Philippe Petitpierre, CEO und VRP Holdigaz AG, im Interview
Philippe Petitpierre, CEO und VRP Holdigaz AG. (Foto: Holdigaz)
Von Robert Jakob
Moneycab: Monsieur Petitpierre, Holdigaz bilanziert sehr vorsichtig, was in Rückstellungen von einer Achtel Milliarde Franken zum Ausdruck kommt. Wie gross ist beispielsweise das Risiko, dass das Geothermie-Joint-Venture in Lavey nicht glückt?
Philippe Petitpierre: Die weitgehende Öffnung des Gasmarktes spüren wir vor allem bereits bei den Grosskunden in der Industrie. Gegen diese zukünftigen Risiken bauen wir vor. Die Politik des Bundes, welcher die fossilen Brennstoffe frontal attackiert, also leider auch das Gas, obwohl es nur geringe vergleichbare CO2-Emissionen verursacht, ist ein weiterer Faktor, der Holdigaz zu Rückstellungen drängt. Mit den Rückstellungen wollen wir gute Bedingungen für die Produktion erneuerbarer Energien sicherstellen, insbesondere für Biogas. Ein wichtiger Teil ist auch für Tarifänderungen reserviert, welche oft nur verzögert an die Endkunden weitergereicht werden können.
Wann kommt es bei Ihren langfristigen Gasförderprojekten am Genfersee zum hoffentlich erfolgreichen Abschluss?
Die Gesellschaft PETROSVIBRI wurde 1980 gegründet, also schon vor 35 Jahren. 2009 erst erhielt sie die Erlaubnis zu den Bohrungen im Waadtländischen Noville. Die erste Bohrung führte bis 3’535 Meter Tiefe. Die im 2013 lancierten weiterführenden Analysen sollten die erste Vermutung, dass ein sehr dichtes Gasvorkommen vorliegt, bestätigen und vor allem auch die bisher gesammelten geologischen Daten erhärten. Ausserdem sollten die Bohrungen Aufschluss über die Fördermethodik sowie deren Wirtschaftlichkeit geben.
«Mit starkem politischem Willen liesse sich der Gasanteil von jetzt 13.5 Prozent am Energiemix sicherlich verdoppeln.»
Philippe Petitpierre, CEO und VRP Holdigaz AG
Könnte die Lagerstätte sogar als CO2-Senke dienen?
Wenn das Gas extrahiert werden kann, ist es wünschenswert, dass die Lagerstätte auch gleichzeitig als CO2-Senke benutzt wird. Immer vorausgesetzt, die Porosität des Gesteins erlaubt dies auch zu ökonomisch vernünftigen Bedingungen.
Heizgas führt in der Schweiz im Vergleich zu den Nachbarländern noch ein Schattendasein. Was braucht es, um dieser CO2-neutralen Energiequelle hierzulande zum Durchbruch zu verhelfen?
Natürliche Gasvorkommen zu Heizzwecken für Wasser und Wärme zu benutzen bleibt die umweltfreundlichste Wahl. Der Transport per Pipeline verschmutzt die Umwelt nicht. Bei der Verbrennung belastet Erdgas von allen Kohlenwasserstoffen die Atmosphäre am wenigsten. Die Holdigaz-Gruppe investiert massiv in die CO2-neutrale Biogas-Produktion und in die ebenfalls CO2-neutrale Synthesegasproduktion durch Wandlung von Holz in Methan. Leider fehlt es zurzeit noch an politischer Anerkennung der Nachhaltigkeit dieser Produkte.
Auf mittelfristige Sicht muss der Energiebedarf der Schweiz ja aus einem immer breiteren Mix verschiedener Energien gedeckt werden. Welchen prozentualen Anteil könnte Gas einst einnehmen?
Treib- und Heizstoffe stellen unseren Energiebedarf dar. Natürliche Gasvorkommen bieten eine reelle ökologische Alternative. Und zwar sowohl im Verkehr als Kraftstofferdgas CNG als auch zum Heizen. Mit starkem politischem Willen liesse sich der Gasanteil von jetzt 13.5 Prozent am Energiemix sicherlich verdoppeln.
«Biogas kann nur mit Hilfe politischer Anerkennung seiner nachhaltigen Eigenschaften auf dem Markt für Gebäudeheizungen entwickeln.»
In der Schweiz müsste doch eigentlich der Biogasmarkt florieren?
Wie bereits angetönt kann sich Biogas nur mit Hilfe politischer Anerkennung seiner nachhaltigen Eigenschaften auf dem Markt für Gebäudeheizungen entwickeln. Holdigaz investiert massiv in diesem Sektor.
Wie stehen Sie mir Ihren Ausbauplänen in Lavigny?
Es läuft nach Plan. Die zweite Biogas-Produktionsgruppe wurde vor Kurzem in Betrieb genommen. Sie erlaubt die Einspeisung von 10 Millionen Kilowattstunden ins Netz und gleichzeitig die Eigenstromproduktion aus drei neu in Betrieb genommenen Turbinen, womit Lavigny einen 100prozentigen Selbstversorgungsgrad erreicht.
In Ihrem Versorgungsgebiet befinden sich auch 11 Tankstellen für Treibstoffgas. Ich nehme an, die Flächendeckung wird zunehmen. Wie viele Stationen sieht Ihre Langfristplanung vor?
In der französisch-sprechenden Schweiz sind wir dank öffentlicher und privater Tankstellen gut abgedeckt. Zusätzlich engagiert sich Holdigaz im Aufbau vom individuellen Tankstationen namens „PHILL“, die es erlauben, sein Auto über Nacht zuhause aufzutanken. Die Autofahrer müssen also nicht mehr zur öffentlichen Tankstelle fahren.
«Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sind einig, dass die Zukäufe sowohl der Wachstumsstrategie als auch der Diversifikationsstrategie gehorchen müssen.»
Durch das Sanitär-, Heiz- und Klimatechnikgeschäft ist Holdigaz ein diversifiziertes Unternehmen. Wird der Umsatzanteil von zurzeit gut einem Viertel weiter steigen?
Unsere Aktivitäten im Baugewerbe, wie Heiz- und Sanitärsysteme, Solartechnik und Lüftung tragen zur Diversifikation der Holdigaz-Gruppe bei. Durch diese Aktivitäten können wir aber auch die Benützung unseres Naturgases befördern. Der Umsatzanteil liegt stabil bei rund 27 Prozent. Das kann sich aber durch den Zutritt neuer Gesellschaften zu unserer Gruppe rasch ändern, was im Übrigen auch unser kurz- und mittelfristiges Ziel ist.
Ihre Eigenkapitalquote von über zwei Dritteln lässt ja erheblichen Raum für Zukäufe. Was wäre denn genau wünschenswert?
Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sind einig, dass die Zukäufe sowohl der Wachstumsstrategie als auch der Diversifikationsstrategie gehorchen müssen.
Holdigaz SA und Romande Énergie Holding SA haben eine 2,5% Überkreuzbeteiligung. Der Aktienkurs von Romande Energie dürfte Ihnen kaum Freude bereiten…
Die Kreuzbeteiligung zwischen Romande Energie Holding und Groupe Holdigaz steht klar für gemeinsame Projekte in der Erschliessung und Verteilung erneuerbarer Energien. Die Projekte sollen weiter an Bedeutung gewinnen. Was die jeweilige Börsenentwicklung anbelangt, so sieht es für alle Versorgeraktien im Moment nicht rosig aus, aber die Bilanz der Romande Energie spricht für sich. Sie ist solide und zeugt für sich allein von der Gesundheit des Unternehmens. Wir machen uns keinerleiSorgen wegen des Börsenkurses von RE.
Zum Unternehmen
Die Holdigaz SA mit Sitz in Vevey ging 2005 aus dem Zusammenschluss der 1861 gegründeten Compagnie Industrielle et Commerciale du Gaz SA in Vevey und der 1922 gegründeten Société du Gaz de la Plaine Du Rhône SA in Aigle hervor. Mit der 2007 wieder aktivierten Firma Cosvegaz versorgt das Unternehmen über ihr rund 1700 km langes Netz Gemeinden in den Kantonen Waadt, Wallis und Freiburg. Dieses wird vollständig von der Gaznat, an der Holdigaz mit rund einem Sechstel beteiligt ist, bezogen. Darüber hinaus ist die Gruppe mit verschiedenen Tochtergesellschaften in den Bereichen Sanitärtechnik, erneuerbare Energien (Solar- und Biogas) und Heiz- und Klimatechnik tätig.
Zur Person
Philippe Petitpierre aus Leysin ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er ist Ingenieur der ETH Lausanne und hat zwei Mastertitel in Umweltwissenschaften (1975) und Energie (1981 ). Philippe Petitpierre startete seine Karriere als Dozent an der EPFL und als Professor an der Ecole d’Ingénieurs Inter-Etats zu Ouagadougou. Petitpierre ist nicht nur Gründer der Holdigaz AG sondern, seit Januar 2007 auch deren CEO. Mittlerweile ist er auch Vorsitzender der zahlreichen Gruppengesellschaften von Holdigaz. Unter seinen zahlreichen weiteren Mandaten sind das Präsidium des Rates zur Wirtschaftsförderung des Kantons Waadt (DEV) sowie des Instituts für Management und Logistik der EPFL hervorzuheben.