Pierin Vincenz, CEO Raiffeisen-Gruppe

Pierin Vincenz, CEO Raiffeisen-Gruppe

Pierin Vincenz, CEO der Raiffeisen-Gruppe.

Von Daniel Manser, Derivative Partners Media AG, payoff.ch

Payoff: Herr Vincenz, die Raiffeisen-Gruppe war 2010 sehr erfolgreich. Werden Sie in diesem Jahr das Resultat halten können?

Pierin Vincenz: Raiffeisen ist auch in diesem Jahr gut unterwegs. Auch wenn die Wettbewerbssituation sehr intensiv ist, gehen wir davon aus, dass wir das letztjährige Resultat wieder erreichen können.

Seit 2001 wächst Raiffeisen im Hypothekengeschäft schneller als der Markt. Ihr Marktanteil erreichte 2010 15,7%. Was sind ihre mittelfristigen Zielsetzungen in diesem für Sie zentralen Geschäftsbereich?

Unser starkes Wachstum der vergangenen Jahre beruht auf unserer starken Marke, dem einzigartigen Geschäftsmodell mit der dezentralen Verantwortung und der exzellenten Marktkenntnis unserer Banken vor Ort. Wir sehen nach wie vor Wachstumspotenzial, insbesondere in den Agglomerationen, wo unser Marktanteil noch unterdurchschnittlich ist. Ziel ist ein Marktanteil von rund 20 %.

«Auch wenn die Wettbewerbssituation sehr intensiv ist, gehen wir davon aus, dass wir das letztjährige Resultat wieder erreichen können.» Pierin Vincenz, CEO der Raiffeisen-Gruppe

Hypothekargläubiger sind einem grossen Zinsrisiko ausgesetzt. Was für eine Zinsentwicklung im Schweizer Franken erwarten Sie im laufenden und nächsten Jahr?

Wir erwarten im laufenden Jahr leicht steigende Zinsen. Der Anteil an Festhypotheken liegt bei rund 75 %, derjenige an Libor-Hypotheken bei gut 6 %. Der grösste Teil der Hypothekargläubiger hat die Hypothek längerfristig fest abgeschlossen und wird somit nicht unmittelbar von Zinserhöhungen betroffen sein.

Wie minimieren beziehungsweise eliminieren Sie ihre diesbezüglichen Risiken?

Das Management der Zinsänderungsrisiken ist eine Aufgabe, die jede Raiffeisenbank auf der Basis ihrer Bilanzstruktur eigenständig wahrnimmt. Von Seiten Raiffeisen Schweiz geben wir dazu Limiten vor, innerhalb derer sich die Banken bewegen. Sie entscheiden selbständig über allenfalls notwendige Absicherungsgeschäfte.

Sie planen die Eröffnung von rund 30 neuen Geschäftsstellen. Wie stark möchte Raiffeisen noch wachsen?

Raiffeisen war vor 10 Jahren nur bei etwa der Hälfte der Schweizer Bevölkerung präsent. Durch die Erschliessung der Städte und Agglomerationen konnten diese «weissen Flecken» auf der Raiffeisen-Landkarte in den vergangenen Jahren weitgehend abgedeckt werden. Es gilt nun, punktuelle Lücken noch zu schliessen. Raiffeisen will für die gesamte Schweizer Bevölkerung präsent sein. Mit den geplanten neuen Geschäftsstellen werden wir dies erreichen.

Die Margen im Bankgeschäft werden kleiner. Wie geht Raiffeisen mit diesem konstanten Preisdruck um?

Es ist ein Fakt, dass die Margen gedrückt sind und wohl auch so bleiben. Raiffeisen arbeitet deshalb weiterhin daran, die Position im Firmenkunden- und Anlagegeschäft auszubauen und so zusätzliche Ertragspfeiler zu stärken.

«Um das seit dem Lehman Debakel schmerzlich ins Bewusstsein getretene Emittentenrisiko auf ein Minimum zu reduzieren, werden zudem alle Produkte (mit Ausnahme von Produkten des Kooperationspartners Bank Vontobel) mit einer sogenannten Pfandbesicherung (COSI) emittiert.»

Ihre Eigenkapitalrendite liegt mit 7.0% auf dem tiefsten Stand seit der Jahrtausendwende. Was ist die Ursache hierfür? Was für eine Eigenkapitalrendite streben Sie mit Raiffeisen langfristig an?

In erster Linie liegt das am starken Wachstum des Eigenkapitals in den letzten 10 Jahren von 3,5 Milliarden Franken auf 9,3 Milliarden (+ 265 %) durch die Thesaurierung der Gewinne, wie sie vom Genossenschaftsmodell vorgesehen ist. Dazu kommen grosse Investitionen in Bauten, IT und neue Mitarbeitende, um das starke Wachstum zu bewältigen. Ausserdem waren die Erträge durch die gedrückten Margen und den Rückgängen im Anlagegeschäft wegen der Finanzkrise nicht so stark gewachsen. Als Genossenschaftsbank streben wir eine Eigenkapitalrendite von 6 – 10 % an.

Das umkämpfte Anlagegeschäft wird für Ihre Bank immer wichtiger. Was kann Raiffeisen besser als Ihre Mitbewerber?

Das Bankgeschäft ist ein ausgesprochenes Vertrauensgeschäft. Das Raiffeisen Geschäftsmodell mit der ausgeprägten Kundennähe bietet hier grosse Vorteile. Zudem sind bei Raiffeisen die Kundenbeziehungen auf Langfristigkeit ausgelegt. Im Laufe eines Lebenszyklus kommen viele unserer Kundinnen und Kunden in Situationen, wo sie erweiterte Bedürfnisse in Finanzfragen, insbesondere auch im Bereich des Anlagegeschäft und der Pensionsplanung, haben. Durch die Kooperation mit Vontobel und andern Anbietern sind wir auch in der Lage, bedürfnisgerechte und konkurrenzfähige Dienstleistungen anzubieten.

Wird Raiffeisen versuchen über günstigere Preise für zum Beispiel Konto- oder Depotgeschäfte Marktanteile zu gewinnen?

Raiffeisen will in erster Linie über kompetente Beratung und attraktive Produkte die Kundinnen und Kunden überzeugen. Natürlich spielt im intensiven Wettbewerb auf dem schweizerischen Finanzplatz der Preis auch eine Rolle. Wir sind aber keine Discounter.

«Aus Diversifikationsgründen und aufgrund der aktuellen Bewertung finde ich Anlagen in Schwellenländern (Emerging Markets) derzeit spannend.»

Die als konservativ geltenden Raiffeisenbanken haben einen überdurchschnittlich hohen Anteil an modernen Anlageinstrumenten (Strukturierte Produkte) in ihren Depots. Wie erklären Sie sich das?

Bei diesen Produkten handelt es sich zum grössten Teil (rund 80%) um kapitalgeschützte Produkte, das heisst Produkte, welche einen 100%igen Kapitalschutz aufweisen. Die Mehrheit dieser Produkte wird im Auftrag von Raiffeisen von ausgewählten Emittenten herausgegeben. Um das seit dem Lehman Debakel schmerzlich ins Bewusstsein getretene Emittentenrisiko auf ein Minimum zu reduzieren, werden zudem alle Produkte (mit Ausnahme von Produkten des Kooperationspartners Bank Vontobel) mit einer sogenannten Pfandbesicherung (COSI) emittiert. Aufgrund dieser Ausgestaltung der Produkte können diese auch von sicherheitsorientierten Anlegern erworben werden, welche eine Verzinsung ihres Kapitals suchen und gleichzeitig jedoch die Chance nutzen wollen, von anziehenden Märkten zu profitieren. Dies erklärt den im Marktvergleich höheren Anteil an Strukturierten Produkten.

Raiffeisen setzt Strukturierte Produkte also aktiv ein. Was sind die Vorteile dieser Produkte für Ihre Kunden, wo sehen Sie Nachteile?

Die Vorteile von Strukturierten Produkten sind sicherlich, dass grundsätzlich jede Marktmeinung abbildbar ist und es für jedes Risikoprofil geeignete Produkte gibt. Zudem erhält der Anleger Zugang zu Anlageklassen, welche vorher professionellen Investoren vorbehalten waren. Mit der sichergestellten Handelbarkeit über die Börse ist auch die Liquidität gewährleistet.

Die Nachteile sehe ich darin, dass die Anleger eine persönliche Marktmeinung über die zugrundeliegenden Basiswerte haben sollten und sicherlich auch ein Beratungsbedarf darüber besteht, wie sich die Produkte in unterschiedlichen Marktszenarien verhalten. Dies trifft aber nicht nur für Strukturierte Produkte zu, sondern auch für andere Anlageinstrumente. Der Beratungsqualität kommt mehr denn je eine zentrale Rolle zu.

Zum Abschluss, welches sind Ihre drei persönlichen Anlagefavoriten für 2011 und wieso?

Aus Diversifikationsgründen und aufgrund der aktuellen Bewertung finde ich Anlagen in Schwellenländern (Emerging Markets) derzeit spannend. Positiv bin aber auch gegenüber nachhaltigen Anlageprodukten eingestellt. Ich bin der Meinung, dass nachhaltiges Handeln eine Grundvoraussetzung für eine gute Reputation und wirtschaftlichen Erfolg ist. Als Inflationsschutz und zur Diversifikation betrachte ich Rohstoff-Anlagen als wertvolle Depot-Beimischung. Zudem überzeugen mich die positiven Aussichten dieser Anlageklasse.


Der Gesprächspartner:
Dr. Pierin Vincenz ist seit 1999 CEO und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Raiffeisen Gruppe. Er verfügt über langjährige Praxis- und Führungserfahrung in verschiedenen Funktionen u.a. bei der Schweizerischen Treuhandgesellschaft, beim SBG und bei Hunter Douglas. Pierin Vincenz studierte Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen HSG und promovierte auch dort. 1996 trat Pierin Vincenz als Leiter des Departements Finanzen und Mitglied der Geschäftsleitung in die Raiffeisen Gruppe ein. Darüber hinaus ist er in verschiedenen Verwaltungsräten tätig, unter anderem bei der Aduno Gruppe, Vontobel Holding AG, Helvetia Versicherungen und der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Das Unternehmen:
In den letzten Jahren etablierte sich Raiffeisen als drittgrösste Bankengruppe der Schweiz. Die genossenschaftlich strukturierte Bankengruppe gehört zu den führenden Schweizer Retailbanken. Heute zählen 3,4 Millionen Schweizerinnen und Schweizer zu den Raiffeisen-Kunden. Davon sind über 1,7 Millionen Genossenschafter und somit Mitbesitzer ihrer Raiffeisenbank. Vertreten in 1’122 Orten in der Schweiz, weist Raiffeisen das dichteste Bankstellennetz aus. Die Raiffeisenbanken schreiben sich weiterhin eine vorsichtige Kreditpolitik, die Kontrolle der Risiken und kein Mitmachen in jedem Preiskampf auf die Fahne. Überzeugen will die genossenschaftlich organisierte Bankengruppe durch Beratungskompetenz, Fairness und Konstanz in der Geschäftspolitik.

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