Peter Westaway, Chief Economist Europe Vanguard

Peter Westaway, Chief Economist Europe Vanguard.

Von Martin Raab und Daniel Manser, www.payoff.ch

payoff im Gespräch mit Peter Westaway, Chief Economist Europe bei Vanguard über aktuelle Anlagestrategien, den Zustand der Eurozone, Schuldensorgen und amerikanische «Cliffhanger».

payoff: Herr Westaway, womit könnte man Anlegern derzeit ein gutes Weihnachtsgeschenk machen?

Peter Westaway: Man sollte in jedem Fall ein «Balanced Portfolio» besitzen, sprich in ausgeglichenem Masse Aktienexposure und Obligationen halten – das verspricht langfristig, auch über die Weihnachtszeit hinaus, stabile Renditen.

Man sieht derzeit viele Produkte, die Dividendenstrategien abbilden. Sind Obligationen als Einkommensquelle inzwischen nicht etwas aus der Mode?

Nein, das glaube ich nicht. Da sollten sich Investoren einmal einen Vergleich von Aktien mit hoher Dividendenrendite oder entsprechenden Produkten auf diese Strategien gegenüber einem ausgeglichenen Portfolio ansehen. Das ausgeglichene Portfolio hat weniger Beta und beschert stabilere Renditen.

Was wird uns in 2013 bei den Zinsen einerseits und den Unternehmensgewinnen andererseits erwarten?

Das Tiefzinsumfeld wird auf absehbare Zeit Bestand haben. Andererseits sehe ich bei den Kurs-Gewinn-Verhältnissen – insbesondere bei den traditionell dividendenstarken Aktien aus Grossbritannien – Aufwärtspotenzial.

«Wenn Frankreich schwankt, ist das ganze Spiel aus».
Peter Westaway, Chief Economist Europe Vanguard

Alles andere als stabil zeigen sich ja zurzeit Obligationen aus der Eurozone und Griechenland. Wie schlimm ist die Situation aus ihrer Sicht dort wirklich?

Im Grundsatz ist die Lage tatsächlich ernst, doch hier muss klar gesagt werden: Die Medien blenden gerade beim Thema Griechenland schon sehr viel aus. Obwohl man immer wieder vom Stillstand beim griechischen Sparprogramm hört und den Beschwerden der Troika, darf nicht vergessen werden, dass sich die Regierung in Athen inzwischen mit aller Kraft von der Lethargie gelöst hat und bereits bedeutende Sparanstrengungen unternommen wurden. Der Verkauf des Tafelsilbers hat defintiv begonnen – und damit die letzte Hoffnung auf einen Turnaround.

Wird Griechenland – mit oder ohne Verkauf des Tafelsilbers – den Turnaround wirklich schaffen?

Ja, das ist möglich. Aber die Griechen benötigen zum gesunden wesentlich mehr Zeit. Vielleicht auch deutlich mehr Zeit als die EU-Politiker der Eurogruppe ihnen aktuell zugestehen.

Brauchen die Griechen einen weiteren Hair-Cut bei den Staatsobligationen?

Wahrscheinlich ja, um eine dauerhafte Gesundung sicherzustellen.

Der griechische Patient ist also noch nicht gerettet…

Moment, hier gilt es aufzupassen. Jeder spricht immer von einer Rettungsaktion – dem Bail-Out – für Griechenland. In Wirklichkeit gab es aber schlicht und einfach nur verzinste Kredite mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Rettung im Sinne eines echten Schuldenerlasses, vor allem durch die europäischen Geberländer, wäre eine politische Bankrotterklärung. Das will sich in Berlin und Brüssel noch keiner leisten.

«Griechenland benötigt zum gesunden wesentlich mehr Zeit.»

Was ist nach Ihrer Ansicht besser: Default oder Durchwursteln?

Ein Default samt Austritt aus der Eurozone würde bedeuten, dass die Bank of Greece wieder die Währungshüterin ist. Die müsste die neue Währung dann erstmal um mindestens 25% abwerten, was wiederum die bereits jetzt teuren Importpreise nochmals drastisch steigen lassen würde. Griechenland muss ja bereits heute die meisten Industriegüter teuer importieren. Nein, dass wäre unter dem Strich glaube ich keine gute Idee.

…also mit kleinen Schritten nach vorne?

Es ist meiner Auffassung nach wichtig, dass Griechenland jetzt unbeirrt an den Strukturreformen festhält und auch Teil der Eurozone bleibt. Es ist sicher ein harter, steiniger Weg flankiert von hoher Arbeitslosigkeit, doch die Chancen stehen gut, dass Griechenland in 10 Jahren wieder gesund ist.

Neben Griechenland gibt es ja auch noch andere Wackelkandidaten, wie Spanien oder Italien…

Es ist unvorstellbar dass Spanien und Italien tatsächlich den Euroraum verlassen, denn falls das eintritt, kann die ganze Ideologie des Euro begraben werden. Aber solange sich das «Redenomination Risk» in den Anleihekursen bzw. Renditeaufschlägen der spanischen oder italienischen Bonds zeigt, ist das eine kritische Situation. Ich empfehle die 10-jährigen spanischen Staatsanleihen als Risikobarometer ganz genau im Auge zu behalten.

Muss man sich in diesem Zusammenhang auch um Frankreich Sorgen machen, auch hinsichtlich Druck von der Strasse?

Nein, ich sehe bei dem französischen Haushalt und der Stimmung in der Bevölkerung derzeit keine ernsthaften Probleme. Die einzige Gefahrenquelle könnte von den Finanzmärkten kommen. Sobald wir an einem Punkt ankommen, wo die französischen Bonds unter drastischen Beschuss im Sinne eines Kursverfalls geraten. Wenn Frankreich schwankt, ist das ganze Spiel aus. Diesen Schneeball könnte auch die EZB nicht mehr auffangen.

Durch welches Ereignis könnte dieser Schneeball ins Rollen kommen?

Hier ist es ganz wichtig, dass Spanien und Italien halbwegs fit bleiben und sich deren Haushaltskonsolidierung planmässig fortsetzt. Kommen diese beiden Staaten unter die Räder, suchen die Marktteilnehmer automatisch das nächste schwache Tier in der Herde. Das wäre dann Frankreich.

«Die USA besitzen seit Jahrzehnten den Luxus sich in ausreichendem Masse Finanzmittel am Markt beschaffen zu können.»

Wo sehen Sie – um bei ihrem Beispiel zu bleiben – starke Tiere in der globalen Herde?

Die beiden wichtigsten Zugpferde sind global immer noch die USA und China. Diese beiden Wirtschaftsmächte sind natürlich auch von Risiken umgeben, dennoch sind beide bis dato in vergleichsweise solider Verfassung.

Das Zugpferd USA steht ja aber derzeit vor einer riesigen Fiskalklippe…

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Amerika über diese Fiskalklippe springt und sich in Gefahr bringt. Eines darf man nicht vergessen: Die USA besitzen seit Jahrzehnten den Luxus, sich in ausreichendem Masse kurz- und mittelfristig Finanzmittel am Markt zu beschaffen. Diesen Luxus hat die Europäische Union ironischerweise inzwischen nur noch sehr bedingt.

Dagegen könnte sich China aber ziemlich gut frische Mittel am Finanzmarkt holen um das Wachstumsprogramm am laufen zu halten, oder?

China hat den Nachteil, dass keiner wirklich weiss, wie der Staatsapparat letztlich funktioniert. Derzeit ist die Kauflaune der Anleger durch die potenzielle Kreditblase und den jüngsten Machtwechsel im Politbüro etwas gehemmt. Man könnte alternativ ganz bewusst angrenzende Emerging Markets aus Asien ins Portfolio aufnehmen. Chinas volkswirtschaftlicher Effekt schwingt – im Guten wie im Schlechten – auch bei anderen Ländern mit.

Der Gesprächspartner:
Dr. Peter Westaway ist seit Dezember 2011 Chefökonom Europa von Vanguard. Er blickt auf eine beinahe 30-jährige Erfahrung auf diesem Gebiet zurück. In seiner Funktion ist er verantwortlich für die Formulierung makroökonomischer Analysen und Prognosen und unterstützt Vanguard’s globale Strategien der intern verwalteten Portfolios. Vor seinem Wechsel zu Vanguard bekleidete er dieselbe Position bei Nomura International. Früher arbeitete er als Senior Analyse Berater bei der Bank of England.  Dr Westaway hält einen Doktorgrad in Ökonomie und einen Masters in Control Engineering & Operational Research der Universität Cambridge sowie einen Bachelor of Science in Mathematik und Ökonomie der Universität York. Zusätzlich zu seiner Funktion bei Vanguard ist Dr. Westaway als Gastprofessor am Queen Mary College in London tätig.

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