerika das Ziel einer angemessenen Vertretung von Generika im schweizerischen Arzneimittelmarkt bzw. im schweizerischen Gesundheitswesen. www.intergenerika.ch