Philippe Hebeisen, CEO Vaudoise Versicherungen, im Interview

Philippe Hebeisen

Vaudoise-CEO Philippe Hebeisen. (Foto: Vaudoise)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Hebeisen, die Vaudoise Versicherungen haben in der ersten Jahreshälfte einen tieferen Gewinn erzielt und auch das Ergebnis 2017 dürfte unter demjenigen des Vorjahres zu liegen kommen. Welche Gründe liegen vor?

Philippe Hebeisen: Die Vaudoise Versicherungsgruppe hat ihr versicherungstechnisches Ergebnis im Nichtleben-Geschäft nach der Sanierung von grossen Personenversicherungsverträgen beträchtlich verbessert. Wir führen eine strengere Risikozeichnungspolitik und wollen ein Gleichgewicht zugunsten der Vermögensbranchen erreichen. Die Vaudoise verzeichnet ein klares Wachstum in der Deutschschweiz. Im Bereich der Lebensversicherungen bieten wir traditionelle Einmalprämienversicherungen weiterhin nur zurückhaltend an. Die modernen Produkte mit periodischer Prämie entwickeln sich hingegen gut. Der Anlagengewinn ging im Vergleich zum Vorjahr aufgrund von gesunkenen Erträgen zurück. Die Solvabilität der Gruppe bleibt jedoch überdurchschnittlich hoch und das Eigenkapital steigt.

Sie werten das Ergebnis angesichts des komplexen Umfelds als solide. Wie würden Sie das aktuelle Umfeld beschreiben?

Im Nichtleben-Markt wird der Konkurrenzdruck immer stärker und die Margen kleiner. Die historisch tiefen Zinssätze machen den Verkauf von Lebensversicherungen und das Anlagenmanagement schwieriger.

Zu welchen Massnahmen sahen sich durch das tiefe Zinsumfeld gezwungen?

Jetzt ist vor allem wichtig, die bereits laufende Transformation unserer Lebensversicherungsprodukte hin zu weniger kapitalintensiven Versicherungslösungen abzuschliessen. Des Weiteren verstärken wir weiterhin die Reserven zur Sicherung der Zinssätze, damit die Leistungen für Verträge, deren garantierte Zinssätze über dem aktuellen Ertrag liegen, gesichert sind. Unsere Reserven sind im Vergleich zum Schweizer Markt gut dotiert.

«Wir haben keinerlei Absicht, uns aus den Lebensversicherungen zurückzuziehen.»
Philippe Hebeisen, CEO Vaudoise

Im Lebengeschäft sank das Inkasso der Vaudoise Leben um 6,2% auf 39,0 Mio Franken. Die Vaudoise ist eine Allbranchen-Versicherung, aber wäre es nicht lohnenswerter, sich auf den Nichtleben-Bereich zu fokussieren?

Bei den Lebensversicherungen dürfte die zweite Jahreshälfte dynamischer ausfallen, weil dann die Prämien fakturiert werden. Ausserdem vermarkten wir seit dem 1. September die neue TrendValor-Tranche. Dies sollte uns ermöglichen, den Rückgang der Einmalprämien im ersten Semester im zweiten Halbjahr auszugleichen.

Wir haben keinerlei Absicht, uns aus den Lebensversicherungen zurückzuziehen, im Gegenteil. Die Vaudoise-Gruppe ist in diesem Segment sehr präsent und hat die Umwandlung ihrer Produkte bereits 2015 begonnen. Die neuen Produkte sind weniger kapitalintensiv und bieten den Kunden einen Mehrwert.

Unter welchem Aspekt ist die Übernahme der Asset-Management-Gesellschaften Dr. Meyer Asset Management AG und Berninvest AG im März zu sehen?

Die Vaudoise ist auf dem Schweizer Markt aktiv und verfolgt ein organisches Wachstum über dem Marktdurchschnitt. Neben dieser Grundstrategie sehen wir es als angemessen an, eine gesunde Diversifizierung anzustreben, die im Einklang mit unserer Strategie ist. Dementsprechend haben wir unser Angebot im Bereich der Vermögensverwaltung für Dritte erweitert und möchten diesen Weg auch weiterverfolgen. Momentan beläuft sich der Wert des Immobilien-Portfolios der Gruppe auf 1,5 Milliarden Franken. Dazu kommen weitere 1,5 Milliarden Franken aus dem Immobilienpark, der über Berninvest und Vaudoise Investment Solutions für Dritte verwaltet wird.

Durch die Berninvest AG können wir ausserdem unsere Präsenz in der Deutschschweiz und im Immobilienbereich stärken und grössere Immobilien erwerben, als wir das mit unserer Gesellschaft alleine könnten.

«Mit der Investition in den BlackFin-Fonds ist nicht ausgeschlossen, dass wir auch in andere Gesellschaften investieren, die einen Mehrwert für unser Geschäftsmodell bringen.»

Die grossen Schlagworte dieser Zeit sind Insurtech, Fintech, Digitalisierung etc.. Die Vaudoise hat im Juli 15 Millionen Franken in den Fonds europäischer Fintechs, Insurtechs und Regtechs der Investmentgesellschaft BlackFin Capital Partners investiert. Warum kein direktes Engagement bei einer Insurtech-Plattform?

Wir erhalten regelmässig Angebote, vor allem von Insurtech-Unternehmen, die stark im Kommen sind und nach Investoren suchen. Die Direktion nimmt das Thema sehr ernst und begab sich im Sommer nach Berlin, quasi ins Insurtech-Zentrum. Die Auswahl der besten Initiativen ist Teil unserer Arbeit und nimmt uns sehr ein. Wir bleiben aber vorsichtig, denn der Bereich entwickelt sich rasant und bringt jeden Monat wieder neue Investitionsmöglichkeiten hervor.

Mit der Investition in den BlackFin-Fonds ist nicht ausgeschlossen, dass wir auch in andere Gesellschaften investieren, die einen Mehrwert für unser Geschäftsmodell bringen. BlackFin ist für uns ein sehr kompetenter Partner, der uns auch bei der Auswahl allfälliger Zukäufe berät. Wir arbeiten auch mit Hochschulen zusammen, insbesondere mit der ETH Lausanne im Bereich der künstlichen Intelligenz. Das geht von der Analyse der Portefeuille-Bewegungen und der Kundentreue bis zum Aufdecken von Betrugsfällen.

Können Sie uns die Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne näher erläutern?

Ja, wir entwickeln in Zusammenarbeit eine Software, mit der einfache Schadenfälle automatisch verarbeitet werden können. Dadurch haben Mitarbeitende mehr Zeit für Tätigkeiten mit einem Mehrwert und können sich auf die Beratung und die Betreuung der Kunden konzentrieren.

Gemäss dem aktuellen World Insurance Report versichert sich heute bereits fast jeder dritte Kunde weltweit via Insurtechs – entweder ausschliesslich oder ergänzend zu traditionellen Anbietern. Und gerade «Digital Natives» leben in einer benutzerfreundlichen Welt und stellen entsprechend hohe Anforderungen. Wie reagieren Sie auf diese Herausforderungen?

Auf der Grundlage von Studien des Kundenparcours von Versicherten in der Schweiz haben wir festgestellt, dass sie ein «hybrides» Verhalten aufweisen. Der Schweizer Versicherte informiert sich im Web, schliesst die Versicherung dann aber weitgehend bei einem Berater oder Broker ab. Der Schlüssel liegt also im Omnikanal-Vertrieb. Wir entwickeln deshalb die E-Commerce-Plattformen und unser Online-Kundenportal weiter, damit der Kunde jederzeit selbst bestimmen kann, wie er mit uns in Kontakt treten möchte. Vertriebskanäle, die noch vor einigen Jahren als konkurrierend galten, ergänzen sich heute klar gegenseitig. Wir investieren verstärkt in die Qualität unserer Beratung als auch in die digitalen Kanäle. Die beiden Kanäle müssen sich ergänzen.

Welche Digitalisierungs-Initiativen verfolgen Sie derzeit?

Wir arbeiten an unseren E-Commerce-Plattformen und sind intern daran, unsere Arbeitsprozesse mithilfe der digitalen Möglichkeiten zu optimieren, ohne die Nähe zum Kunden zu verlieren. Der Mensch bleibt im Mittelpunkt unseres Berufs.

Als eine der ersten privaten Westschweizer Unternehmen hat sich die Vaudoise «digitalswitzerland» angeschlossen. Was erhoffen Sie sich von diesem Schritt?

Digitalswitzerland vereint die wichtigsten Entscheidungsträger der Schweiz, sowohl aus der Privatwirtschaft als auch staatlich. Die Stiftung sieht sich als Motor der Digitalisierung in der Schweiz und will die Schweiz als führenden digitalen Hub positionieren. Die Fokusthemen wie die politischen Rahmenbedingungen, die Aus- und Weiterbildung oder das Verständnis des digitalen Wandels in der Bevölkerung sind wesentliche Punkte für unsere Tätigkeit. Dabei zu sein ermöglicht uns, Paradigmenwechsel von vornherein mitzuverfolgen und auf unser Ebene an diesen Wechseln teilzuhaben.

Herr Hebeisen, besten Dank für das Interview.

Zur Person
Philippe Hebeisen ist seit 2009 Generaldirektor und CEO der Vaudoise Versicherungen. Er stiess 1999 zur Vaudoise und wurde, in der Funktion eines Direktors, mit der Schaffung des Departements Unternehmen bei der Gruppe Vaudoise Versicherungen beauftragt, bevor er von 2004 bis 2009 die Leitung des Departements Marketing & Vertriebsnetze übernahm. Parallel zu dieser Tätigkeit ist er seit 2010 Verwaltungsrat der Europ Assistance (Schweiz) Holding AG und seit 2009 Verwaltungsrat der Mapfre Re (Madrid) und Mitglied des SVV-Vorstands.

Zum Unternehmen
Die Vaudoise gehört mit über 1500 Mitarbeitenden zu den zehn grössten Privatversicherern des Schweizer Marktes. Das 1895 gegründete Unternehmen ist der einzige unabhängige Versicherer mit einem Entscheidungszentrum in der Westschweiz. Die Mehrheit des Aktienkapitals der Vaudoise Versicherungen Holding AG wird von der Genossenschaft Mutuelle Vaudoise gehalten. Da die Gruppe nicht von Investoren abhängig ist, kann sie sich in einer langfristigen Perspektive unabhängig und im Interesse ihrer Kunden und Stakeholder entwickeln. Die Aktien der Vaudoise werden an der SIX gehandelt.

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