von Sandra Willmeroth
Moneycab.com: RepRisk prüft öffentliche Informationen um ESG-Risiken und Geschäftsverhaltensrisiken zu identifizieren. Wie brechen Sie das runter? Wann ist beispielsweise ein Geschäftsverhalten im riskant?
Philipp Aeby: Dafür haben wir unsere eigene Methodik entwickelt, die wir auf unserer Website veröffentlicht haben. Wir orientieren uns dabei an internationalen Standards, wie beispielsweise den OECD Guidelines for Multinationals, um ESG-Risiken zu bewerten. Die Beurteilung geschieht anhand von drei Parametern, nämlich Schweregrad und Neuheits-Wert des Vorfalls sowie der Einfluss/Reichweite der Quelle, die über den Vorfall berichtet. Für uns gibt es nicht per se risikantere Sektoren oder ESG-Themen. Die Bewertung auf der Ebene des Risikovorfalls ermöglicht es unseren Kunden, die zugrundeliegenden Daten sowie aggregierte Metriken zu verwenden – und dementsprechend ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, die ihrer ESG-Strategie oder Risikoschwelle am besten entsprechen.
ESG-Kriterien und generell das Label «Nachhaltig» ist zum Mainstream geworden und oftmals drängt sich der Verdacht des Greenwashing auf. Wie entkräften Sie Greenwashing-Vorwürfe?
Indem wir schauen, ob sich ein Unternehmen gemäss den eigenen Versprechen verhält, leisten wir einen wichtigen Beitrag gegen Greenwashing. Wer seine Produkte als ESG konform verkauft, muss sicherstellen, dass er seine Versprechungen auch tatsächlich erfüllt. In Zukunft wird auch der Regulator sein Augenmerk verstärkt auf Themen wie Greenwashing richten. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin als auch die amerikanische Börsenaufsicht SEC und das Justizdepartement haben begonnen, Greenwashing-Vorwürfe zu untersuchen. Da sind empfindliche Bussen für Unternehmen zu erwarten, die ESG missbräuchlich verwenden.
«Es sind empfindliche Bussen für Unternehmen zu erwarten, die ESG missbräuchlich verwenden.»
Philipp Aeby, Co-Founder, CEO und VR der RepRisk AG
Kann RepRisk risikobehaftete Unternehmen frühzeitig erkennen, wie zum Beispiel Wirecard, wo ihre Daten laut eigenen Angaben schon vor dem Konkurs zu dem Urteil „risikobehaftet“ kamen?
Unser Ziel besteht darin, den Kapitalmarkt und Unternehmen dabei zu unterstützen, potentielle Risiken frühzeitig zu erkennen, damit sie rechtzeitig entsprechende Massnahmen ergreifen können. Hierfür erfassen wir weltweit über 220’000 öffentliche und private Unternehmen sowie mehr als 61’000 Infrastrukturprojekte. Wir nutzen über 100‘000 Quellen und verarbeiten täglich rund 500’000 Dokumente von Medien, Nichtregierungsorganisationen und Behörden. Für die Analyse der Daten nutzen wir künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen und verknüpfen diese mit menschlicher Intelligenz, als einziges Unternehmen weltweit. Unsere Analysen ermöglicht es, hinter die Kulisse zu schauen und die wahren Risiken, die mit einem Unternehmen verbunden sind, zu verstehen und entsprechend zu handeln. Wir erkennen Frühwarnsignale oftmals lange bevor es zu einer Krise kommt. Dies war auch im VW-Dieselskandal, bei Boohoo oder der erwähnten Wirecard der Fall. Die entsprechenden Risiken haben wir unseren Kunden lange im Voraus transparent gemacht.
Wie aussagekräftig sind die Daten über Unternehmen aus der neuen Kryptowelt? Kann die Datentechnologie zu dieser Branche ebenfalls verlässliche Aussagen liefern?
Wir erfassen und analysieren jedes Unternehmen, jedes Infrastrukturprojekt und jeden Sektor. Wir tun dies in 23 Sprachen und die Analysemöglichkeiten umfassen 28 ESG-Themen und 73 Themenbereiche. Zu diesen Kriterien können wir verlässliche Informationen bieten. Auch über Kryptounternehmen.
Welche Quellen ziehen Sie heran?
Als Datatech-Unternehmen, das einen «Outside-in»-Ansatz anwendet, bewerten wir Nachhaltigkeitsrisiken eines Unternehmens auf der Grundlage von Informationen aus öffentlichen Quellen. Selbstauskünfte von Firmen schliessen wir bewusst aus, da diese oft veraltet und unvollständig sind, sowie Risiken verschleiern können. Wir prüfen dabei auch soziale Medien, da in diesen Kanälen oftmals erste Anzeichen von Risiken sichtbar werden.
Welche sozialen Medien werden ausgewertet und welchen Stellenwert haben diese in der Gesamtanalyse?
Wir prüfen täglich Twitter und verschiedene Blogs. Unserer Erfahrung nach fungieren andere Soziale Medien, zB. Facebook, eher als sekundäre Quellen und produzieren wenig originalen Inhalt. Generell werden aber alle Quellen, inkl. Soziale Medien, nach ihrem Einfluss/Reichweite im jeweiligen Land eingestuft und diese Bewertung fliesst in die Gesamtbewertung des Risikovorfalls.
Sie haben 2021 die Datenbankmethodik öffentlich gemacht. Warum?
Wir haben beschlossen, unsere ESG-Datenmethodik und die detaillierten Scoring-Algorithmen öffentlich zugänglich zu machen, um die anwendungsspezifische Eignung und Qualität unser Daten und Scores besser beurteilen zu können. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass ESG-Daten häufig ungenau und veraltet sind und die Methodik und Quantifizierungen sich dauernd verändern, ohne dass diese offen gelegt werden. Entsprechend unbrauchbar sind dann auch darauf basierende akademische Studien und die vielen historischen Renditevergleiche. Ehrlich gesagt haben die ESG-Datenanbieter und vor allem die ESG-Rating-Industrie mittlerweile mit einem schlechten Ruf zu kämpfen. Wir hoffen nun, einen Beitrag zu leisten, damit sich das ändert.
«Die ESG-Rating-Industrie hat mittlerweile mit einem schlechten Ruf zu kämpfen. Wir hoffen, einen Beitrag zu leisten, damit sich das ändert.»
Wie sicher ist die Methodik gegen Missbrauch? Könnte ein Unternehmen oder NGO gefälschte Informationen über einen Konkurrenten so gezielt streuen, dass dieser in Ihrer Datenbank negativ dargestellt wird?
Das ist möglich, aber nicht so einfach: Falls eine Organisation etwa lokale Bauern gegen Bezahlung vor eine Mine fahren würde, um einen Protest zu veranstalten, dann identifizieren wir das als Risikovorfall und nehmen es in die Datenbank auf. Ebenso würden wir einen NGO-Bericht mit falschen Anschuldigungen berücksichtigen. Aber diese Vorfälle und Anschuldigungen existieren nun mal und können weder von Unternehmen noch von Geldgebern oder Kunden ignoriert werden. Falsche Anschuldigungen sind zudem nicht häufig, weil NGOs und investigative Medien ihre knappen Ressourcen auf lohnende Ziele ausrichten.
Wie sind die Besitzverhältnisse der RepRisk AG? Sie halten die Mehrheit, wer den Rest?
An RepRisk sind sowohl Mitarbeitende, das Management und der Verwaltungsrat beteiligt. Die Mitglieder des Verwaltungsrats halten die Mehrheit der Aktien.
Wie hoch ist der Umsatz?
Wir sind ein privates Unternehmen und publizieren keine Finanzzahlen. Wir haben derzeit knapp 350 Mitarbeitende und wachsen stark. Weltweit vertrauen über 500 Kunden, darunter 80 Banken, 17 der 25 grössten Investmentmanager, die grössten Staatsfonds der Welt oder führende Börsen- und Nachhaltigkeitsindizes für ihre Due-Diligence- und Risikomanagement-Prozesse auf unsere Lösungen. Auch multinationale Unternehmen werden als Kundengruppe jedes Jahr wichtiger.
«Weltweit vertrauen über 500 Kunden, darunter 80 Banken, 17 der 25 grössten Investmentmanager, die grössten Staatsfonds der Welt oder führende Börsen- und Nachhaltigkeitsindizes für ihre Due-Diligence- und Risikomanagement-Prozesse auf unsere Lösungen.»
Arbeitet das Unternehmen seit 2009 konstant profitabel?
Ja, wir arbeiten profitabel. Wir haben zudem bisher auch keine externen Investoren und finanzieren uns selber. Unseren Gewinn investieren wir zum grössten Teil in den weiteren Aufbau von RepRisk, insbesondere in unsere Mitarbeitenden, den Ausbau der Leistungen für Kunden und in neue Technologien. Ende 2022 haben wir etwa den Zusatzdatendienst der Geolokalisation lanciert. Diese erlaubt es bei Projekten des Rohstoffsektors die Nähe zu Gebieten der biologischen Vielfalt und zu Schutzgebieten zu identifizieren. Ein wichtiger Beitrag zur Biodiversität.
Sie sind nicht nur Mitbegründer, sondern auch CEO und VR – das könnte, von Aussen betrachtet, auch als Klumpenrisiko gewertet werden.
Die Verantwortung bei RepRisk ist auf ein sehr kompetentes und breit abgestütztes internationales Management-Team verteilt, welches die Firma kundenorientiert führt. Zudem bringt unser VR viel Erfahrung im Aufbau und Führen von Unternehmen mit und ist mit strategischen, finanziellen und ESG-Themen bestens vertraut.
Haben Sie eine langfristige Nachfolgeregelung getroffen?
Wir verteilen bereits heute die Verantwortung auf das Management und den Verwaltungsrat. Die weitere Entwicklung von RepRisk planen wir gemeinsam und entwickeln hierfür auch entsprechende Szenarien die wir laufend hinterfragen und überarbeiten.
Was ist Ihr persönlicher Antrieb?
Ganz klar unsere Mission: wir schaffen Transparenz dazu, wie Unternehmen ihre Geschäfte tätigen. Dadurch nehmen diese ihre gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten wahr und die Welt wird besser. Unseren Kunden helfen wir, ESG Risiken frühzeitig zu erkennen.