von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Gmür, Helvetia blickt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2018 zurück. Die schwächere Performance der Aktienmärkte schlugen zwar aufs Ergebnis, dennoch dürften Sie mit dem Resultat zufrieden sein?
Philipp Gmür: Ja, wir blicken auf ein erfreuliches Jahr 2018 zurück. Sehr zufrieden bin ich mit dem Wachstum des Geschäftsvolumens sowie der unverändert guten Qualität des Portfolios. Trotz der angesprochen schwierigen Situation an den Kapitalmärkten erzielten wir ein solides Ergebnis.
Welches waren für Sie die wichtigsten Entwicklungen im vergangenen Jahr?
Zunächst freue ich mich, dass wir dort gewachsen sind, wo wir wachsen wollten: In der attraktiven Sparte Nicht-Leben einerseits und in der Lebensversicherung andererseits dort, wo weniger Eigenkapital unterlegt werden muss, das heisst mit modernen, neuartigen Produkten. Die Versicherungsergebnisse sind unverändert sehr gut. Vom erfolgreichen Geschäftsjahr sollen auch die Aktionäre in Form einer um 1.00 auf 24.00 Franken erhöhten Dividende profitieren. Das entspricht einer Dividendenrendite von 4.2 Prozent.
«Bei der Profitabilität, der Eigenkapitalrendite, der Dividendenausschüttung und auch der Solvenz ist Helvetia sehr gut unterwegs.» Philipp Gmür, CEO Helvetia
Wo steht die Helvetia hinsichtlich der Erreichung der finanziellen Ziele der Strategie 20.20, zu denen auch ein Geschäftsvolumen von 10 Mrd Franken gehört?
Wir sind auf Kurs, unsere Finanzziele zu erreichen. Bei der Profitabilität, der Eigenkapitalrendite, der Dividendenausschüttung und auch der Solvenz ist Helvetia sehr gut unterwegs. Beim Geschäftsvolumen haben wir immer betont, dass die CHF 10 Mrd. als Ambition zu verstehen sind. Wir haben aber auch immer betont, dass wir keine Konzessionen zulasten der Profitabilität machen wollen und diese CHF 10 Mrd. wohl nicht ohne M&A erreichen werden. Letzteres lässt sich nicht planen.
Der Name ist sehr schweizerisch, die Helvetia ist aber ein international tätiger Konzern mit über 5 Millionen Kunden. Im Ausland erzielt Helvetia rund 27% ihres operativen Gewinns. In der Schweiz ist das Wachstum beschränkt – wie gross ist das Potenzial im Ausland?
In unseren europäischen Ländermärkten ist die Konsolidierung der Versicherungsbranche noch nicht so weit fortgeschritten wie in der Schweiz. Wir betrachten das als Chance und möchten bei der Konsolidierung eine aktive Rolle übernehmen. Beim anorganischen Wachstum stehen vor allem Deutschland und Spanien im Fokus. Unsere internationalen Aktivitäten tragen zudem zur Diversifizierung unseres Geschäftes bei.
Welche Pläne verfolgen Sie beim Ausbau der internationalen Tätigkeit – gibt es weitere Zukäufe? Oder haben sie neue Märkte im Visier?
Neue Märkte haben wir nicht im Visier. Falls sich die Möglichkeit eines Zukaufs ergibt, werden wir diese sicher prüfen. Allerdings wollen wir nicht um jeden Preis wachsen. Im Vordergrund steht die Profitabilität.
Eine Besonderheit der Helvetia ist das Segment Specialty Markets, das mit Technischen Versicherungen, Transport und Kunst, aber auch Aktiver Rückversicherung zur Diversifikation beiträgt. Welche Strategie verfolgen Sie in diesem Segment?
Das Segment Specialty Markets dient zur weiteren Diversifizierung unserer Tätigkeit. Wir zeichnen in diesem Segment in verschiedenen Nischen weltweit ausgewählte Risiken. In der Technischen Versicherung, der Transport- sowie der Kunstversicherung sind wir die Nummer 1 in der Schweiz. Wachstumsmöglichkeiten sehen wir vor allem in Asien und Lateinamerika. Auch die Aktive Rückversicherung bietet Chancen für profitables Wachstum. Dieses zeigt sich bereits in unseren Finanzzahlen der letzten Jahre.
«Das Segment Specialty Markets dient zur weiteren Diversifizierung unserer Tätigkeit.»
Wie sieht es bei der Umsetzung des Vorhabens aus, das Versicherungsgeschäft für den Endkunden besser verständlich zu machen?
Hier erzielen wir laufend Fortschritte. Unter anderem haben wir im letzten Jahr die Behebung von Gebäudeschäden dank der Zusammenarbeit mit der Handwerkerplattform JAROWA vereinfacht. Im Schadenfall müssen unsere Kunden nun nur noch einen Termin mit dem Handwerker vereinbaren. Das Einholen von Offerten oder die Klärung, welche Reparaturen gedeckt sind, entfällt. Im Lebengeschäft haben wir unter anderem eigene Fonds lanciert, die sich durch eine transparente Kostenstruktur und niedrige Verwaltungsgebühren auszeichnen. Dies sind nur zwei Beispiele, sie zeigen aber exemplarisch, woran wir arbeiten.
Der diesbezügliche Markenauftritt «einfach. klar. helvetia.» war im vergangenen Jahr omnipräsent. Welche Bedeutung hat dabei das seit 2005 bestehende Sponsoring-Engagement mit Swiss-Ski?
Helvetia ist seit 2005 Partner von Swiss Ski. Das Engagement passt sehr gut zu uns: Helvetia und der Skisport sind urschweizerisch. Dabei unterstützten wir nicht nur den Verband und Spitzenathleten, sondern auch den Nachwuchs- und den Breitensport. Eine breite, nachhaltige Förderung entspricht unserem Verständnis. Wir erhalten durch das Engagement eine umfassende Sichtbarkeit. Diese ergänzen wir mit unserem Markenauftritt, der vertieft erklärt, für was wir stehen.
Die digitale Transformation der Helvetia ist in vollem Gange. Wo setzen Sie die Schwerpunkte?
Wir verfolgen eine fokussierte Strategie zur Weiterentwicklung von Helvetia. So stärken wir das Kerngeschäft, erschliessen neue Ertragsquellen und fördern gezielt Innovationen. Die bereits genannten Beispiele, wie wir einfacher werden, sind auch Beispiele für das Stärken unseres Kerngeschäfts. Grosse Bedeutung haben dabei auch neuartige Angebote wie Cyber- oder Assistance-Deckungen sowie Kundenzugänge dort, wo unmittelbar ein Versicherungsbedürfnis entsteht, zum Beispiel am Verkaufspunkt von Konsumgütern. Neue Ertragsquellen erschliessen wir unter anderem mit Smile, dem führenden Schweizer Online-Versicherer. So hat Smile Ende 2018 die erste komplett digitalisierte Todesfallversicherung der Schweiz lanciert. Wie wir gezielt Innovationen nutzen, zeigt der Einsatz von neuen Interaktionsformen mit Kunden. So nutzen wir sogenannte Chatbots in der Schweiz bei der Meldung von Fahrraddiebstählen oder in Spanien für den Vertrieb von Sterbeversicherungen.
«Wir stärken das Kerngeschäft, erschliessen neue Ertragsquellen und fördern gezielt Innovationen.»
Innovation ist ein wichtiger Pfeiler der Helvetia-Entwicklung. Dazu gehören Investitionen in Startups im Bereich InsurTech und PropTech. Wo sehen Sie die grössten Mehrwerte, die hier für beteiligte Unternehmen und Mieter, Käufer und Verkäufer entstehen können, aber natürlich auch für Helvetia?
Wir investieren mit unserem Venture Fund in Startups. Neben InsurTechs fokussieren wir uns auf Jungunternehmen, mit deren Geschäftsmodell sich eine Brücke zu unserem Geschäft schlagen lässt. Dazu gehören auch die erwähnten PropTechs. Bei jeder Investition streben wir eine operative Zusammenarbeit mit dem Startup an. Davon profitiert das Startup, zum Beispiel in Form von einem breiteren Kundenzugang, und Helvetia erschliesst sich so innovative Ansätze und neue Technologien. Unsere Beteiligungen an PropTechs sind auch vor dem Hintergrund unseres Eco-System «Home» zu sehen. Damit wollen wir im Bereich Wohnen umfassende Dienstleistungen aus einer Hand bieten und gleichzeitig neue Ertragsquellen erschliessen.
Ende 2016 hat Helvetia für über 100 Mio Franken eine 70-%-Beteiligung an MoneyPark erworben. Mittlerweile ist MoneyPark die Nr. 4 im Schweizer Hypothekarmarkt. Rund um MoneyPark entsteht das angesprochene Öko-System ‹Home›. Wie weit ist dieses bereits gediehen?
2018 haben wir unser Eco-System «Home» weiter ausgebaut. Dabei bildet MoneyPark, der grösste unabhängige Schweizer Hypothekenvermittler, den zentralen Anker. Mit den Startups PriceHubble und Immoledo wurden zwei weitere Partner gewonnen. Innerhalb des Eco-Systems «Home» unterstützt PriceHubble kaufinteressierte Personen bei der Immobilienbewertung. Mit einer umfassenden Zustandsanalyse bietet Immoledo ein nützliches Hilfsmittel für Eigentumsbesitzer, um den Werterhalt ihrer Immobilie sicherzustellen. Herr Gmür, besten Dank für das Interview.
Zur Person Philipp Gmür (Jg. 1963) arbeitet seit 1993 für die Helvetia Versicherungen. Von 2003 bis 2016 war er Vorsitzender Geschäftsleitung Helvetia Schweiz, seit September 2016 ist er Vorsitzender der Konzernleitung Helvetia. Ausbildung lic. iur., Dr. iur., Universität Fribourg Luzerner Anwaltsexamen LL.M., Duke Law School, USA Advanced Management Program, Harvard Business School Helvetia