Philippe Hebeisen, CEO Vaudoise, im Interview

Philippe Hebeisen

Philippe Hebeisen, CEO Vaudoise. (Foto: Vaudoise)

Philippe Hebeisen, CEO Vaudoise. (Foto: Vaudoise)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Hebeisen, im Zweijahresrhythmus einen Teil des Gewinns in Form einer freiwilligen Prämienrückerstattung zu verteilen, ist sicherlich in der Versicherungsbranche gewöhnungsbedürftig?

Philippe Hebeisen: In unserer Politik der Überschussverteilung achten wir auf eine ausgewogene Verteilung, einerseits zwischen der Erhöhung des Eigenkapitals und andererseits der Beteiligung unserer Aktionäre, Gesellschafter und Kunden. In diesem Gleichgewicht macht die börsenkotierte Aktie ein Drittel des Kapitals aus und wir verteilen – unter Vorbehalt der Annahme durch die Generalversammlung –12 Millionen, während die Zuweisung an den Fonds zur Überschussbeteiligung der Versicherten CHF 25 Millionen beträgt.

Aber gibt’s da nicht von den Aktionären an der GV kritische Stimmen, wenn Sie so spendabel `mal 25 Millionen verschenken?

Diese Überschussverteilung kommt indirekt durch eine Erhöhung des Umsatzes und die Ergebnisse in den betreffenden Branchen der letzten Jahre auch den Aktionären zugute. Andererseits betonen wir jedes Jahr von neuem, dass wir aufgrund der genossenschaftlichen Struktur unserer Gruppe nicht einfach auf einen hohen Shareholder Value setzen. Unsere Vision ist langfristig ausgerichtet. Unsere treuen Aktionäre wissen das, und wir möchten uns für ihr Vertrauen bedanken. Ein Beweis für dieses Vertrauen ist auch die deutliche Steigerung des Börsenkurses, der sich innerhalb von 10 Jahren mehr als verdreifacht hat und den Index der Versicherungstitel des Schweizer Markts bei weitem übertrifft.

«Die Überschussverteilung an die Versicherten kommt indirekt durch eine Erhöhung des Umsatzes und die Ergebnisse in den betreffenden Branchen der letzten Jahre auch den Aktionären zugute.»
Philippe Hebeisen, CEO Vaudoise

Bei den Einmalprämien in der Lebensversicherung hat die Vaudoise letztes Jahr einen Viertel des Umsatzes verloren, doppelt so viel wie der in diesem Bereich ohnehin schwache Schweizer Markt. Wieso waren hier die Kunden so extrem zurückhaltend?

Das historisch sehr tiefe Zinsniveau hat uns gezwungen, beim Angebot an klassischen Produkten mit Einmalprämien weiterhin zurückhaltend zu sein, um unsere bestehenden Lebensversicherten nicht zu gefährden. Diese Tiefzinslage macht die Produkte weniger attraktiv. Bei Produkten mit Langzeitgarantien stehen die Versicherungsgesellschaften vor der Herausforderung der Rentabilität dieser Produkte, im Hinblick auf die Anforderungen des Swiss Solvency Test (SST). Wir haben dieses Jahr eine neue Produktpalette namens RythmoInvest lanciert, die diese Herausforderung annimmt und gleichzeitig den Bedürfnissen der Kunden entspricht.

Was brauchte es, ausser einer Zinswende, damit das Produkt Einmalprämie wieder für den Kunden interessant wird?

Dafür wäre eine Steigerung der Zinskurve der Schweizer Staatsobligationen um ein bis zwei Prozent notwendig.

Der technische Zinssatz in der Einzellebenversicherung lag 2015 nur noch bei 1,57 Prozent. Das Jahr 2016 brachte erneut Tiefzinsrekorde. Wo kommt der technische Zinssatz denn jetzt zu liegen?

Der rückläufige Trend dürfte weitergehen und der technische Zinssatz wird zwischen 0.1 bis 0.3 Prozent zu liegen kommen. Der Trend hängt von den Finanzprojektionen Ende 2016 ab.

Das Lebensversicherungsgeschäft macht nach dem Verkauf von Valorlife 2014 ohnehin nur noch ein Viertel Ihres Umsatzes aus. Könnte sich die Vaudoise nicht besser rein aufs „Nichtleben“ fokussieren?

Ganz klar nein. Auch wenn die Überlegung, sich angesichts der heutigen Rahmenbedingungen aus dem Lebensversicherungsgeschäft zurückzuziehen, verlockend klingt, ist es wahrscheinlich, dass sich die Wirtschaftszyklen zukünftig wieder zugunsten der Lebensversicherung entwickeln werden, wie es in den 80er- und 90er-Jahren der Fall war. Wir verfolgen klar die Strategie einer Schweizer Allbranchen-Versicherung und wollen die Bedürfnisse unserer Privat- und Unternehmenskunden erfüllen.

Bei um rund zwei Prozent gestiegenen Prämieneinnahmen mussten Sie letztes Jahr rund 8 Prozent mehr Versicherungsleistungen bezahlen. Wieso dieser sprunghafte Anstieg?

Man muss zwischen den verschiedenen Branchen unterscheiden. Bei den Vermögenversicherungen erklärt sich diese Entwicklung dadurch, dass wir nach jahrelanger aussergewöhnlicher Rentabilität zu einer normalen Schadenquote zurückgekehrt sind. Bei den Personenversicherungen hingegen ist die Schadenbelastung im Allgemeinen höher, insbesondere bei einer unsicheren Wirtschaftslage. 2015 ist die Schadenquote bei uns leicht gestiegen und hat in der Krankenversicherung Lohnausfall sogar ein zu hohes Niveau erreicht. In dieser Branche werden Sanierungsmassnahmen ergriffen.

Mit „Avenue Smart“ lassen sich Junglenker eine GPS-Box ins Auto setzen, um bei gutem Fahrverhalten von Prämienreduktionen zu profitieren. Wie viele Kästen haben Sie denn bisher installiert?

Avenue Smart wurde Ende Januar lanciert, es handelt sich also um ein ganz neues Produkt, für das wir noch keine aktiven Promotionsmassnahmen durchgeführt haben. Bis heute wurden mehrere hundert Boxen eingebaut.

Wie transparent ist denn das Vergleichsverfahren, das die Rabattstufe für das restliche Jahr festlegt? Gibt es eine Beschwerdemöglichkeit, wenn jemand dann nicht einverstanden ist?

Der Prozess ist transparent, da der Fahrer jederzeit sein Fahrverhalten überprüfen kann, das anhand der Kräfte gemessen wird (und zwar zweistufig: mittel und stark), welche beim Beschleunigen, beim Bremsen und in Kurven auftreten. In Kürze wird der Fahrer auch sehen können, wo genau «das Ereignis» und die diesbezüglichen Messungen stattfanden. Danach wird beruhend auf dem Score jedes Fahrers ein Ranking erstellt. Die Referenzperiode endet jedes Jahr am 30. September, und dann werden die Teilnehmer in drei gleich grosse Gruppen aufgeteilt, wobei jede Gruppe eine bestimmte Rabattstufe für das nächste Jahr erhält. Die Einteilung geschieht also durch die Teilnehmer-Community selbst in einem wechselseitigen Kreislauf.

Was die Beschwerden betrifft, so gehen wir natürlich auf alle Anfragen ein. Die Spielregeln sind allerdings, abgesehen von technischen Defekten, klar definiert und gelten für alle gleichermassen. Sie können deshalb nur schwer in Frage gestellt oder geändert werden. Wir müssen dabei im Auge behalten, dass das System die Teilnehmer nur belohnen kann (Mindestrabatt von 10% garantiert); niemand wird benachteiligt.

«Wenn man die zwei Millionen Haustiere in der Schweiz betrachtet, ist Kranken- und Unfallversicherung für Tiere ein interessanter Markt.»

Von der Assura haben Sie die Animalia SA übernommen. Das ist eine Kranken- und Unfallversicherung für Haustiere. Was und wieviel wollen Sie damit erreichen?

Es handelt sich hier um einen nicht vernachlässigbaren Markt, wenn man die zwei Millionen Haustiere in der Schweiz betrachtet. Wir erwarten von dieser neuen Tätigkeit ein doppeltes Cross-Selling bei Animalia und bei der Vaudoise. Unser ambitionierter Business-Plan sieht für 2016 schon eine Erhöhung des Inkassos in der Grössenordnung von 12 Prozent vor. Mit diesem Produkt können wir unsere bestehende Produktpalette ergänzen, und sie entspricht den Kundenbedürfnissen.

Haben Sie sonst noch eine interessante versicherungstechnische Neuerung in petto?

Wir sind im Bereich der technologischen Neuerungen besonders aufmerksam. Im Moment prüfen wir ernsthaft alle Initiativen im digitalen Bereich.

Auf Ihren eigenen Kapitalanlagen erwirtschafteten Sie letztes Jahr 3,5 Prozent Rendite. Wird das auch für 2016 die Richtschnur sein?

Unter Berücksichtigung der realisierten Kapitalgewinne und -verluste betrug die Anlagerendite im vergangenen Jahr 3.5 Prozent, in unserer Erfolgsrechnung (gemäss Swiss GAAP FER). Die direkten Erträge aus Zinsen, Mieten und Dividenden betrugen dabei 2.5 Prozent. Aufgrund des anhaltend tiefen Zinsniveaus gehen wir für 2016 von einem weiteren Rückgang der direkten Erträge um 0.2 – 0.3 Prozent aus. Die Höhe der Anlagerendite im Jahr 2016 hängt davon ab, ob die Entwicklung an den Finanzmärkten uns wiederum ermöglicht, Kapitalgewinne bei Aktien und Obligationen zu realisieren. Zum heutigen Zeitpunkt können wir hierzu noch keine Aussage machen.

Warum wurde bei in Ihrem Portfolio die Aktienquote von 12 auf nur noch 8 Prozent gesenkt?

Unsere Anlagestrategie, die in Übereinstimmung mit unserer Risikofähigkeit und im Wesentlichen auf der Grundlage regelmässiger Einnahmen optimiert wurde, haben wir 2015 beibehalten. Der Anteil an Wertschriften mit variablem Ertrag (Aktien, alternative Anlagen und weitere Titel) ist von 23.2 Prozent auf 19.8 Prozent gesunken. Im Laufe des Jahres haben wir die gute Marktbewertung genutzt und unsere Allokation in Aktien von reduziert und unsere Allokation in alternative Anlagen verstärkt.

Zur Person
Philippe Hebeisen ist seit 2009 Generaldirektor und CEO der Vaudoise Versicherungen. Er stiess 1999 zur Vaudoise und wurde, in der Funktion eines Direktors, mit der Schaffung des Departements Unternehmen bei der Gruppe Vaudoise Versicherungen beauftragt, bevor er von 2004 bis 2009 die Leitung des Departements Marketing & Vertriebsnetze übernahm. Parallel zu dieser Tätigkeit ist er seit 2010 Verwaltungsrat der Europ Assistance (Schweiz) Holding AG und seit 2009 Verwaltungsrat der Mapfre Re (Madrid) und Mitglied des SVV-Vorstands.

Zum Unternehmen
Die Vaudoise gehört mit über 1500 Mitarbeitenden zu den zehn grössten Privatversicherern des Schweizer Marktes. Das 1895 gegründete Unternehmen ist der einzige unabhängige Versicherer mit einem Entscheidungszentrum in der Westschweiz. Die Mehrheit des Aktienkapitals der Vaudoise Versicherungen Holding AG wird von der Genossenschaft Mutuelle Vaudoise gehalten. Da die Gruppe nicht von Investoren abhängig ist, kann sie sich in einer langfristigen Perspektive unabhängig und im Interesse ihrer Kunden und Stakeholder entwickeln. Die Aktien der Vaudoise werden an der SIX gehandelt.

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