Philip Mosimann, CEO Bucher Industries. (Foto: Bucher)
von Robert Jakob
Moneycab.com: Herr Mosimann, ihr Nachfolger Jacques Sanche tritt ab September ein Einführungsprogramm an. Wie muss man sich so etwas auf Höhe CEO vorstellen?
Philip Mosimann: Das wird eine schöne viermonatige Weltreise! Spass beiseite. Das Programm ist vollbepackt und nur wenige einzelne Tage sind noch nicht belegt. Strukturiert werden die Themen VR und Aktionariat/Finanzmarkt, Konzernfinanzen, Konzernentwicklung, Konzernrecht und Kommunikation, Divisionsleitung und deren Hauptstandorte angegangen. Das wird ihn in alle Kontinente führen ausser Afrika. Wichtig dabei ist besonders, dass er die verschiedenen Führungskräfte am Ort ihrer Wirkung besser kennen lernt. Ganz neu werden diese Themen für ihn nicht sein, haben wir uns doch intensiv während der Verhandlungsphase damit auseinandergesetzt.
Trotz des Einbruchs im H1 2015 überlassen Sie Ihrem Nachfolger auf GV 2016 eine gesunde Firma mit einer Eigenkapitalrendite von 16,1 Prozent. Hätten Sie nach dem Rekordjahr 2013 mit einem so schwierigen Umfeld gerechnet?
Zuversicht und Optimismus gehören zum Unternehmertum. Ebenso aber auch die Vorsicht und die Erfahrung, dass nach Rekorden wieder schwierigere Zeiten kommen. Der Frankenschock im Januar 2015 hat uns zwar nicht unvorbereitet, aber doch massiv getroffen. Und über den Zeitpunkt waren wir etwas überrascht, aber der EZB Entscheid, 1000 Milliarden Euro zur Schwächung des Euros einzusetzen, löste die Schockwelle aus.
«Forcierte Produktinnovation, gezielte Investitionen zur Produktivitätssteigerung und wo nötig auch Anpassungen in der Herstellungskette sind unsere bewährten Antworten.» Philip Mosimann, CEO Bucher Industries
Am starken Schweizer Franken und der lausigen Konjunktur in Europa können Sie ja nichts ändern. Aber ein um ein Drittel tieferer Auftragsbestand bei Ihrer grössten Division, der Kuhn Group, schreit ja nach einem kräftigen Befreiungsschlag. Liegt dieser in Produktoffensiven?
Wie schon erfolgreich während der Finanzkrise 2009 praktiziert, wollen wir besser als die Konkurrenz aus der schwierigen Lage kommen. Forcierte Produktinnovation, gezielte Investitionen zur Produktivitätssteigerung und wo nötig auch Anpassungen in der Herstellungskette sind unsere bewährten Antworten.
Sämtliche, sowohl die harten wie die weichen Commodity-Preise sind unter Druck geraten. In Frankreich etwa streiken die Bauern für höhere Preise. Wie gefährlich ist eine längere Durststrecke in der Landwirtschaft für Buchers Geschäftsgrundlage?
Agrarzyklen hat es schon immer gegeben und an den langfristigen, guten Aussichten hat sich nichts geändert. Auch eine längere Baisse würde die Geschäftsgrundlage nicht beschädigen, aber die kurzfristigen Resultate schon. Was uns entscheidend hilft, ist unsere sehr starke Position in den Hauptmärkten der Welt, Nord- und Südamerika sowie West- und Osteuropa. Und in Asien sehen wir grosses Wachstumspotenzial, das aber ein kurzfristiges Nachgeben der Hauptmärkte nicht wesentlich kompensieren kann.
Im Gegensatz zum rezessionsgeplagten Brasilien läuft das Geschäft in den USA ganz gut. Skalenerträge scheinen dort das Mass aller Dinge zu sein. Wie weit ist Bucher Industries von seinem Ziel entfernt, im dortigen riesigen Landmaschinenmarkt 300 Millionen Franken Umsatz zu erzielen?
Der Agrarzyklus hat uns auf diesem Weg, auf dem wir gut unterwegs waren, natürlich zurückgeworfen. Unsere langfristig angelegte Strategie und Unternehmenskultur wird dazu führen, dass wir das Ziel trotz Absatzschwäche nicht aus den Augen verlieren werden.
Der heisse Sommer 2015 lässt vielleicht auf einen milden Winter schliessen. Betreiben Sie für die Winterdienstgeräte der Division Municipal so etwas wie Wettervorhersagen?
Das wäre gefährlich, denn wir wissen wie unzuverlässig Wetterprognosen schon für wenige Tage sind, geschweige denn über mehrere Monate. Für uns ist wichtig, dass wir uns auf Zyklen in diesem Geschäft noch besser einstellen können. Und übrigens, auf heisse Sommer folgen oft auch harte Winter. Prognose ohne Gewähr!
«Der Rubel ist schwach, was noch zulässige Importe teuer macht. Zudem stehen nicht nur wir mit Investitionen auf der Bremse, was in Russland die dringend notwendige technologische Erneuerung verzögert.»
Wie hinderlich sind weiterhin die unsäglichen Russlandsanktionen?
Die direkten Auswirkungen spüren wir in der Landtechnik und den Glasformungsmaschinen. Der Rubel ist schwach, was noch zulässige Importe teuer macht. Zudem stehen nicht nur wir mit Investitionen auf der Bremse, was in Russland die dringend notwendige technologische Erneuerung verzögert. Indirekt verunsichert die geopolitische Lage auch die Konjunktur in Europa insgesamt. Irgendwann werden beide Seiten einsehen, dass es gemeinsam besser geht.
Bucher Hydraulics liefert Pumpen, Motoren, Ventile, Antriebsaggregate, Aufzugsantriebe bis hin zu komplexen Steuerungen. Gäbe es da Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit Sulzer Winterthur, die Sie ja von früher gut kennen, oder ist die gemeinsame Schnittmenge bei Pumpen zu klein?
Wir machen ganz andere, mit Hydrauliköl betriebene Pumpen, die in der Mobil- und Industriehydraulik zur Anwendung kommen. Sulzer hingegen ist in der Öl- und Gasindustrie sowie bei Trink- und Abwasseranlagen als auch Kraftwerken tätig. Ein völlig anderes Gebiet mit völlig anderer Technik.
«Wir machen ganz andere Pumpen als Sulzer mit völlig anderer Technik.»
Im zweiten Halbjahr soll sich die Konzern-EBIT-Marge von jetzt 8,8% nochmals leicht zurückbilden. Wird das dann der Wendepunkt sein?
Wir hoffen es. Es ist noch viel zu früh um vernünftige und verlässliche Prognosen für nächstes Jahr zu machen. Gegen Ende Jahr wissen wir mehr.
Die Division Bucher Emhart Glass konnte hingegen im H1 das Betriebsergebnis um ein Drittel steigern. Welche Lehren gibt das divisionsübergreifend?
Die Division kommt aus einem grossen Projekt der Neuausrichtung mit Anpassungen an die veränderte Nachfrage aus Asien. Kapazitäten wurden in Europa ab- und in Malaysia und China aufgebaut. Ebenso wurde die Lieferkette, oder Neudeutsch supply chain, massiv verändert, um Kosten zu sparen. Und fast am Wichtigsten wurden konstruktive Massnahmen zur Standardisierung der Produkte und robotertauglichen Schweisskonstruktionen ergriffen. Deshalb lässt sich das nicht einfach 1 zu 1 auf andere Geschäfte übertragen.
Landwirtschaftliche Geräte sind so etwas wie die moderne vollautomatische Version von Pflügen, Sämaschinen und vielen Geräten, die es im Prinzip seit Jahrhunderten gibt. Wie könnte denn einmal eine „Killerapplikation“ auf diesem Gebiet aussehen?
Ich bin mir nicht im Klaren, was Sie mit „Killerapplikation“ genau meinen. Die Funktionen zur Produktion von landwirtschaftlichen Produkten wird es immer brauchen. Das „wie“ wird sich jedoch schnell ändern. Die Böden sind kartographiert und die mit GPS ausgerüstete Maschine weiss, wo der Boden lehmig oder sandig, trocken oder nass ist. Damit lässt sich etwa der Einsatz von Dünger oder Pflanzenschutzmitteln optimieren. Mannlose Traktoren und Landmaschinen werden vom Büro des Bauernhofs, eventuell sogar von einer Dienstleistungsstelle aus gesteuert. Dazu braucht es aber entsprechend grosse Landstücke von mehreren 100, besser 1000 Hektaren. Der Durchschnitt in der Schweiz beträgt 18 Hektare pro Betrieb.
Herr Mosimann, ich bedanke mich für das Interview.
Der Gesprächspartner:
Der Schweizer Philip Mosimann ist als Diplomingenieur ETHZ-Absolvent. 1980 trat er in die Sulzer Innotec AG in Winterthur ein. 1993 wurde er Divisionsleiter der Sulzer Thermtec und 1997 Divisionsleiter der Sulzer Textil. 2001 erfolgte der Wechsel zu Bucher Industries, wo er bereits 2002 Chief Executive Officer wurde. Philip Mosimann ist zusätzlich Verwaltungsratspräsident der Uster Technologies AG, Uster und Mitglied des Verwaltungsrats der Conzzeta AG, Zürich.
Zum Unternehmen:
Bucher Industries ist ein weltweit tätiger Technologiekonzern mit führenden Marktstellungen in Spezialgebieten des Maschinen- und Fahrzeugbaus. Die Aktivitätsgebiete umfassen spezialisierte Landmaschinen, Kommunalfahrzeuge, Hydraulikkomponenten, Produktionsanlagen für die Glasbehälterindustrie sowie für Wein und Fruchtsaft. Das Unternehmen ist an der Schweizer Börse kotiert (SIX: BUCN).